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Meldepflicht im Kindesschutz: Wie weiter bei einem Verdacht?

Kita-Mitarbeitende sind gesetzlich verpflichtet, jedem Hinweis auf Kindswohlgefährdung nachzugehen. Wie geht man am besten vor? In einem Projekt der ZHAW Soziale Arbeit setzten sie sich mit diesen Fragen auseinander.

Die Gefährdung eines Kindes rechtzeitig zu erkennen und einzuschätzen, kann sehr komplex sein. (Bild: Ksenia Chernaya / Pexels)

von Silvia Gavez, Marion Pomey, Franziska Widmer

Der dreijährige Noah besucht eine Kindertagesstätte und hat sich gut eingewöhnt. Eines Tages erzählt er seiner Mutter, dass ihn eine Kita-Mitarbeiterin «so merkwürdig zwischen den Beinen» angefasst habe. Die Mutter ist über diese Aussage höchst verunsichert und wendet sich umgehend an die Kita-Leiterin. Diese ist konsterniert. Sie kann es kaum glauben, was Noahs Mutter ihr gemeldet hat.

In einer anderen Kita berichtet die vierjährige Sandra beim Mittagessen, dass ihr Papa gestern ihre Mama geschlagen habe. Eine Kita-Mitarbeiterin hört zufälligerweise mit.

Diese beiden Beispiele sind fiktiv, aber nicht unrealistisch. Sie stellen Kita-Mitarbeitende vor schwierige Fragen: Wie soll man reagieren, wenn Eltern melden, dass sich eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter möglicherweise übergriffig verhalten hat? Was soll man einem Kind antworten, das eine mögliche Gefährdung durch häusliche Gewalt erwähnt? Riskiert man im Falle einer Meldung, die sich am Ende als unbegründet erweist, den Ruf der Kita zu schädigen?

Gesetzliche Meldepflicht

Die Gefährdung eines Kindes zu erkennen und den Handlungsbedarf einzuschätzen ist anspruchsvoll. Darum sollten Kita-Mitarbeitende gut auf solche Fälle vorbereitet sein. Nicht zuletzt deshalb, um den gesetzlichen Vorschriften nachkommen zu können. Seit 2019 gelten erweiterte Melderechte und -pflichten im zivilrechtlichen Kindesschutz. Diese halten fest, wer wann eine Meldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) machen darf oder sogar muss, wenn konkrete Hinweise bestehen, dass die körperliche, psychische oder sexuelle Integrität eines Kindes gefährdet ist. Das betrifft auch Kita-Mitarbeitende.

Vor welchen konkreten Herausforderungen stellt die Meldepflicht die Mitarbeitenden in den Kitas? Dies zu eruieren, war das Ziel des Projektes «Verdacht einer Kindeswohlgefährdung – wie weiter?», welches das Institut für Kindheit, Jugend und Familie der ZHAW Soziale Arbeit gemeinsam mit dem Verband kibesuisse durchführte. Die Stiftung 3FO finanzierte das Projekt und die Projektleiterin wurde bei der Umsetzung durch eine Delegierte begleitet.

Workshops zu Kindesschutz-Themen

In Interviews mit Kita-Leiterinnen aus den Kantonen Aargau und Solothurn eruierten die Forschenden deren Erfahrungen und Herausforderungen. Anschliessend vermittelten in drei Workshops Fachpersonen von Beratungsstellen sowie Behördenmitglieder aus den Kantonen Aargau und Solothurn den Kita-Leiterinnen Fachwissen und regten zu Reflexion und Dialog über Kindesschutzfragen an. In einem Workshop beispielsweise erläuterte eine KESB-Mitarbeitende, wie sie vorgehen, wenn eine Gefährdungsmeldung bei ihnen eingeht. Unter anderem sei es wichtig zu wissen, dass nach einer Meldung nicht automatisch ein Kind aus seiner Familie genommen wird. Es gibt viele – auch freiwillige – Massnahmen und Interventionen, die zur Unterstützung von Familien zur Auswahl stehen.

Ein anderes Thema, das diskutiert wurde, war die Dokumentation von Verdachtsfällen. Konkret ging es darum zu erfahren, ob man Verletzungen, blaue Flecken oder ähnliches am Körper des Kindes fotografieren und jemandem zeigen dürfe. In solchen Fällen ist es angebracht, bei der Kindesschutzgruppe anzurufen und sich beraten zu lassen. Dies ist möglich, ohne die Namen der betroffenen Kinder oder Eltern zu nennen.

Vernetzung fördern

Aus fachlicher Sicht ist es wichtig, den Dialog über Kindeschutzthemen aufrechtzuerhalten. Ziel ist es, Teilnehmende zu sensibilisieren, Fachwissen zu vertiefen und die Sicherheit im Umgang mit heiklen Themen zu erhöhen. 

In Zusammenarbeit mit kibesuisse wird die Vernetzung zu Kindesschutz-Themen weitergeführt. Damit haben Kita-Mitarbeitende weiterhin die Möglichkeiten, sich zu Kindeschutz-Themen auszutauschen, Angebote von Beratungsstellen in der Region kennenzulernen sowie Fragen mit Fachpersonen zu diskutieren.

Veranstaltung für Kita-Mitarbeitende

Die nächste Veranstaltung für Kita-Mitarbeitende findet am Donnerstag, den 24. Juni 2021, von 9 bis 11 Uhr statt (online). Die Sozialarbeiterin Elvira Savci wird das Angebot der Beratungsstelle Opferhilfe Aargau Solothurn vorstellen und Fragen der Teilnehmenden beantworten. Im Fokus stehen körperliche, seelische und sexuelle Gewalt.

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