Fachpersonenbefragungen ADHS
Perspektiven von HeilpädagogInnen, LehrerInnen und KinderärztInnen

Auf einen Blick
- Co-Projektleiter/in : Dr. Sandra Hotz, Dominik Robin, Prof. Dr. Frank Wieber, Dr. Michael von Rhein
- Projektvolumen : CHF 20'000
- Projektstatus : abgeschlossen
- Drittmittelgeber : Stiftung (Stiftung Mercator Schweiz)
- Projektpartner : Kantonsspital Winterthur KSW / Sozialpädiatrisches Zentrum SPZ, Universität Freiburg / Institut für Familienforschung und Familienberatung
- Kontaktperson : Dominik Robin
Beschreibung
Im Kontext des Forschungsprojekts "Kinder fördern" wurden zwei
online-Befragungen mit Fachpersonen zum Thema ADHS durchgeführt, um
ihre Perspektive mit einbeziehen zu können.
1) Befragung Lehrpersonen und HeilpädagogInnen
In dieser Teilbefragung wurden Lehrpersonen und HeilpädagogInnen
(n=223) in der Deutschschweiz zum Thema ADHS befragt. Fokussiert
wurden Fragen zu den Ursachen des Phänomens, zur Erkennung,
Diagnose und zum schulischen Umgang mit ADHS.
Neben Fragen mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten (quantitative
Auswertungen) standen insbesondere auch offene, qualitative Fragen
im Vordergrund.
Ergebnisse:
Um das Wohl des Kindes zu fördern, muss ADHS als ein mehrere
Faktoren berücksichtigendes Phänomen verstanden, diagnostiziert und
therapiert werden. Kompetente Abklärungen und die Zusammenarbeit
der Akteure sind wichtig. Die Daten lassen zudem auf einen
Paradigmawechsel schliessen, wonach zum herkömmlichen
«bio-medizinischen» Modell (Störung im Neurotransmitterhaushalt),
das alternative Modell einer «sozialen Konstruktion» vorgestellt
wird, das verstärkt auf die Umwelt der Kinder eingeht. Die
Ergebnisse zu dieser Teilstudie werden bis mitte 2019 publiziert
werden.
2) Befragung KinderärztInnen
Zum anderen wurden KinderärztInnen (n= 151) in allen drei Schweizer Sprachregionen zum Thema ADHS befragt. Der Schwerpunkt der Befragung lag auf der Erfassung der aktuellen Praxis und der Bedarfe zur Diagnose und Therapie von ADHS.
Ergebnisse:
Zur Praxis in der Diagnostik berichteten die ÄrztInnen, dass sie
für eine Diagnose durchschnittlich 3.1 Termine mit den Eltern und
LehrerInnen durchführen, wovon die Kinder bei 2.4 Terminen mit
einbezogen werden. Über 80% der KinderärztInnen verwenden Screening
Instrumente und ca. 50% nutzen spezifische Instrumente zur
Differentialdiagnostik. Als Herausforderung bei der Diagnose
werden die Subjektivität der Diagnose genannt und die damit
verbundene Herausforderung, von den Eltern, Lehrenden und Kindern
an aussagekräftige Informationen zu erhalten. Als ebenfalls
herausfordernd werden die bestehenden Vorurteile gegenüber ADHS auf
Seiten der Eltern, Lehrenden und der Öffentlichkeit
wahrgenommen.
Zur Praxis in der Therapie berichteten die ÄrztInnen, dass der
Leidensdruck der Kinder einen zentralen Faktor für die Therapie
darstellt. Sie klären ausführlich über die möglichen Therapieformen
auf, insbesondere über die als Standard empfohlene multimodale
Therapie, die pharmakologische und psychotherapeutische
Therapieansätze kombiniert. Aus den Angaben zur
Verschreibungspraxis der Therapien wird allerdings deutlich, dass
Medikationen mit durchschnittlich 8 Verschreibungen im Monat
doppelt so häufig verschrieben werden wie Psychotherapie, die wie
Ergotherapie, durchschnittlich 4-mal im gleichen Zeitraum
verschrieben wird. Als Herausforderung bei der Therapie werden
entsprechend eine geringe Verfügbarkeit von Therapieplätzen genannt
sowie fehlende Abrechnungsmöglichkeiten für die interprofessionelle
Zusammenarbeit, beispielsweise mit Lehrenden.
Die Ergebnisse aus beiden Fachpersonen-Befragungen sind in die
Handlungsempfehlungen eingeflossen, die als zentrale Publikation
aus dem "Kinder fördern" Projekt eine Hilfestellung zum Umgang mit
AD(H)S im Entscheidungsprozess für Betroffene und Fachpersonen
bieten. Die Handlungsempfehlungen stehen allen Interessierten
unentgeltlich zur Verfügung. Die Projektleitenden fungieren als
Ansprechpersonen.
Weiterführende Informationen
Publikationen
-
Robin, Dominik; Gemperle, Michael; von Rhein, Michael; Wieber, Frank; Hotz, Sandra; et al.,
2022.
The making of ADHD : a comparative content analysis of teachers’ and doctors’ worldviews.
Swiss Journal of Sociology.
48(2).
Verfügbar unter: https://doi.org/10.2478/sjs-2022-0014