Als ob Nähe böse wär
René Haubensak als Inspiration für unsere Städte
Masterthesis Joshua Meier
Frühlingssemester 2023
Dozierende: Regula Iseli und Urs Primas
Koreferent: Rainer Klostermann
Gastkritiker: Stefan Kurath
Vorwort der Dozierenden
Welche Rolle spielen die Ideen von René Haubensak heute noch, oder heute wieder? Diese einfache Frage steht am Anfang einer ergebnisreichen Erkundung zu Öffentlichkeit und Gemeinschaft, zur Wahrnehmung und Aneignung von Räumen und zum Verhältnis zwischen städtischen Regeln und individueller Vielfalt. Die Arbeiten des 2018 verstorbenen Architekten zeugen von der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung der sechziger und siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts, in die sich Haubensak immer wieder mit engagierten Stellungnahmen und Projekten eingemischt hatte. Joshua Meyer ordnet diese Gedankenwelt entlang von Leitmotiven: Zwischenräume, Dichte und Nähe, Natur in der Stadt, Vorgefundenes weiterbauen, Lebenswelten überlagern. Seine Heimatstadt Wil ist geprägt von inneren Randzonen, und in einer von ihnen findet er den passenden Bauplatz, um die Aktualität dieser Themen zu erproben. Dabei nimmt das Projekt eine überraschende Wendung. Während Vielfalt in Haubensaks eigenen Siedlungen im Zuge der architektonischen Differenzierung eines einheitlichen Gesamtentwurfs entstand, schlägt Joshua Meyer ein Regelwerk vor, das die sukzessive Entwicklung durch unterschiedliche Akteure steuern kann. Folgerichtig wird die Figuration der Zwischenräume zum tragenden Anliegen: Heutige Rückseiten werden zu Adressen entlang einer spannungsvollen und dicht bespielten Folge von Gassen und Plätzen, und bestehende Bauten integrieren sich scheinbar mühelos in das neue Quartier. Über die Aktualisierung der Anliegen Haubensaks hinaus rührt die Arbeit damit auch an hochaktuelle Fragen der Innenentwicklung: welche Planungsprozesse, welche Korngrössen und welche Akteurskonstellationen eignen sich für Entwicklungen im Bestand? So lässt sich der ein unveröffentlichtes Buch von Haubensak zitierende Titel als Aufruf lesen: statt bloss über Dichte zu sprechen sollten wir uns zukünftig wieder vermehrt dem gesellschaftlichen und räumlichen Thema der Nähe widmen.