Zurück zu den Wurzeln
wie Tiranas Hinterhöfe wiederbelebt werden
Masterthesis Eva Gröbly
Frühlingssemester 2023
Dozierende: Regula Iseli und Urs Primas
Koreferent: Rainer Klostermann
Gastkritiker: Stefan Kurath
Vorwort der Dozierenden
Tirana ist eine erstaunliche Stadt. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die osmanisch geprägte Kleinstadt unvermittelt zur Hauptstadt. Monumentale Gesten prägten in der Folge dem öffentlichen Raum eine neue Ordnung auf - zunächst unter italienischem Einfluss, nach dem Zweiten Weltkrieg unter kommunistischer Diktatur. Nach dem Zusammenbruch des Regimes wurden die ausgedehnten Freiräume zum Spielfeld aufblühender Privatinitiativen. Läden, Restaurants und zahllose Kleinbetriebe eroberten die Strassen und die zahlreichen Zuwanderer errichteten zwischen den früher grün umspülten Wohnblocks ihre kleinen Häuser. Viel später als anderswo eroberte auch das Auto den Stadtraum. Heute ist Tirana laut, umtriebig und höchst lebendig. Der früher im Überschuss vorhandene, öffentliche Aufenthaltsraum ist allerdings Mangelware geworden und die mit Kleinbauten und Parkplätzen vollgestellten Wohnviertel leiden unter der Hitze. Dieser Stadt, in der sie viele Jahre gelebt hat, widmet Eva Gröbly ihre Arbeit. Hinter den Schauseiten, die in letzter Zeit mit farbigen Fassaden und markanten Hochhausgruppen im Fokus der offiziellen Planung standen, entdeckt sie ein noch kaum angezapftes Potenzial: die allgegenwärtigen Hinterhöfe, die sich zum grossen Teil in öffentlichem Besitz befinden. Würden hier Verkehrsführung und Parkieren neu geordnet, so könnte mit einfachen und kostengünstigen Massnahmen enormer Mehrwert entstehen: baumbestandene Treffpunkte und Pflanzgärten, bewachsene Fassadengerüste, welche zugleich die prekäre Haustechnik der Nachkriegsbauten stabilisieren und ein geschicktes System zur Speicherung und Verteilung des in Schüben anfallenden Regenwassers. Allerdings wäre es zu kurz gegriffen, die Arbeit allein als geschickt zusammengestellten Baukasten baulicher Interventionen zu lesen. Eva Gröbly schlägt auch ein selbstorganisiertes Planungs- und Realisierungsmodell vor, welches an robuste, lokale Traditionen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe anknüpft. Es ist daher zu wünschen, dass diese zukunftsweisenden Gedanken ausgehend von dem hier gezeigten Modellvorhaben auch in vielen anderen Höfen Tiranas Fuss fassen werden.