Psychische Gesundheitskompetenz von Lehr- und Betreuungspersonen
MHL-T

Auf einen Blick
- Co-Projektleiter/in : Dr. Kurt Albermann, Prof. Dr. Julia Dratva, Dominik Robin
- Projektstatus : abgeschlossen
- Drittmittelgeber : Öffentliche Hand (ohne Bund)
- Projektpartner : Stadt Winterthur / Zentralschulpflege, Kantonsspital Winterthur KSW
- Kontaktperson : Dominik Robin
Beschreibung
Einleitung
Psychische Krankheiten im Kindes-
und Jugendalter sind in den letzten Jahrzehnten zu einem der
wichtigsten Themen der öffentlichen Gesundheit geworden. Für
Betroffene bedeuten sie erhebliche Belastungen in allen
Lebensbereichen. Die Studie untersucht die psychische
Gesundheitskompetenz, die Einstellungen, Erfahrungen, Kompetenzen
und das Wissen, von Lehr- und Betreuungspersonen in Bezug auf
psychische Belastungen, Störungen und Erkrankungen bei Schülerinnen
und Schülern (SuS). In der Schweiz gibt es bisher kaum Daten, um
bedarfsgerechte Angebote entwickeln zu können.
Methoden
In der Studie wurden im Schuljahr
2019/2020 alle in Winterthur tätigen Lehrpersonen sowie andere im
Klassenkontext tätige pädagogische Fachpersonen (N = 1514) der
obligatorischen Schulstufen online befragt. Die Teilnahmerate lag
bei 38% (564 Personen). Die Zusammensetzung der Lehrpersonen war
für die obligatorischen Schulstufen in Winterthur
repräsentativ.
Ergebnisse
Fast alle Befragten hatten in den
letzten 12 Monaten mindestens eine Schülerin oder einen Schüler mit
einer psychischen Belastung, Störung oder Erkrankung betreut oder
unterrichtet, durchschnittlich waren es 4.7. Die Analysen zeigten
Unterschiede nach Schulstufe und Schulfunktion. Ein Drittel der
Befragten (34%) schätzte sich im Umgang mit belasteten SuS als
erfahren oder sogar sehr erfahren ein, zwei Fünftel (42%) fühlten
sich teilweise sicher und ein Viertel (23%) wenig oder gar nicht
erfahren. Ältere Teilnehmende und solche, die in den letzten 12
Monaten mehr belastete SuS unterrichtet oder betreut haben,
schätzten sich als erfahrener ein.
Die Teilnehmenden nutzten am häufigsten persönliche Kontakte (98%),
Internetseiten (91%) und Printmedien (90%), um sich über psychische
Belastungen ihrer SuS zu informieren. Sie erkannten die Problematik
betroffener SuS aber nicht nur aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen
und Recherchen, sondern wurden auch oft von den Eltern (55%), von
Arbeitskolleg*Innen (43%) und pädagogisch-therapeutischen
Fachpersonen (35%) auf betroffene SuS angesprochen. Während sie in
den Primarstufen eher von den Eltern angesprochen wurden, fand die
Kommunikation auf den höheren Schulstufen öfters direkt mit den SuS
statt.
Während der Mehrheit der Befragten (71%) genügend geeignete Tools,
Lehrmittel und Angebote zum Thema soziales Lernen zur Verfügung
standen, sagte ein Drittel (32%), dass ihnen nicht genügend Tools,
Lehrmittel und Angebote zum Thema psychische Gesundheit zur
Verfügung standen. Den meisten Befragten fiel es daher schwer, das
Thema psychische Gesundheit in den Schulalltag zu integrieren. In
Bezug auf beide Themen wünschen sich die Teilnehmenden mehr
Weiterbildungen sowie Unterstützung oder Empfehlungen von externen
Fachpersonen.
Die Analyse der Gesundheitskompetenz zeigte, dass die Befragten
eine hohe subjektive Kompetenz äusserten, Informationen zu
psychischer Gesundheit von SuS zu finden und zu verstehen, es ihnen
jedoch schwerer fiel, zu beurteilen, ob die gefunden Informationen
auch korrekt sind.
Erstmals wurde in der Schweiz auch die psychische Gesundheits- und
Handlungskompetenz von Lehr- und Betreuungspersonen, anhand der
Einstellung, der Erfahrung und dem Wissen der Teilnehmenden in
Bezug auf die psychische Gesundheit der SuS untersucht. Konkret
wurden verschiedene Dimensionen zum Verhalten und zu
Handlungsoptionen für konkrete Situationen und beispielhafte
Kontexte mit psychisch belasteten SuS erfasst. Die meisten
Befragten verfügten allgemein über eine hohe psychische
Handlungskompetenz, zeigten aber punktuelle Wissenslücken
betreffend konkreten Störungsbildern (z. B. Suizidalität), abhängig
von der Schulstufe und dem Alter der Befragten.
Eine qualitative Auswertung zeigte, dass es aus der Perspektive der
Befragten nebst medizinischer und schulischer Unterstützung
notwendig wäre, die Gesundheitsressourcen der SuS zu stärken.
Fazit
Die Studienerkenntnisse legen nahe,
dass Schulprogramme im Bereich psychische Gesundheit nicht nur auf
struktureller, sondern auch auf individueller Kompetenzebene
ansetzen müssten.
Zusammen mit den Winterthurer Schulbehörden werden in einem
weiteren Schritt konkrete Handlungsempfehlungen formuliert.
Weiterführende Informationen
Publikationen
-
Robin, Dominik; Albermann, Kurt; Dratva, Julia,
2023.
Prävention und Gesundheitsförderung.
Verfügbar unter: https://doi.org/10.1007/s11553-022-01008-1
-
Dratva, Julia; Kerry-Krause, Matthew J.; Albermann, Kurt; Robin, Dominik,
2022.
Teachers’ mental health literacy and action competencies.
In:
15th European Public Health Conference, Berlin, Germany, 9-12 November 2022.
Oxford University Press.
S. ckac129.250.
Verfügbar unter: https://doi.org/10.1093/eurpub/ckac129.250
-
Robin, Dominik; Messerle, Natalie; Mehdiyeva, Ramila; Albermann, Kurt; Dratva, Julia,
2021.
Winterthur:
ZHAW Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft.
Verfügbar unter: https://doi.org/10.21256/zhaw-23295