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Diskriminierung

Sozipedia – Kolumne über Fachbegriffe auf Abwegen

von David Lätsch

Diskriminierung lässt sich unterscheiden in Diskriminierung A und Diskriminierung B. Diskriminierung A beruht auf negativen Vorurteilen gegenüber Gruppen, die durch nichts anderes bedingt sind als das Ressentiment der Diskriminierenden. Sprich: Wenn die Diskriminierenden Rassistinnen, Sexisten, Homophobe oder moralische Armleuchter anderer Sorte sind. Diskriminierung B beruht darauf, dass wir über ein Individuum Annahmen treffen, die darauf gründen, dass dieses Individuum zu einer Gruppe gehört, bei der wir zu Recht davon ausgehen, in dieser Gruppe kämen bestimmte Eigenschaften gehäuft vor.  

Klingt kompliziert. Ich gebe Ihnen ein Beispiel, das unbestritten sein dürfte: Junge Frauen können biologisch schwanger werden, junge Männer jedoch nicht. Präziser: Im Vergleich mit der Gruppe junger Männer kommen Schwangerschaften (bevor Sie mir an den Karren fahren: natürlich nur im biologischen Sinn!) in der Gruppe junger Frauen gehäuft vor. Wenn nun ein Auswahlgremium an einer Hochschule sich entschliesst, für die neue Doktorandenstelle lieber den jungen Mann zu nehmen, weil der nicht während der Promotion schwanger werden kann, dann ist das diskriminierend, nämlich Diskriminierung à la mode B.  

Diskriminierung A und B sind beide ein Problem. Vom Unterschied zwischen ihnen hängt ab, was zur Lösung taugen könnte. Wenn das Gremium die Bewerberin sensu B diskriminiert, wird es keine gute Idee sein, das Gremium in einen Sensibilisierungskurs zu schicken, in dem die Mitglieder des Gremiums ihren sexistischen Impulsen nachspüren sollen. Das Problem lässt sich auch nicht dadurch erledigen, dass man dem Gremium verbietet, Bewerberinnen ausdrücklich oder durch die Blume zu fragen, ob sie denn gedächten, in den kommenden drei Jahren die Welt um einen zauberhaften Säugling zu bereichern. Denn gerade hinter dem Schleier des Nichtwissens im Einzelfall, den man feinsinnig über moralisch delikate Angelegenheiten zu breiten weiss, gedeiht Diskriminierung nach der Façon B am besten. 

Diskriminierungsprobleme der Sorte B lassen sich dadurch lösen, dass man die Voraussetzungen, unter denen die Diskriminierung Vorteile und die Nicht-Diskriminierung Nachteile bringt, beseitigt. Leicht ist das selten. Aber immerhin: In unserem Beispiel könnte eine geteilte Elternzeit für Mütter und Väter helfen. Welche Ideen haben Sie?