Innovative Modelle für die Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung
Auf einen Blick
- Projektleiter/in : Ursula Meidert
- Projektteam : Thomas Michael Ballmer
- Projektstatus : abgeschlossen
- Drittmittelgeber : Bund (Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI), Interne Förderung
- Kontaktperson : Thomas Michael Ballmer
Beschreibung
Ausgangslage
Eine stetig alternde
Gesellschaft, die Zunahme an chronischen Krankheiten sowie der
wachsende Fachkräftemangel im Schweizer Gesundheitswesen fordern
ein Umdenken. Neue Formen der Gesundheitsversorgung müssen
entwickelt werden, um diese Herausforderungen bewältigen zu können.
Dabei sollen gleichzeitig keine Versorgungslücken entstehen oder
Abstriche in der Qualität gemacht werden müssen. Diese Ausgangslage
trifft besonders auf die ambulante Versorgung älterer Menschen zu,
da diese aufgrund chronischer Erkrankungen und Multimorbidität
häufig von mehreren Leistungserbringern gleichzeitig behandelt
werden.
Zielsetzung
Ziel des Projekts war es, neue
Modelle der Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung aufzuzeigen
sowie deren Akzeptanz und Umsetzbarkeit bei verschiedenen
Stakeholdern abzuklären und daraus Empfehlungen für deren Umsetzung
abzugeben.
Methode und Vorgehen
In einem ersten Schritt
wurde die Region Baden als Beispiel-Region ausgewählt. In
Gruppeninterviews mit den untenstehenden Zielgruppen wurde eine
Ist-Analyse zu Bedürfnissen und Lücken in der ambulanten Versorgung
älterer Menschen sowie der darin involvierten Berufe und
Organisationen erhoben. Dabei wurden auch die Rahmen- und
Arbeitsbedingungen thematisiert sowie die Voraussetzungen und
Erwünschtheit für neue Versorgungsmodelle ermittelt:
- Personen ab 65 Jahren, welche ambulante Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch nehmen
- Ambulante Ergo- und Physiotherapeutinnen und -Therapeuten
- Häusärztinnen und -ärzte sowie Geriaterinnen und Geriater
- Mitarbeitende von Spitex und Entlastungsdiensten
- Vertretende vom Sozialdienst, Pro Senectute, SRK sowie weiteren ehrenamtlichen Anbietern von Unterstützung
Die Interviews wurden transkribiert und mittels qualitativer
Inhaltsanalyse ausgewertet.
In einem nächsten Schritt wurden Expertinnen und Experteninterviews
von bereits existierenden ambulanten Versorgungsmodellen im
Schweizer Kontext befragt. Von Interesse war die Kernfrage, wie
eine Etablierung neuer Versorgungsstrukturen regional gelingen
kann. Darauf aufbauend wurden mögliche Modelle entwickelt. und
Empfehlungen formuliert.
In einem letzten Schritt wurden die Modelle und Empfehlungen
den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Gruppeninterviews zur
Validierung und Ergänzung vorgelegt.
Resultate
Die ambulante Versorgung in der
Region Baden wurde von allen Befragten als gut eingestuft, obwohl
in der aufsuchenden Therapie Lücken bestehen. Die Zusammenarbeit in
der ambulanten Versorgung gestaltet sich oft komplex und vollzieht
sich eher unsystematisch und unkoordiniert. Zudem fehlen gemeinsam
definierte Therapieziele, was derzeit zu Lücken und
Doppelspurigkeiten in der Versorgung führen kann. Die Koordination
der Leistungen und Kommunikation darüber obliegt den Klientinnen
und Klienten oder deren Angehörigen, welche oft damit überfordert
sind. Zudem gehen die gesundheitlichen Belastungen bei vielen
Klientinnen und Klienten mit sozialen Problemstellungen einher,
wodurch eine adäquate Versorgung zusätzlich herausfordernd wird.
Auch haben sowohl die Klientinnen und Klienten als auch die
Gesundheitsfachpersonen oft einen ungenügenden Überblick über
bestehende Dienstleistungen und Angebote zu Entlastung.
Bezüglich der erforderlichen Rahmenbedingungen ist die Vergütung
von Koordinationsaufgaben für alle Gesundheits- und Sozialberufe
wichtig. Diese ist derzeit in vielen Fällen nicht gewährleistet.
Eine Vergütung solcher Aufgaben ist insbesondere bei komplexen
Fällen von grosser Bedeutung für die Versorgungsqualität.
Regelmässige Vernetzungstreffen zwischen Orgnaisationen des
Gesundheits- und Sozialwesens sind in den Augen der Befragten eine
gute Möglichkeit, das Angebot weiter kennen zu lernen und
persönliche Kontakte zu knüpfen, welche die Zusammenarbeit
erleichtern können. Als weiteres derzeitiges Defizit wurde das
Fehlen an geeigneten Tools für geregelte Kommunikationsflüsse in
Bezug zur Behandlung genannt. Die Hoffnung ist daher gross, dass
das elektronische Patientendossier in dieser Hinsicht eine Lücke
schliessen könnte.
Bezüglich innovativer Modelle in der ambulanten Versorgung lässt
sich feststellen, dass von allen Beteiligten ein Bedarf an
Veränderung wahrgenommen wird und dass besonders Modelle mit
multi¬pro¬fessionellen Gesundheitszentren und/oder
multiprofessionellen Spitex-Teams als vielversprechend und
wünschenswert angesehen werden. Dies, weil die räumliche Nähe die
Koordination und Kommunikation stark vereinfache. Die beiden
Modelle sind daher besonders wegen der antizipierten verbesserten
Koordination als wünschen¬swert eingestuft worden. Für beide dieser
Modelle gibt es im Schweizer Gesundheitssystem bereits Vor-bilder
bsp. Centres médico-sociaux, Hom’Care). Diese scheinen daher
besonders geeignet dafür zu sein, sich in der Schweiz zu
verbreiten. Kaum bekannt sind dagegen Modelle, welche
Dienstleistungen des Sozialwesens integrieren, obwohl diese einem
Bedarf nachkommen würden. Dies, weil die Befragungen gezeigt haben,
dass neben gesundheitlichen Problemen oft auch soziale
Herausforderungen (Wohn- und Lebenssituation, finanzielle
Schwierigkeiten) anzutreffen sind, insbesondere bei älteren
Klientinnen und Klienten. Dies stellt Gesundheitsfachpersonen
regelmässig vor komplexe und schwierige Situationen, denen sie
nicht angemessen begegnen können.
Aufgrund dieser Resultate können folgende Empfehlungen gemacht
werden:
- Es sollten regelmässige, professionell begleitete lokale/regionale Treffen für Fachpersonen und Organisationen aus dem Gesundheits- und Sozialwesen lanciert und durchgeführt werden mit dem Ziel, sich gegenseitig zu vernetzen.
- Neben der gegenseitigen Vernetzung sollen diese Treffen das explizite Ziel haben, einen Rahmen zu bieten, um gemeinsam neue Formen der interprofessionellen Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung zu entwickeln.
- Der politische Rückhalt für eine bessere Vernetzung zwischen den Organisationen aus Gesundheits- und Sozialwesen soll gestärkt werden, durch deren Aufnahme in Altersleitbilder, ideelle und finanzielle Unterstützung.
- Interprofessionelle Koordinationsleistungen sollen als Grundleistung gewürdigt und professionsunabhängig vergütet werden.
- Technische Hilfsmittel zur Kommunikation und Koordination im ambulanten Bereich sollen weiterentwickelt, evaluiert und implementiert werden.
- Pilotprojekte zu innovativen Modellen der interprofessionellen Zusammenarbeit sollen lanciert werden sowie bestehende Modelle bezüglich Kostenwirksamkeit, Patientenzufriedenheit und Berufszufriedenheit der Fachpersonen evaluiert werden.
Weitere Informationen
Diese Studie bildet
zusammen mit fünf weiteren Teilprojekten das Forschungsprojekt
«Fachkräftemangel erforschen: Berufskarrieren und
Berufsverweildauer Gesundheitsberufe» des ZHAW Departements
Gesundheit. Darin werden die Datengrundlage zum Fachkräftemangel
verbessert und Massnahmen für den längeren Verbleib in den
Gesundheitsberufen entwickelt. Das Projekt ist Teil einer
Kooperation der Hochschulen Gesundheit in der Schweiz zur
Entwicklung eines Kompetenzzentrums für den Fachkräftemangel in den
Gesundheitsberufen (CNHW).
Weiterführende Informationen
- Innovative Modelle für die Zusammenarbeit in der ambulanten Versorgung
- Fachkräftemangel Gesundheitsberufe
Publikationen
-
Ballmer, Thomas Michael; Meidert, Ursula,
2021.
In:
2nd International CNHW Conference – «Effective measures to keep our treasures – How to care for health professionals», online, 29-30 April 2021.
-
Ballmer, Thomas Michael; Meidert, Ursula,
2021.
In:
Symposium für Gesundheitsberufe "Der alternde Mensch- multiprofessionelle und innovative Ansätze in der Gesundheitsversorgung", Bern, 12. März 2021.
ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Verfügbar unter: https://doi.org/10.21256/zhaw-22115
-
Meidert, Ursula; Ballmer, Thomas Michael; Golz, Christoph; Hahn, Sabine,
2021.
Identification and evaluation of new organizational structures and support
.
In:
Synthesis CNHW.
Bern:
Competence Network Health Workforce.
S. 43-51.
Verfügbar unter: https://www.cnhw.ch/fileadmin/user_upload/CNHW_Synthesis.pdf
-
Ballmer, Thomas Michael; Meidert, Ursula,
2019.
Innovative Modelle der ambulanten Versorgung : Perspektiven verschiedener Akteure.
In:
Dreiländerkongress Gesundheits- und Medizinsoziologie 2019, Winterthur, 27.-28. August 2019.
-
Meidert, Ursula; Kollmar, Anja; Becker, Heidrun Karin,
2018.
In:
World Congress of Occupational Therapy (WFOT), Cape Town, South Africa, 21-25 May 2018.
World Federation of Occupational Therapists.