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Spontan statt geplant: Warum junge Erwachsene nachts zum E-Trottinett greifen

Gemäss neuster Unfallstatistik sind 86 Prozent der schweren Elektro-Trottinett-Unfälle selbst verursacht. Hauptursache: Alkohol. Hinter dem Lenker standen häufig junge Erwachsene. Warum greifen sie nachts in fahruntauglichem Zustand zum E-Trottinett und wie können diese Unfälle minimiert werden? Daran forschte die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in den letzten zwei Jahren, mit finanzieller Unterstützung der Stiftung für Prävention der AXA. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Im Zentrum der Forschung stand die Frage, warum sich junge Fahrer:innen in konkreten Situationen – insbesondere nachts – für oder gegen die Nutzung eines E-Trottinetts entscheiden. Die Antwort: Die Entscheidung fällt meist kurzfristig und situativ. Die zwei wichtigsten Einflussfaktoren sind Gleichaltrige und alternativ verfügbare Transportmittel. Interessant dabei: in der Regel sind sich die jungen E-Trottinett-Lenkenden der Risiken sehr bewusst.

E-Trottinett: Ja oder nein? Junge entscheiden situativ

Die Studie zeigt: Junge Erwachsene wissen, was erlaubt ist und was nicht. Sie unterschätzen das Risiko kaum und handeln meist regelkonform. Doch situative Faktoren wie Wartezeiten auf den Bus, längere Fusswege oder spontane Verfügbarkeit von E-Trottinetts im Strassenraum führen dazu, dass das E-Trottinett als attraktivste Option erscheint. Das heisst; Die Entscheidung nachts für oder gegen ein E-Trottinett wird – anders als viele andere Entscheidungen – nicht primär über Einsicht oder Wissen gesteuert, sondern situativ, anhand der überschaubaren Rahmenbedingungen, getroffen.

Dass situative und soziale Faktoren einen so grossen Einfluss haben, überrascht Projektleiter Markus Hackenfort: «Ich habe eher erwartet, dass, wie so oft, die persönliche Einstellung einen stärkeren protektiven Effekt hat. Junge Erwachsene wissen in der Regel ziemlich genau, was es rechtlich bedeuten kann, nachts alkoholisiert auf ein E-Trottinett zu steigen, aber die Situation, also der Wunsch schnell von A nach B zu kommen, überwiegt in dem Moment.»
 

Peers beeinflussen Entscheidung – positiv wie negativ

Ein weiterer zentraler Befund: Das soziale Umfeld hat einen starken Einfluss – sowohl schützend als auch risikofördernd. Wer in einer Gruppe unterwegs ist, die lieber den Bus nimmt, entscheidet sich seltener für das E-Trottinett. Umgekehrt steigt die Wahrscheinlichkeit der Nutzung eines E-Trottinetts, wenn andere in der Gruppe ebenfalls ein E-Trottinett wählen.

Präventionsansätze: Entscheidung früher begleiten

Für die Prävention bedeuten die Forschungsergebnisse: Es braucht neue Ansätze. Projektleiter Markus Hackenfort von der ZHAW: «Statt nur auf bereits schwer zu überwachende Regeln und Verbote zu setzen, sollten wir Bedingungen fördern, die sichere Entscheidungen einfacher machen – im Moment der Entscheidung selbst.» Präventionsmassnahmen sollten nicht mehr nur auf allgemeine Aufklärung setzen, sondern die Entscheidungssituation selbst gezielter beeinflussen. Das heisst die Mobilitätsentscheidung muss früher begleitet werden – idealerweise, bevor man ausgeht. Wer sich im nüchternen Zustand beispielsweise über die Rückreise Gedanken macht, ist weniger anfällig für spontane und möglicherweise riskante Entscheidungen. Gleichzeitig braucht es mehr Information über sichere Alternativen und deren Attraktivität, etwa durch kürzere Wartezeiten auf öffentliche Verkehrsmittel oder bessere Sichtbarkeit der alternativen Möglichkeiten. 

Konkrete Massnahmen zur Prävention von E-Trottinett-Unfällen

In einem zweiten Teilprojekt soll der Fokus nun auf der Entwicklung, der Durchführung und der Evaluation von zielgruppenspezifischen Massnahmen zur Prävention von E-Trottinett-Unfällen liegen. Die Finanzierung des zweiten Teilprojektes wird derzeit abgeklärt.

Über das Projekt

Ziel dieses Forschungsprojekts war eine quantitativ und qualitativ abgestützte Analyse der risikoerhöhenden Bedingungen von E-Trottinett-Fahrenden. Daten zu dieser Fragestellung gab es in diesem Detailgrad bisher noch nicht. Und auch die genutzten Methoden zur Erhebung dieser Daten sind neu: videoanalytische Beobachtungen tags und vor allem nachts in den Städten Zürich, Bern und Basel, systematische experimentelle Variationen der Bedingungsfaktoren sowie Befragungen im Zusammenspiel mit Verhaltensbeobachtungen.

Für dieses Forschungsprojekt haben sich drei Universitäten aus drei verschiedenen Ländern zusammengeschlossen: Die ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften – Human Factors Psychology, die Technische Universität Dresden und die Technical University of Denmark

Die Ergebnisse, der von der Stiftung für Prävention der AXA finanzierten Forschung, liefern neue Impulse für evidenzbasierte Präventionsarbeit und sichere urbane Mobilität. 

Weitere Informationen zum Forschungsprojekt finden Sie hier: https://stiftung-praevention.ch/prävention-von-e-trottinett-unfällen-junger-fahrerinnen/ 

Kontakt

  • Prof. Dr. Markus Hackenfort, Projektleiter und Professor für Human Factors Psychology, ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften
    Departement Angewandte Psychologie, Psychologisches Institut, Telefon: +41 58 934 83 73, E-Mail: markus.hackenfort@zhaw.ch