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Er wacht über die Qualität der Zahlen

ZHAW-Absolvent Benjamin Muff leitet das Projekt- und Qualitätsmanagement des Sozialdienstes am Universitätsspital Zürich. Dabei kann er tun, was er besonders gern tut: kommunizieren, organisieren, dokumentieren.

«Ich kann auch einmal einem Chefarzt widersprechen»: Benjamin Muff im Universitätsspital Zürich. (Fotos: Noëlle Guidon)

von Regula Freuler

In den Nachbarbüros wuchern Topfpflanzen und prangen private Bildergalerien. In einem hängt sogar noch die Lämpchengirlande von Weihnachten. Ganz anders bei Benjamin Muff. Auf dem Tisch, am Whiteboard, auf dem Fenstersims: Jede Fläche ist nur mit dem Allernötigsten belegt. Computerbildschirm und Tastatur hier, ein A4-Ausdruck der Spitalabteilungen dort. Funktionalität scheint oberste Priorität zu haben.

Der 35-Jährige sieht sich erstaunt um, als man die spartanische Ausstattung erwähnt, und schmunzelt: «Ich war schon immer ein aufgeräumter Mensch.» Wer einen Job hat wie er, muss wohl genau so strukturiert sein wie dieser Arbeitsplatz. Zeitgleich mit dem Abschluss seines Masterstudiums an der ZHAW im Sommer 2021 stieg Muff vom Teammitglied zum Leiter des Qualitäts- und Projektmanagements im Sozialdienst des Universitätsspitals Zürich, eines Betriebs mit 43 Kliniken und 8600 Mitarbeitenden, auf.

Überblick bewahren

Zum Sozialdienst, bei dem Muff bereits seit 2019 angestellt ist, gehören – neben der Gesamtleitung – 20 Sozialarbeiter:innen am Standort Zürich, rund zehn Fallbearbeiter:innen und Berater:innen im RehaCenter in Stettbach sowie die Verantwortliche des Freiwilligendienstes, die wiederum Einsätze von 250 Mitarbeitenden koordiniert. Wer hier nicht gut sortiert ist, kann leicht die Übersicht verlieren.

Während des Gesprächs öffnet Muff am Computer mehrere Dokumente mit Statistiken. Das Auftragsvolumen des Sozialdienstes ist beträchtlich: Im vergangenen Jahr waren es 8500 Fälle. Dazu gehören persönliche Beratungen bei Krankheit, Unfall oder Pflegebedürftigkeit, um den Unterstützungsbedarf zu klären und eine passende Versorgungsform zu finden. Dazu kommen die rein administrativen Reha-Fälle, also ohne Patient:innenkontakt.

Komplexe Fälle abklären

Die zeitliche Bandbreite ist ebenfalls gross. Eine einfache IV-Abklärung dauert in der Regel rund 30 Minuten, ein Austritt in eine Pflegeeinrichtung, etwa für einen älteren Menschen, beansprucht im Durchschnitt sechs bis acht Stunden. Und dann gibt es Ausnahmen wie jene Zwillingsgeburt bei einer suchtmittelerkrankten Frau, welche 60 Stunden beanspruchte.

«Bei über 40 Prozent haben wir es mit komplexen Fällen zu tun», sagt Muff, scrollt durch noch mehr Zahlen und zeigt ein Formular, das für die Leistungserfassung verwendet wird. Um als «komplex» qualifiziert zu werden, müssen mehrere Indikatoren erfüllt sein, beispielsweise Fremdsprachigkeit, Demenz oder kognitive Einschränkungen. Dies abzuklären, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der Sozialberatung und erfolgt auf der Basis der Daten, die aus den Kliniken elektronisch übermittelt werden.

Nähe zum Team pflegen

Jeden Morgen werden die neuen Fälle im Team verteilt. Obwohl er nur noch ausnahmsweise direkt mit Patient:innen arbeitet, ist der ZHAW-Absolvent bei diesen Meetings immer dabei. Die Nähe zum Team sei ihm wichtig. Sein Büro teilt er auch nach dem Wechsel ins Qualitäts- und Projektmanagement weiterhin mit einer Kollegin, welche externe Telefonanrufe entgegennimmt. Es klingelt denn auch an diesem Sommervormittag immer wieder, doch das scheint Muff nicht im Geringsten abzulenken.

Zur Beratungstätigkeit zog es Muff, der nach seiner KV-Lehre durch einen Zivildiensteinsatz zur Sozialen Arbeit fand, schon während des Studiums. Und zwar bei der Schuldenberatung des Kantons Zürich. Dort absolvierte er sein zweites Praktikum und entdeckte dabei, was ihn beruflich besonders reizt: die Verbindung von juristischen und institutionellen Wissensbereichen wie Sozialrecht und Versicherungen einerseits mit der praktischen Vernetzungsarbeit andererseits. Oder, wie er seine Tätigkeit zusammenfasst: kommunizieren, organisieren, dokumentieren.

Kittel mit Vor- und Nachteilen

Hinter ihm hängt ein weisser Arztkittel am Schrank. Diesen muss er tragen, wenn er Patient:innen besucht. Mit dem Kleidungsstück ist bis heute ein Nimbus und damit eine Distanzierung von den Adressat:innen verbunden. Dennoch sieht Benjamin Muff auch einen Vorteil darin: «Der Sozialdienst geht gerne einmal vergessen im medizinischen Alltag. Der Kittel wiederum drückt eine Zugehörigkeit zum Unternehmen aus.»

Dennoch möchte er die Freiheiten nicht missen, die es mit sich bringt, an keine der Kliniken angeschlossen zu sein. «Ich kann einem Chefarzt widersprechen, weil ich nicht direkt ins hierarchische Gefüge eingebunden bin», sagt Muff und erzählt vom Fall eines Obdachlosen. Der Arzt wollte diesen nach beendigter Behandlung in eine stationäre Einrichtung überweisen. «Unsere Sozialanamnese jedoch zeigte, dass der Mann seit Jahren draussen lebte und eine Unterbringung einen negativen Eingriff in sein Leben bedeutet hätte», sagt Benjamin Muff. Das viele Dokumentieren, Zahlenschaufeln und detailgenaue Abklären möge manchmal aufwendig sein, räumt selbst er ein. «Aber gerade in Fällen wie diesem zeigt sich, wie wichtig es ist.»