Kunst und Bau: Treppensteigen für den neuen Campus
Marker befestigt, Kameras ausgerichtet und los! Mehrere Proband:innen liefen im Ganglabor am Institut für Mechanische Systeme (IMES) mehrfach eine Treppe hoch und wieder runter, während sie aufgenommen wurden. Das Endergebnis der Aufnahmen wird im Kunst und Bau-Projekt «Forms of Motion» auf dem neuen Campus T installiert.
Im Ganglabor des Instituts für Mechanische Systeme (IMES) wurden verschiedene Proband:innen beim Treppensteigen genau beobachtet. Dazu gehörten Studierende und Mitarbeitende der ZHAW School of Engineering sowie externe Personen. Mit Motion-Capture-Technologie wurde aufgenommen, wie die Teilnehmenden mehrmals und in verschiedenen Varianten eine Holztreppe hoch- und runtergehen. So ging es zum Beispiel darum, das Treppengeländer auf verschiedene Weise zu verwenden, etwa indem daran entlanggefahren oder vorgegriffen wurde. Für die Aufnahmen wurden den Testpersonen an verschiedenen Stellen, von Kopf bis Fuss, Marker aufgeklebt. Damit konnten die Bewegungen der einzelnen Marker von den Kameras während des Treppensteigens verfolgt werden.
Die Ergebnisse der Aufnahmen brauchen Alexandra Navratil und Ester Alemayehu Hatle für ihr Projekt «Forms of Motion» für den neuen Campus T. Die beiden haben die Ausschreibung Kunst und Bau des Kantons Zürich für den Neubau gewonnen. Bei den Aufnahmen im Ganglabor war Alexandra Navratil ebenfalls vor Ort und schaute sich die Messungen an.
Alexandra Navratil, was machen Sie mit den Ergebnissen der Messungen?
A.N.: Aus den Ergebnissen entstehen Treppengeländer fürs neue Gebäude TL auf dem Campus T. Die Bewegungskurven der einzelnen Aufnahmen dienen als Vorlage für die späteren Variationen der Kurven der Handläufe. Durch die unterschiedlichen Proband:innen haben wir eine Vielzahl an Kurven, die Menschen zeigen, die sich unterschiedlich bewegen. Genau diese Vielfalt ist für unser Projekt interessant. Im nächsten Schritt werden die Handläufe in 3D modelliert und gehen anschliessend in die Produktion.
Was ist die Idee hinter dem Projekt?
A.N.: Unsere Kunst soll nicht nur Dekoration sein, sondern eine Funktion haben. Wir kamen auf die Idee mit den Handläufen an den Treppen im neuen Gebäude auf dem Campus T, weil die Kunst anfassbar wird und die menschliche Hand eine Intelligenz besitzt, die über den Tastsinn zum Ausdruck kommt. Als Material haben wir deshalb bewusst Holz gewählt, da es eine Wärme hat. Die Handläufe werden in einem Holzbiegewerk verarbeitet. Der Biegevorgang geschieht dort mit Dampf, es wird aber auch mit CNC-Fräsen gearbeitet. Diese Kombination aus traditionellem Handwerk und neuer Technologie in der Verarbeitung finden wir besonders spannend.
Wo kommen die Handläufe überall hin?
A.N.: Im zukünftigen Laborgebäude TL auf dem neuen Campus T werden die Handläufe an den Treppen und den Geländern im Innenraum platziert. Besonders die grosse Treppe im Atrium steht im Fokus. Punktuell kommen die Handläufe aber auch im Aussenraum zum Einsatz und im Eingangsbereich werden sie sogar zum Teil in den Boden eingelassen. Die Handläufe verbinden im neuen Gebäude somit alle Ebenen und Abteilungen und schaffen ein kontinuierliches künstlerisches und architektonisches Element.
Die Messungen im Ganglabor, die den Start der Entwicklung der Handläufe einläuteten, wurden von Roger Claude von Mentlen und Jeremy Genter durchgeführt.
Was musste für die Aufnahmen alles vorbereitet werden?
R.v.M. & J.G.: Wir mussten den Raum spezifisch für diese Aufnahmen einrichten. Den Raum, unser Ganglabor, hatten wir bereits zur Verfügung, dieser ist extra für Bewegungsaufnahmen eingerichtet und mit der benötigten Technologie ausgestattet. Zum Beispiel ist hier auch Silhouetten-Tracking möglich. Was bei diesen Aufnahmen besonders war, ist natürlich die Test-Treppe. Diese wurde von einem Schreiner produziert und wir mussten sie gemeinsam im Raum installieren. Danach wurden die Kameras auf den effektiven Messbereich ausgerichtet, das ist der grösste Aufwand. Sobald alles stand, nahmen wir Probemessungen vor und schauten verschiedene Aufnahmen mit Alexandra Navratil an. Insgesamt dauerte es fast eine Woche, den Raum für die Aufnahmen vorzubereiten.
Wie funktionieren die Messungen technisch?
R.v.M. & J.G.: Im Raum sind acht Kameras installiert. Auf dem Körper der Probandinnen und Probanden wurden jeweils 19 reflektierende Marker an den gleichen Stellen befestigt. Die Kameras haben einerseits ein integriertes LED-Licht und scheinen auf die Marker, andererseits nehmen sie die Reflexionen wieder auf. Damit die Marker auf den Aufnahmen gesehen werden, darf nichts anderes reflektieren. Das System filtert anschliessend auf jeder einzelnen Kamera heraus, was der Marker sein könnte. Damit der Marker dann effektiv als solcher zugewiesen werden kann, muss er immer gleichzeitig von mindestens zwei Kameras erkannt werden.
Und was kommt dabei im System raus?
R.v.M. & J.G.: Das System erkennt die Markerkoordinaten im Raum bei Messungen von 120 mal pro Sekunde. Wir erhalten dann ein Video, wie sich die Markerpunkte durch den Messbereich bewegen. Unsere Aufgabe besteht dann darin, die Marker in jeder Aufnahme manuell auf die Körperteile zuzuweisen. Es kann nämlich sein, dass, je nach Bewegung, Marker manchmal hinter einem anderen Körperteil verschwinden oder in diesem Fall beispielsweise dem Treppengeländer. Ist dies der Fall, müssen wir die Marker neu labeln, wenn sie wieder erscheinen. Wir rechnen pro Probandin und Proband mit einem Aufwand von ungefähr eineinhalb Stunden für die Aufnahmen und das Labeln. Ganz zum Schluss senden wir die Verläufe der Marker, was die Kurven fürs Projekt ergibt, an die Künstlerinnen.

