Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

«Ich hatte viele wichtige AHA-Momente für meine fachliche und persönliche Entwicklung»

Mit dem Psychologie-Studium an der ZHAW erfüllte sich Erika Eichenberger den Wunsch, noch einmal etwas Neues auf die Beine zu stellen. Der Weg war lang, doch die 59-Jährige bereut keinen Moment davon, denn sie hat als Psychologin in den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten in Uznach ihre Berufung gefunden.

Im Büro von Erika Eichenberger in den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten St. Gallen (KJPD) in Uznach hängt ein grosser Setzkasten mit vielen Schleich-Tierchen. Die kleinen Tiere – von den meisten ist eine ganze Familie vorhanden – setzt die Psychologin unter anderem ein bei Testungen ihrer jungen Patient:innen.

Die Arbeit an den KJPD ist genau das, was Erika Eichenberger während ihres Bachelor- und Masterstudiums Psychologie an der ZHAW angestrebt und worauf sie lange hingearbeitet hat. «Junge Menschen zu begleiteten, wenn es ihnen nicht gut geht, sie zu unterstützen und Lösungen zu finden, damit sie im Leben weiterkommen, ist sehr erfüllend. Wir haben es hier mit einem sehr breiten Spektrum an psychischen Erkrankungen in allen Ausprägungsgraden und in jeder Altersklasse zu tun.» Erika Eichenberger ist Psychologin in Ausbildung zur Psychotherapeutin. Die Anstellung an den KJPD gehört zu ihrer Weiterbildung Richtung Kognitive Verhaltenstherapeutin mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche an der Universität Zürich. Erika Eichenbergers Arbeit ist im Aufbau. «Bald werde ich fünf bis sechs Therapiesitzungen pro Tag haben. Ich betreue Kinder von sechs bis 18 Jahre. Die Eltern, aber auch die Geschwister sind systemisch gesehen für das Verständnis der Problematik sehr wichtig. Deshalb finden ausser Einzelterminen auch Elterngespräche oder Familientermine statt.» Oft beginnt der Weg für die jungen Patient:innen mit verschiedenen Testungen. «Viele der Methoden, die hier eingesetzt werden, haben wir an der ZHAW gelernt. Damals war mir noch nicht klar, dass ich sie regelmässig für die Abklärungen werde nutzen können.»

Dass Erika Eichenberger das Psychologie-Studium an der ZHAW absolviert hat, war eher dem Zufall geschuldet. Die Mutter von drei Kindern und selbständige Filmproduzentin wollte noch einmal etwas Neues starten, nachdem sie viel Zeit in ihre Familie und den Beruf investiert hat. Sie dachte dabei an Kurse am Jung-Institut, schaute sich aber auch anderweitig um. Am Infoabend der ZHAW überzeugte sie das Konzept des Bachelor-Studiums in Teilzeit. «Mein Bachelor dauerte viereinhalb Jahre, im Anschluss kamen zwei Jahre Master-Studium in Vollzeit. Danach wollte ich unbedingt die Weiterbildung zur Psychotherapeutin machen, was nochmals mindestens vier Jahre dauert. Hätte ich damals gewusst, dass die Ausbildung im Minimum neun Jahre dauern wird – ich weiss nicht, ob ich es gemacht hätte», meint die heute 59-Jährige augenzwinkernd. Zum Glück, fügt sie an, habe sie keine Ahnung gehabt. Es sei schon grenzwertig lange, aber es habe so viel Spass gemacht, dass sie keine Minute davon bereue.

Ein Zufallsentscheid mit Folgen

«Ich hatte viele Einsichten und AHA-Momente während des Studiums», erinnert sie sich. Einer ist ihr besonders in Erinnerung und prägte den weiteren Verlauf des Studiums wie auch ihre berufliche Zukunft: «In der ersten Vorlesung über Psychopathologie des Kindes von Ralph Wettach hat es mich gepackt und ich wusste sofort, in diese Richtung will ich gehen.» Gleich in der 10-Uhr-Pause suchte sie den Austausch mit dem Dozenten und hat aufgrund seiner Empfehlungen ihren weiteren Studienweg auf die Richtung Kinder- und Jugendpsychologie ausgelegt. «Im weiteren Verlauf des Studiums wurde mir immer klarer, dass mich diese Thematik schon mein ganzes Leben interessiert und begleitet hat. Ich komme aus einer Grossfamilie, habe sechs Geschwister und bin selbst Mutter von drei Kindern. Auch für meine Nichten und Neffen war ich stets eine Anlaufstelle, wo sie während schwierigen Zeiten für ein paar Monate unterkommen konnten und den Weg zurück in ihr Leben gefunden haben.»

Die beste Klasse überhaupt

«Diese Momente der Einsicht haben mich das ganze Studium über begleitet. Für meine aktuelle Tätigkeit kann ich aber auch auf viel Fachwissen aus dem Studium zurückgreifen», so Eichenberger. «Wir haben nicht nur die Menschenbilder und die Haltung der verschiedenen psychologischen Richtungen sehr gut vermittelt bekommen. Gerade das Wissen in den Bereiche Psychopathologie, Schulpsychologie, Elternberatung oder den verschiedenen Störungsbildern wie Anorexie, Depression oder ADHS kommen mir sehr zugute.» Aber auch eher ‘trockene’ Fächer wie Statistik helfen ihr heute im Arbeitsalltag. «Ich habe gelernt, Studien zu verstehen, sie lesen zu können. Das bedeutet, dass ich mich jederzeit in ein neues Gebiet sicher und substanziell einlesen kann – danke dafür, Herr Hackenfort!». Für Erika Eichenberger waren die Jahre an der ZHAW nicht nur eine Reise zu Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung, die dazu führten, dass sie sich heute als authentischere und wirksamere Person und Psychologin wahrnimmt. «Die ZHAW war für mich wie ein eigener Kosmos. Von den Dozent:innen über die Leitung bis hin zu den Sekretariatsmitarbeitende waren alle Vorbilder für mich. Man begegnete sich immer mit Menschlichkeit und Wohlwollen – so wollte ich auch unterwegs sein.» Ihre Lerngruppe, mit der sie bis heute in Verbindung steht, sowie die ‘wohl beste Klasse der Geschichte des ZHAW Psychologie-Studiums’ (O-Ton Erika Eichenberger) taten ihr Übriges. «Auch wenn es ein langer Weg war und er für mich noch nicht ganz zu Ende ist – die ZHAW hat mich wachsen lassen und mir geholfen, meine Berufung zu finden. Für mich hat sich das Ganze sehr gelohnt.»

Text: Sibylle Ambs
Fotos: Markus Lamprecht