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Studie «Children’s Worlds»: So geht es Kindern in der Schweiz

Im Rahmen einer internationalen Studie zum Wohlbefinden von Kindern nahm erstmals auch die Schweiz teil. Die Befunde sind vorwiegend positiv. Dennoch gibt es Handlungsbedarf.

Trotz hoher Zufriedenheit berichten viele Schweizer Kinder von Negativerfahrungen. (Bild: Getty Images)

von Tim Tausendfreund und Ida Ofelia Brink

«Ich kann nicht entscheiden: ‹Wir gehen jetzt auf den Mond!› Die Eltern könnten ja vielleicht sagen: ‹Wir wollen lieber auf den Mars.› Aber wenn ich erwachsen bin und allein, dann kann ich sagen: ‹Ich möchte auf den Mond und nicht auf den Mars!› Und niemand kann mir sagen: ‹Du darfst nicht!›»

So lautet die Antwort eines Kindes auf die Frage, wie es über seine Zukunft denkt. Sie stammt aus Diskussionen, die wir ergänzend zur grossangelegten Befragung der «Children’s Worlds»­Studie durchgeführt haben. Und sie macht deutlich: Es ist wichtig, dass Kinder mitbestimmen können.

Kinder aus 35 Ländern

«Children’s Worlds» ist ein von der Jacobs Foundation geförderter Forschungsverbund, der zum dritten Mal Kinder aus der ganzen Welt befragte – zum ersten Mal auch in der Schweiz. Durchgeführt wurde die hiesige Teilstudie vom Institut für Kindheit, Jugend und Familie der ZHAW Soziale Arbeit, ermöglicht durch die Fondation Botnar und das Amt für Jugend und Berufsberatung des Kantons Zürich.

Mit einem thematisch breitgefächerten und international abgestimmten Fragebogen wurden Aussagen zum Wohlbefinden und zur Lebenssituation von Kindern gesammelt. Weltweit haben 128'000 Kinder aus 35 Ländern den Fragebogen ausgefüllt. Das ist eine grosse Chance, um Wissen über Bedarfe und Lebenslagen von jungen Menschen zu generieren und das öffentliche Bewusstsein für ihre Anliegen zu stärken.

«Eltern sind der Boss»

In der Schweiz nahmen über 1800 Kinder im Alter zwischen 8 und 12 Jahren teil. Ihre Antworten zeigen: Im Vergleich zu anderen Bereichen des Fragebogens nehmen sie ein relativ geringes Mass an Mitsprache wahr. Nur knapp 40% der Kinder wissen sicher, welche Rechte sie haben, und weniger als ein Fünftel kennen die UNO-Kinderrechtskonvention. Oder, wie eines der Kinder es zusammenfasste: «Eltern sind sozusagen der Boss von dir.»

Ein wichtiger sozialer Lebensort für Kinder ist die Schule. Diese nehmen sie nicht nur als Bildungsinstitution wahr. Schule bedeutet für sie ein Ort, wo man einander kennenlernt, «nicht zu viel streiten» soll und wo man sich zu «benehmen» lernt.

Sicher und umsorgt

Trotz hoher Zufriedenheit mit sozialen Kontakten fällt auf, wie häufig sie über Negativerfahrungen berichten. So gab über die Hälfte der Kinder an, im vergangenen Monat von anderen Kindern beschimpft worden zu sein. Ein Drittel der 10-­ bis 12-­Jährigen berichtete, von Gleichaltrigen geschlagen worden zu sein, und 40% wurden im letzten Monat bei sozialen Aktivitäten ausgeschlossen. Fast ein Viertel der Kinder stimmt sehr oder voll und ganz der Aussage zu, dass es viele Streitigkeiten in ihrer Klasse gibt.

Gleichzeitig berichtete die überwiegende Mehrheit (97,8%), vergangenen Monat von anderen etwas Nettes über sich gehört zu haben. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass die meisten der befragten Schweizer Kinder sehr zufrieden sind. Die überwiegende Mehrheit fühlt sich sicher und zu Hause umsorgt, ist mit ihren Freundschaften glücklich und hat Menschen, die bei Problemen helfen.

Den Sorgen nachgehen

Einen zentralen Bezugsrahmen stellen für die befragten Kinder ihre Familie und Freunde dar. Situationen, in denen sie sich wohlfühlen, wurden fast ausschliesslich mit Erlebnissen mit Familie und Freunden gefüllt. «Die Familie kann man nicht im Shop kaufen, nicht so wie ein Spielzeug», sagte ein Kind und betonte: «Die Familie ist einmalig.» Wenig verwunderlich, dass auch Ängste und Sorgen mit deren Verlust oder Ärger verbunden und existenzieller Natur sind. So sagte ein Kind: «Ich mache mir Sorgen, dass ich plötzlich keine Freunde mehr habe, weil die mich hassen, oder dass ich plötzlich keine Familie mehr habe.»

Auch in der quantitativen Studie geben einige Kinder Anlass zur Sorge. Es sind wenige, aber ihre sehr negativen Bewertungen sind dafür umso bedenklicher. Wer sind diese Kinder? Was zeichnet ihre Lebenssituation aus? Wie können wir, fachlich und gesellschaftlich, ihren Bedarfen und Sorgen gerecht werden? Diese Fragen möchten wir weiterverfolgen.

Mehr zur Children’s Worlds

Kinder haben Rechte – so besagt es die UNO-Kinderrechtskonvention, die am 20. November 1989 verabschiedet wurde. Und wie steht es um ihre Erfahrungen, ihre Perspektiven und ihr Wohlbefinden? Das herauszufinden, ist das Ziel des internationalen Forschungsprojekts «Children’s Worlds». Die erste Erhebungswelle fand im Jahr 2010 statt. Das Institut für Kindheit, Jugend und Familie wurde im Rahmen der dritten Erhebungswelle beauftragt, mit der Teilstudie «Well-Being of Children in Switzerland» die erste Schweizer Teilstudie durchzuführen. Diese konnte mit der Unterstützung der Fondation Botnar und des Amtes für Jugend und Berufsberatung des Kanton Zürich im Jahr 2019 realisiert und in einem National Report ausgewertet werden. 

An der Veranstaltung «Wie geht es Kindern in der Schweiz? Wohlbefinden, Lebensräume und Perspektiven» vom 3. November 2020 wurden die Resultate der Studie vorgestellt. Die Veranstaltung ist auf Video verfügbar.