Walz 4.0 Handwerk und Hochschule gestalten gemeinsam die Zukunft des Bauens
Mit dem interregionalen Projekt «Walz 4.0» wird die traditionsreiche Handwerks-Wanderschaft neu belebt: Das Departement Gestaltung, Architektur und Bauingenieurwesen der ZHAW ist Teil des Innovationsverbunds und bringt seine Expertise ein.

Das im April 2025 lancierte Projekt verbindet traditionelles Handwerkswissen mit Digitalisierung und moderner Hochschullehre. Damit sollen Bildungsmodelle geschaffen werden, die Praxis und Theorie bedarfs- und lösungsorientiert verbinden.
Regional und grenzüberschreitend
Die bewährte Praxisnähe der Winterthurer Architekturlehre wird mit dem Einbezug des Handwerks um eine konkrete Dimension reicher. Architektur- und Handwerksausbildung befruchten sich mit dem Ziel, die Baukultur entsprechend den Davos-Kriterien zu fördern. Dabei kann das Departement A der ZHAW auf vielfältige Erfahrungen aufbauen, die Nachhaltigkeit in die Bauwirtschaft bringen: Re-Use (zum Beispiel Aufstockung des Kopfbaus K 118 am Lagerplatz in Winterthur) und die erfolgreiche Entwicklung und Erprobung neuer Baustoffe wie des CPC-Betons (zum Beispiel am Pavillon Innovationslabor Grüze Winterthur) stehen hier seit Jahren im Fokus von Lehre und Forschung. Im praxisnahen Unterricht im Bachelor wurde in der Vergangenheit bereits der enge Kontakt zu lokalen Unternehmen gesucht und in Workshops gelebt: So zum Beispiel im Pflichtmodul Architekturmaterial mit den Unternehmen Kradolfer Gipserhandwerk aus Weinfelden und Keimfarben AG aus Thal.
Die nun grenzüberschreitende Kooperation mit unseren Nachbarn rund um den Bodensee geht dabei einen Schritt weiter. Im Projekt Walz 4.0 werden die vorhandenen Potenziale der Region in Handwerk und Hochschullehre synergetisch genutzt und weiterentwickelt. Handwerk, Hochschule und Digitalisierung bieten zusammen einen neuen Bildungsweg, um zeitgemässe Fertigungs- und Fügungsmethoden in die Ausbildung und damit in die Praxis einzuführen und zu etablieren.
Im Rahmen des Interreg-Projektes agiert das Institut Konstruktives Entwerfen als Schweizer Lead-Partner innerhalb des Partnerschaftsverbundes. Weitere Schweizer Partner sind die ArchitekturWerkstatt der OST – Ostschweizer Fachhochschule sowie die Denkmalstiftung Thurgau. Ebenfalls beteiligt ist die Universität Liechtenstein. Die Gesamtkoordination des Projekts liegt bei der HTWG Hochschule Konstanz.
Die Bauwirtschaft steht vor Herausforderungen wie Fachkräftemangel, steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und dem Erhalt traditionellen Handwerkswissens. Walz 4.0 begegnet diesen mit einem transdisziplinären Ansatz, der experimentelle und internationalen Zusammenarbeit sowie den Wissenstransfer zwischen Handwerk und Hochschule in den vier Ländern, Deutschland, Schweiz, Österreich, Liechtenstein, rund um den Bodensee stärkt.
Innovative Lernorte für praxisorientierte Ausbildung
Walz 4.0 etabliert Lernorte in der Vierländerregion, an denen Theorie und Praxis verknüpft werden. Studierende, Handwerksgesellinnen und -gesellen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Unternehmen arbeiten gemeinsam an realen Bau- und Sanierungsprojekten, um Planungsprozesse und nachhaltige Konstruktionsmethoden zu entwickeln und digitale Werkzeuge zu erproben. Zudem wird ein Lernraum geschaffen in Form einer digitalen Plattform, auf der aktiv Wissen gesammelt und vermittelt und Innovationen gemeinsam geschaffen werden. So entsteht ein Wissens- und Innovationsarchiv zu nachhaltigem kooperativen Bauen.
Ein zentrales Anliegen ist die Entwicklung von Modellen für den Wissenstransfer und die langfristige Sicherung der Initiative. Dabei wird besonderer Wert auf die Konzeption langfristig tragfähiger Geschäftsmodelle gelegt, die eine Verstetigung der open-source Walz 4.0-Plattform auch ohne zukünftige Förderung ermöglichen. Dies sichert langfristig die kontinuierliche Weiterentwicklung geschaffener Strukturen und Netzwerke und das Bestehen der Walz 4.0.
Prof. Dr. Andri Gerber von der ZHAW unterstreicht:
«Angesichts der Klimakrise ist zirkuläres Bauen im Sinne von Bauen im Bestand und Wiederverwenden von Bauteilen wichtiger denn je. Gerade hier ist handwerkliches Wissen und Können, ergänzt um die breite Anwendung digitaler Werkzeuge, gefragt. Die Walz 4.0 bringt Handwerk, Hochschule und neue Technologien zusammen und schafft somit die Voraussetzungen für eine nachhaltige Bauwirtschaft.»
Ein starkes Netzwerk für eine zukunftsfähige Bauwirtschaft
Ein zentraler Partner des Projekts ist die Denkmal Stiftung Thurgau, die als Gründungsmitglied eine Schlüsselrolle einnimmt in der Verbindung von innovativer Handwerkskunst, nachhaltiger Baukultur und lebenslangem Lernen. Die Stiftung engagiert sich für den Erhalt historischer Bauweisen und bringt hier wertvolles Fachwissen und -kompetenzen ein. Ueli Wepfer, Präsident der Denkmal Stiftung Thurgau, betont:
«... Es ist uns ein besonderes Anliegen, das kulturelle Erbe des Bauhandwerks mit zukunftsweisenden Technologien zu verbinden. Walz 4.0 stärkt die handwerkliche Baukultur und sichert wertvolles Wissen für kommende Generationen.»
Weitere am Projekt beteiligte Handwerksorganisationen sind die Handwerkskammer Konstanz, die Wirtschaftskammer Vorarlberg und das Vorarlberger Architekturinstitut (VAI). Sie fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit und unterstützen die Entwicklung innovativer Baukonzepte.
Akademische Partnerinnen sind die HTWG Hochschule Konstanz, die OTH Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, die ArchitekturWerkstatt der OST – Ostschweizer Fachhochschule, die FH Vorarlberg und die Universität Liechtenstein. Sie tragen zur Entwicklung experimenteller und intersektoraler Curricula bei, die Lehre und Lernen erlebbar und praktisch gestalten, sowie die Verzahnung von Hochschule und Handwerksausbildung vorantreiben. Gemeinsam mit den Handwerksorganisationen werden Pilotprojekte initiiert, die nachhaltiges Bauen mit digitaler Innovation verknüpfen.
5 Millionen Euro bis 2028
Das Projekt wird im Rahmen des Interreg VI-Programms Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein gefördert und läuft von April 2025 bis März 2028. Mit einer Gesamtfinanzierung von rund 5 Millionen Euro, darunter Mittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE), der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein, legt Walz 4.0 den Grundstein für eine nachhaltige Transformation der Bauwirtschaft in der Region.
Ein Modell für das Bauen der Zukunft
Walz 4.0 ist mehr als ein Bildungsprojekt – es ist ein Modell für die Bauwirtschaft der Zukunft. Durch die enge Zusammenarbeit von Handwerk, Hochschulen und Wirtschaft entsteht eine neue Baukultur, die klimafreundlich, praxisnah und innovativ ist. Die Entwicklung nachhaltiger Geschäftsmodelle gewährleistet, dass die Initiative auch langfristig Wirkung zeigt und die Baupraxis positiv beeinflusst.
Mehr Informationen zum Projekt unter: www.walz40.eu
Kontakt
Hartmut Göhler, Dipl.-Ing. Architekt BSA SIA, Dozent I Senior Researcher, Telefon +41 58 934 76 50, E-Mail hartmut.goehler@zhaw.ch