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Eine Frage des Vertrauens

Der Start der KESB war von Unstimmigkeiten und Skandalen geprägt. Nun feiert die Behörde ihren 10. Geburtstag. Ein ZHAW-Masterabsolvent macht der KESB dazu ein ganz besonderes Geschenk.

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Die regionalen KESB unterstützen in der Schweiz rund 100 000 Erwachsene und 45 000 Kinder mit Schutzmassnahmen. (Gaetan Bally / Keystone)

von Mirko Plüss

Die Gründung der KESB vor zehn Jahren ging einher mit einer tiefgreifenden institutionellen Veränderung. Die kommunalen Vormundschaftsbehörden, die aus Laien zusammengesetzt waren, wurden aufgelöst und durch die regionalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden ersetzt. Mittlerweile unterstützen und begleiten die regionalen KESB im ganzen Land rund 100 000 Erwachsene und 45 000 Kinder mit Schutzmassnahmen. Fast immer geschieht dies professionell und ohne dass die Öffentlichkeit davon irgendetwas mitbekäme. Dennoch haftet der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde in der gesellschaftlichen Wahrnehmung ein schlechter Ruf an. In einer Anfang Jahr in der NZZ publizierten Bilanz wird die KESB nach wie vor als «umstrittenste Behörde der Schweiz» bezeichnet. Doch wie umstritten ist sie wirklich?

Bisher konnten nur Vermutungen angestellt werden, wie die KESB in der breiten Bevölkerung wahrgenommen wird. Nun liegt pünktlich zum Jubiläum zum ersten Mal eine quantitative Studie zum Vertrauen in die Behörde vor. Die Untersuchung «KESB – eine Behörde im Fokus der Öffentlichkeit» entstand im Rahmen eines Masterstudiums am Departement Soziale Arbeit der ZHAW.

Vertrauen in Schweizer Institutionen gemessen

Für die Studie wurden online 251 Personen in 14 Deutschschweizer Kantonen befragt. Die Studie ist nicht repräsentativ. Die Mehrheit der Studienteilnehmenden wurde im Umfeld des Studienautors rekrutiert. Ausländer:innen sind unter-, Personen mit höherem Bildungsstand überrepräsentiert. Zudem gaben 61 Prozent der Befragten an, entweder selbst in ein Verfahren der KESB involviert gewesen zu sein oder jemanden persönlich zu kennen, der in ein solches Verfahren involviert war.

Die Befragten mussten auf einer zehnstufigen Skala angeben, wie sehr sie der KESB vertrauen. Der ermittelte Durchschnittswert liegt bei 6,2. Wie ist nun dieses Vertrauen einzuschätzen? In der Studie wird zum Vergleich auf dieselbe Weise auch das Vertrauen in andere Institutionen abgefragt. Demnach geniesst die Polizei das grösste Vertrauen (7,3). Dahinter folgen das Rechtssystem mit einem Wert von 7,2 und das politische System mit einem Wert von 6,7. Die KESB fällt also nicht deutlich ab, erhält aber im direkten Vergleich ein niedrigeres Vertrauen zugesprochen als andere Schweizer Institutionen.

Mediale Wahrnehmung prägt Einschätzung der KESB

Daneben wurden die Teilnehmer:innen nach weiteren, spezifischen Einschätzungen befragt – mit für die KESB durchzogenen Ergebnissen. Der Aussage, dass die KESB eine «fachkundige Behörde» sei, stimmten 65,7 Prozent zu. Von einem «fairen Rekursverfahren» gehen 49,1 Prozent aus. Weiter nehmen 45,1 Prozent der Befragten an, dass Betroffene in den Verfahren der KESB «ausreichend informiert» werden; 42,7 Prozent glauben, dass die Betroffenen «ausreichend angehört» werden. Der tiefste Wert resultierte bei der Frage, ob die KESB den Anforderungen an sie als Behörde gerecht werde – nur 38 Prozent stimmten zu.

Die negative Einstellung gegenüber der KESB dürfte unter anderem mit der Geschichte der noch jungen Behörde und der medialen Wahrnehmung zu tun haben. 2013 gestartet, erlebte die KESB bereits im Januar 2015 sozusagen die Initial-Katastrophe: Eine 27-jährige Mutter tötete ihre beiden Kinder. Eigentlich hatte die KESB verfügt, dass die Kinder in einem Heim untergebracht werden müssen. Der Aufenthalt bei der Mutter über die Weihnachtstage war eine behördlich erlaubte Ausnahme.

Zwar entlastete eine Untersuchung der Zürcher Justizdirektion die KESB Winterthur-Andelfingen von schweren Vorwürfen im Fall Flaach. Dennoch folgte ein massives Medienecho, das wiederum auf eine Behörde traf, die über keine professionellen Kommunikationskanäle verfügte.

Noch mehr Informationsarbeit nötig

Carlo Strohner ist der Autor der Studie. Der 35-Jährige hat sie 2022 als Student eines berufsbegleitenden Masterstudiums an der ZHAW Soziale Arbeit verfasst. Auch er sagt, dass sich die Ergebnisse möglicherweise zum Teil mit der Entstehungsgeschichte der KESB und einigen medial bekannt gewordenen Fällen erklären liessen. «Als Hauptkritikpunkt gilt grundsätzlich das Eingriffsverhalten der KESB, dass die Behörde also mutmasslich entweder zu früh oder zu spät eingreift», sagt Strohner. «Kritisiert werden aber auch grundsätzlich die Entmachtung der Gemeinden, die Kosten oder die angeblich überbordende Bürokratisierung der Behörde.»

Manche Ergebnisse der Studie haben Strohner überrascht: «Dass nur eine Minderheit glaubt, dass man bei der KESB ausreichend informiert und angehört wird, ist irritierend.» Denn genau darauf gebe es im Verfahren der KESB einen gesetzlichen Anspruch. «Offenbar ist es der KESB noch nicht gelungen, solche Grundsätze in der Bevölkerung zu verankern.»

Direkter Kontakt schafft Vertrauen

Die Befragung zeigt indes auch: Wer schon einmal direkt mit der KESB zu tun gehabt hat, vertraut ihr mehr als jemand, der die Arbeit der Behörde nur aus Erzählungen von Verwandten und Bekannten kennt. Fehlendes Vertrauen könne für die KESB grundsätzlich problematisch sein, sagt Strohner: «Wenig Vertrauen und Zweifel am Wirkungspotenzial der Behörde haben einen Einfluss darauf, ob und in welchen Situationen eine Gefährdungsmeldung abgesetzt wird.»

Zudem zeigten andere Studien, dass die Kooperationsbereitschaft mit einer Behörde ebenfalls stark davon abhängt, wie sehr man ihr vertraut. Strohner, der im Kanton Schaffhausen als Fachverantwortlicher im Bereich Kindsschutz arbeitet, beschäftigt auch die Optik der Sozialarbeitenden, die gemäss Empfehlung in jeder KESB vertreten sein sollten. «Das eher niedrige Vertrauen macht den Job der Sozialarbeitenden nicht einfacher», sagt er. «Eine frühere Umfrage bei den KESB hat bereits gezeigt, dass die Mitarbeitenden die Kritik durch Medien, Öffentlichkeit und Politik als erschwerend für ihre Arbeit wahrnehmen.»

Repräsentative Studie wäre wünschenswert

Für präzisere Aussagen zur Erklärung und Entstehung von Vertrauen in die KESB seien weitere repräsentative Untersuchungen erforderlich, schreibt Carlo Strohner in seiner Arbeit. Er wünscht sich eine Studie, «welche differenzierter zwischen Vertrauen von Personen ohne Vorerfahrungen mit der KESB und dem Vertrauen von Betroffenen unterscheiden kann».

Doch auch seine Ergebnisse enthielten für die verschiedenen regionalen KESB wertvolle Erkenntnisse: «Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass viel Misstrauen offenbar immer noch auf Nichtwissen und falschen Vorstellungen der Arbeit der KESB basieren könnte. Zumindest dies liesse sich mit einer aktiveren Kommunikationspolitik beheben», ist er überzeugt. Als Beispiel nennt Strohner die vom Fall Flaach gebeutelte KESB Winterthur-Andelfingen, die im Podcast «Schweigepflicht» ihre Mitarbeitenden von realen Fällen erzählen lässt.

Jubiläumsjahr als Chance für KESB

Ähnlich sieht man dies bei der Konferenz für Kindes- und Erwachsenenschutz KOKES. Deren Generalsekretärin, die Juristin und Sozialarbeiterin Diana Wider, sagt: «Das mangelnde Wissen oder falsche Wissen liegt daran, dass die KESB keine eigenen Kommunikationsverantwortlichen haben, die sich um die Öffentlichkeitsarbeit und damit um das Image, den Wissenstransfer oder die Vertrauensbildung kümmern.» Genau solche Stellen hätten hingegen Polizei, Gerichte und andere Institutionen, mit denen die KESB in der Umfrage verglichen wird.

Dennoch beobachtet Diana Wider Verbesserungen – gerade auch im Hinblick auf das 10-Jahre-Jubiläum. «Im laufenden Jubiläumsjahr haben viele KESB der Bevölkerung Einblick in ihren Alltag gewährt», sagt Wider. Und auch die Medienarbeit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde nehme stetig zu. «Auch wenn sich die KESB nicht zu konkreten Fällen äussern darf, kann sie mit Beispielen zumindest mehr Einblick geben.» Das schaffe bei der Bevölkerung Verständnis und auch Vertrauen.

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