Robotik und autonome Geräte in Betreuung und Gesundheitsversorgung
Auf einen Blick
- Projektleiter/in : Prof. Dr. Heidrun Becker
- Stellv. Projektleiter/in : Mandy Scheermesser
- Projektteam : Prof. Dr. Holger Auerbach, Michael Früh, Richard Alexander Hüppi, Flurina Meier, Dr. Yvonne Treusch, Prof. Dr. Hans Wernher van de Venn
- Projektstatus : abgeschlossen
- Drittmittelgeber : Stiftung (Stiftung für Technologiefolgen-Abschätzung TA-SWISS)
- Kontaktperson : Verena Klamroth-Marganska
Beschreibung
Hintergrund:
Die demografische Entwicklung, Fachkräftemangel und der steigende
ökonomische Druck auf das Gesundheitswesen führen dazu, dass bei
der Betreuung und Versorgung von Menschen zunehmend technische
Lösungen in Betracht gezogen werden. Bislang stehen Roboter
überwiegend in der Phase einer hauptsächlich technikgetriebenen
Entwicklung und Erprobung. Eine Beurteilung von Chancen und Risiken
hingegen steht noch aus.
Ziel:
Die vorliegende Studie erhebt den Ist-Stand und Makrotrends zu
Robotik in Betreuung und Gesundheitsversorgung. Sie ermittelt
Chancen und Risiken im Hinblick auf einen technisch machbaren,
wirtschaftlich realisierbaren und ethisch wünschenswerten Einsatz
von Robotik im Gesundheitswesen und formuliert auf dieser Grundlage
Empfehlungen für Politiker und andere Entscheidungsträger.
Methodisches Vorgehen:
Um den Ist-Stand und die Trendentwicklung zu erfassen, stützt sich
die TASWISS-Studie auf eine umfassende Literaturanalyse zu
aktuellen Entwicklungen, Prototypen und deren Einsatz in der
Praxis. Dieser Analyse liegt die systematische Durchsuchung
diverser Datenbanken sowie eine ergänzende Freihandsuche zugrunde.
Anhand dieses Literaturfundus wurden der Ist-Stand ausgewertet,
eine Umweltanalyse mittels des PESTEL-Verfahrens vorgenommen und
Makrotrends ermittelt. Eine Akteursbefragung mittels Fokusgruppen
erlaubte es zudem, eine Bedarfsanalyse zu erheben und anhand von
deren Resultaten sieben Schlüsselfaktoren herauszuarbeiten und zehn
Thesen zu formulieren, welche Experten aus den Bereichen Politik,
Wirtschaft, Gesellschaft, Ethik, Technik und Recht im Rahmen eines
Workshops anschliessend eingehend diskutierten. Gestützt auf die
Erkenntnisse aus Literaturanalyse und Akteursbefragung legt die
TA-SWISS-Studie drei Szenarien zu möglichen zukünftigen
Entwicklungen des Einsatzes von Robotik in Betreuung und
Gesundheitsversorgung vor. Diese Szenarien erlauben es, Chancen und
Risiken zu verdeutlichen, Handlungsbedarf und -optionen für
Politik, Forschung und Gesundheitswesen aufzuzeigen und
schliesslich konkrete Empfehlungen für die verschiedenen
Entscheidungsträger zu formulieren.
Ergebnisse:
Das Gebiet der Robotik zeichnet sich durch die Vielfalt und
verschiedene Komplexität der Geräte aus. Die meisten
identifizierten Gerätetypen lassen sich nach ihrer Funktion in drei
Gruppen einteilen:
1. Trainingsgeräte und Hilfsmittel zur Bewegungsausführung,
Mobilität und Selbständigkeit,
2. Geräte, die den Menschen ergänzen, entlasten oder seine
physische Anwesenheit ersetzen können sowie
3. Geräte, die den Menschen begleiten und mit ihm interagieren. Die
Geräte befinden sich überwiegend in der Entwicklung und Erprobung
und stehen nur zum Teil bereits regelmässig im Einsatz.
Innovation im Bereich der Technik ist ein wesentlicher Treiber für
neue Anwendungen im Gesundheitswesen. Bei der Einführung von
Robotik spielen aber nicht nur die technische Machbarkeit und die
ökonomische Effizienz eine Rolle. Wichtig ist insbesondere auch die
Akzeptanz vonseiten der verschiedenen Akteure, die nicht zuletzt
durch deren kulturellen Hintergrund, rechtliche und ethische
Aspekte sowie soziale, psychologische und individuelle Faktoren
beeinflusst wird. Zu den Chancen des Einsatzes von Robotik im
Gesundheitswesen gehört die Entlastung professioneller, aber auch
nichtprofessioneller Nutzer, wie zum Beispiel pflegender
Angehöriger. Für Patienten und deren Familien können technische
Innovationen einen Gewinn an Autonomie und Mobilität darstellen und
zu einer verbesserten Integration und Lebensqualität beitragen. Auf
institutioneller Ebene bietet Robotik ein
Rationalisierungspotenzial im Bereich organisatorischer und
logistischer Prozesse. Gesamthaft gesehen dürfte sich, bei einer
gleichzeitigen Entlastung der Pflegefachkräfte und Linderung des
Fachkräftemangels, die Qualität der Versorgung von Patienten und
pflegebedürftigen Personen verbessern lassen. Zu den Risiken zählt,
dass durch den Einsatz von Robotern die direkten Kontakte zwischen
den Patienten und dem Gesundheitspersonal abnehmen. Das könnte sich
negativ auf das Wohlbefinden und den Genesungsprozess der Patienten
auswirken oder sogar zu deren Vereinsamung führen. Gleichzeitig
würden auch die Pflege- und andere Gesundheitsberufe zunehmend
unattraktiver, was den Fachkräftemangel zusätzlich verstärken
könnte. Ein weiteres Risiko besteht bei besonders vulnerablen
Personen, welche selbst kein Einverständnis zum Einsatz von
Robotern geben können. Heikel erscheint auch das
Missbrauchspotenzial der von den Geräten gesammelten Daten.
Ungeklärt ist weiter, wer bei Schäden haftet, welche (semi-)autonom
agierende Roboter verursachen. Auf institutioneller Ebene ist zu
befürchten, dass der wirtschaftliche Druck zum bevorzugten Einsatz
von Geräten führen könnte, die ökonomisch zwar vorteilhaft sind,
aber für die Betroffenen Nachteile wie z.B. Kontaktverlust bringen
und möglicherweise zu Arbeitsplätzeabbau führen könnten. Da es kaum
Kosten-Nutzen-Analysen für Roboter im Gesundheitswesen gibt,
besteht schliesslich das Risiko, dass ihr Einsatz zu einer
Kostensteigerung führen könnte.
Schlussfolgerungen:
Unzureichende Regelungen, z.B. im Haftungsrecht, im Datenschutz und
in der Ethik, führen bereits jetzt zu Risiken für Menschen, die mit
der Forschung, Erprobung und Anwendung von solchen Geräten zu tun
haben. Ein abwartendes und reaktives Vorgehen der Politik würde
diese Risiken in Kauf nehmen. Massnahmen, z.B. die Klärung des
Haftungsrechts und des Datenschutzes, sind deshalb bereits heute
notwendig und können nicht in unbestimmte Zukunft verschoben
werden. Eine proaktive und steuernde Politik scheint am besten
geeignet, Risiken von Robotik in Betreuung und
Gesundheitsversorgung zu mindern und gleichzeitig deren Chancen zu
nutzen.
Weiterführende Informationen
Publikationen
-
2017.
In:
Seismograph «Die Welt von morgen - Prognosen. Utopien. Science Fiction», Basel, 1. April 2017.
-
Becker, Heidrun Karin; Ziegler, Rita,
2013.
Robotertechnik : Chance oder Risiko für die Gesundheitsversorgung?.
Impulse für Gesundheitsförderung.
79(2),
S.18.
-
2013.
Robotics and autonomous devices in health care : a technology assessment study.
In:
PACITA 2013 Conference, Prague, Czech Republic, 13-15 March 2013.
Technology Centre ASCR.