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Cleveres Absorptionsverfahren für Kräutertrocknung

Forscherinnen und Forscher des Instituts für Energiesysteme und Fluid Engineering (IEFE) der ZHAW haben auf Basis des Absorptionsprinzips ein neuartiges Trocknungsverfahren für Lebensmittel entwickelt. Bisher wurden Kräuter, Tee und Gewürze mit herkömmlichen Kondensationstrocknern haltbar gemacht, was energieintensiv ist und erhebliche Mengen Strom benötigt. Das von der ZHAW entwickelte Absorptionsverfahren ist eine nachhaltige Alternative, die 75 % weniger Energie braucht und sich auch wirtschaftlich rechnet.

Seit Jahrtausenden konservieren wir Kräuter, Tee und Gewürze mit Luft – sei es direkt an der Sonne oder im professionellen Umfeld mit warmer, trockener Luft. Die warme Trocknungsluft wird in der Lebensmittelindustrie meistens mit fossilen Brennstoffen oder mit Strom (direkt oder mit einer Wärmepumpe) erzeugt. Dieser Prozess ist energieintensiv, belastet das Klima (CO2) und verursacht hohe Energiekosten. Im Rahmen eines Forschungsprojektes, das vom Bundesamt für Energie (BFE) mitfinanziert wurde, hat das Institut für Energiesysteme und Fluid Engineering (IEFE) der ZHAW ein neues Trocknungssystem entwickelt. Dieses nutzt das Absorptionsprinzip, arbeitet bei einer tiefen Temperatur und kann dadurch die Kräuter mit Umweltwärme oder Abwärme trocknen. Der geschlossene Absorptionskreislauf basiert auf einer Lösung mit Natriumhydroxid (Natronlauge auch Bäckerlauge oder Brezellauge genannt), die nicht mit Aussenluft in Kontakt kommt.

Geteilte Prozesse der Absorption und der Desorption

Das Trockengut – die ZHAW arbeitete mit Brennnesseln, Apfelminze und Pfefferminze – wird in eine von den Forschenden des IEFE entwickelte Trockenkammer eingebracht. Die Kammer wird dicht verschlossen und ein Ventilator bläst trockene Luft ein. Diese entzieht dem Trockengut Wasser (Trocknungsprozess). Die feuchte Luft aus der Kammer wird in den Absorber geleitet. Darin wird die Luft mit der konzentrierten Lösung aus Natronlauge (NaoH) berieselt. Die Natronlauge bindet das Wasser und die Luft wird dadurch entfeuchtet. Die ursprünglich konzentrierte Lösung wird durch die Wasseraufnahme zu einer verdünnten Lösung. Sie wird zu einem Wärmetauscher geleitet, wo sie mit der Wärme einer thermischen Solaranlage oder mit Prozessabwärme erwärmt wird. Danach gelangt die warme Lösung in den Desorber. Trockene Aussenluft, die in den Desorber eingeblasen wird, entzieht der Natronlauge einen Teil des Wassers und erhöht damit die Konzentration. Die feuchte Aussenluft wird ausgeblasen – und mit ihr das Wasser, das aus der Trocknung der Kräuter abgeführt wurde.

Natronlauge speichert die Sonnenenergie

Der ganze Prozess funktioniert auch eine gewisse Zeit ohne Wärmezufuhr (z.B. fehlende Sonne im Winter), die als «Antriebsenergie» für die Desorption wirkt. In diesem Fall sinkt die Konzentration der Sodalösung langsam, weil in der Desorption weniger Wasser entzogen werden kann. Trotzdem kann die Trocknungsanlage mit richtig dimensionierten Speichern für die Natronlaugenlösung weiterhin ohne Wärmezufuhr betrieben werden, weil die Energiedichte der Natronlauge mit 1800 MJ/m3 – verglichen mit der Energiedichte von 100 MJ/m3 welche 100 °C heisses Wasser aufweist – sehr hoch ist. Wenn die Wärme wieder hinzugeführt wird, kann der verdünnten Lösung wieder ein Teil des Wassers entzogen werden. Die mit «Antriebsenergie» aufgeladene konzentrierte Lösung kann nun beliebig lang und verlustlos gespeichert werden. Ein weiteres Plus: Der Desorptionsprozess für die Aufkonzentrierung der Natronlauge muss nicht vor Ort erfolgen. Die Desorption könnte an einem sonnigen Ort mit «Sonnenkollektoren» oder mit ungenutzter Abwärme erfolgen und die konzentrierte Lösung anschliessend in Tankwagen oder in Rohrleitungen zur Trocknungsanlage transportiert werden.

Qualitativ und geschmacklich genauso gut

Die mit dem neuen Verfahren getrockneten Kräuter wurden nach der Trocknung durch das Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation (ILGI) der ZHAW in Wädenswil auf unerwünschter Inhaltsstoffe und Aromagehalt hin untersucht. Die getrockneten Brennnesseln wurden dazu zerkleinert und mit gekauftem Brennnesseltee verglichen. Beim Vergleich der Farbe der Kräuter und des pH-Werts sowie beim Verkosten des aufgebrühten Tees konnten keine qualitativen und geschmacklichen Unterschiede festgestellt werden.

Geringere Kosten, 75 Prozent weniger Energie

Anhand mehrerer Vergleichstrocknungen (Brennnesseln, Apfelminze, Pfefferminze) konnte in der Praxis nachgewiesen werden, dass mit dem Sorptionstrocknungsverfahren die vorgeschriebene Produktendfeuchte von 12 % erreicht und sogar unterschritten werden kann. Zudem kann mit dem Sorptionsverfahren die Trocknungszeit gegenüber konventionellen Verfahren mehr als halbiert werden. Und auch bei der Energiebilanz brilliert die Sorptionstrocknung. Sie benötigt rund 75 Prozent weniger Energie als die herkömmliche Trocknung mit Kondensationstrocknern. Auch wenn die Investitionskosten der Sorptionstrocknungsanlage aktuell noch knapp 10 Prozent höher sind als die für eine klassische Trocknungsanlage, zahlt sich das neue Verfahren doppelt aus. Die Gesamtkosten über die Lebensdauer der Anlage von 20 Jahren sind 30 Prozent tiefer als die einer herkömmlichen Trocknungsanlage. Zudem benötigt  die neue Sorptionstrocknungsanlage nur die Hälfte der Trocknungsfläche – was besonders in Regionen mit hohen Boden- und Immobilienpreisen wichtig ist. Die sorptive Niedertemperaturtrocknung weisst somit in allen Bereichen Vorteile auf.

Das von den Forscherinnen und Forschern des IEFE entwickelte Konzept überzeugt durch den modularen und skalierbaren Aufbau und die einfache Steuerung. Sorptive Niedertemperaturtrockner können mit mehreren kleinen Absorbern einfach erweitert und so die Energieunabhängigkeit vergrössert oder die Trocknungskapazität erhöht werden. Neben der Anwendung in der Lebensmittelindustrie (Kräutertrocknung) sehen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auch weitere Einsatzgebiete, beispielsweise in Lackierereien oder für die Trocknung von Baustoffen. Der nächste Schritt dürfte die Entwicklung der noch nicht vorhandenen, peripheren Komponenten wie Speicher, Regenerationsanlagen und Transportleitungen sein. Danach können weitere Pilotanlagen erstellt werden.

Projektname

SONITRO – Sorptive Niedertemperaturtrocknung

Beteiligte

Projektleiter: Thomas Bergmann

Projektteam: Irene Chetschik, Serena Danesi, Claudio Koller, Lukas Vontobel

Drittmittelgeber: Bundesamt für Energie (BFE)

Projektpartner: Karl Barth AG, Matthias Barth

Projektdauer

März 2020 bis September 2023

Publikationen
Schlussbricht SONITRO: https://www.aramis.admin.ch/Dokument.aspx?DocumentID=71409

Fachartikel BFE: https://pubdb.bfe.admin.ch/de/publication/download/11685