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Wenn der Computer das Steuer übernimmt

Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten selbstfahrenden Autos auf den Schweizer Markt kommen. Doch eine grosse Unbekannte wurde bisher wenig erforscht: Wie der Mensch auf den Kontrollverlust reagiert.

ZHAW-Impact Nr. 36 vom März 2017

Kurz bevor er das Haus verlässt, startet Alex B. via Smartphone sein Auto. Er beendet noch das Frühstück, zieht sich die Jacke über. Als er zwei Minuten später vor die Tür tritt, wartet das bestellte Fahrzeug bereits am Strassenrand. Er setzt sich auf den vorgewärmten Sitz, wählt auf dem Bildschirm als Fahrziel sein Büro. Dann lässt er sich in der Konsole einen Espresso heraus und öffnet auf seinem Tablet die Tageszeitung, während ihn sein steuerloses Auto selbstständig in Richtung Innenstadt navigiert. Als Alex B. eine halbe Stunde später dort ankommt, hat er nebst der Zeitung bereits seine Mails durchgeschaut, telefoniert und die Traktanden für die anstehende Sitzung vorbereitet. Er steigt vor dem Bürogebäude aus und geht zum Lift, während sich sein Fahrzeug auf die Suche nach einem Parkplatz macht.

Im Ansatz heute schon Realität

Was wie Science-Fiction klingt, ist im Ansatz schon heute Realität. Von Mercedes über Tesla bis Google tüfteln Forscher an selbstfahrenden Fahrzeugen. Die ersten vom Steuerrad befreiten Autos sind zu Testzwecken seit mehreren Jahren auf den Strassen unterwegs. In Sion betreibt die Post zwei führerlose Busse. Und Forscher gehen davon aus, dass in der Schweiz in acht Jahren die ersten selbstfahrenden Autos verkauft werden. Die Zukunft des Individualverkehrs ist autonom, darauf zumindest wettet die Industrie, welche Millionen von Franken in die Forschung investiert. Wie lange es tatsächlich noch dauert, bis selbstfahrende Autos die Strassen erobern, kann niemand mit Sicherheit sagen. Klar ist: Wenn sie sich am Markt durchsetzen, werden sie den Individualverkehr revolutionieren. Professor Markus Hackenfort forscht an der ZHAW im Bereich der Verkehrs- und Sicherheitspsychologie. Er beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, wie der Mensch auf selbstfahrende Fahrzeuge reagiert und welchen Einfluss diese auf unsere Gesellschaft haben. «Sollten sich autonome Autos durchsetzen, wird das viele unserer Lebensbereiche beeinflussen», sagt Hackenfort. Unter anderem die Frage, wo wir wohnen. Wenn wir nicht auf den ÖV angewiesen sind und die Fahrzeit im eigenen Auto zum Arbeiten nutzen können, dann wären wir freier in der Wahl unseres Wohnorts.

Setzen sich autonome Autos durch, wird das viele Lebensbereiche beeinflussen.

Markus Hackenfort, Leitung Fachgruppe Verkehrs-, Sicherheits- & Umweltpsychologie am ZHAW Departement Angewandte Psychologie

Bereits befinden wir uns mitten im technischen Wandel. Fast alle Neuwagen verfügen über teilautonome Fahrsysteme. Vom verbreiteten Antiblockiersystem bis zu Modellen, die auf der Autobahn selbstständig die Spur halten und überholen können. «Dabei ist das erst der Anfang», sagt Hackenfort. Das Ziel der Reise, wie es sich die Autohersteller vorstellen, lautet Vollautomatisierung. Noch befinden wir uns in einer Phase, in der die Fahrer grösstenteils frei über das Fahrzeug entscheiden können und aktiv die Verantwortung wahrnehmen müssen. Mit den vollautomatisierten Autos würde sich das ändern, sagt Hackenfort. Dann sässen wir in Autos wie jenem von Alex B., ohne Steuerrad und Bremspedal. «Schon bald werden wir uns über Systeme unterhalten müssen, die uns vorschreiben, was wir zu tun und zu lassen haben», erklärt er. Modelle, die selber entscheiden, wie schnell sie fahren, ob sie an der Kreuzung halten und wie sie reagieren, wenn ein Kind auf die Fahrbahn springt.

Verhältnis Mensch und Maschine

Wenn der Fahrer die Verantwortung in Zukunft an den Computer abgeben soll, müssen viele wichtige Fragen neu verhandelt werden. Etwa, wer die Autos nach welchen Regeln programmiert. Wie viel Mitsprache dabei die Politik hat. Wer für den notwendigen Ausbau der Infrastruktur bezahlt, damit die Fahrzeuge untereinander und mit Verkehrssignalen kommunizieren können. Und wer dafür haftet, wenn der Bordcomputer einen Unfall verursacht. Das Bundesamt für Strassen hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um solche und andere Fragen zu klären. Bis Ende Jahr soll diese eine Revision des Strassenverkehrsgesetzes vorbereiten. Die vielleicht grösste Unbekannte, die über die Zukunft des Individualverkehrs entscheiden wird, bleibt der Mensch. Denn Erfolg haben wird diese neue Autogeneration nur dann, wenn der Fahrer bereit ist, das Steuer dem Roboter zu überlassen. «Unterstützende Systeme nehmen die meisten Menschen gerne an», sagt Hackenfort. «Ich bin mir aber nicht sicher, ob wir auch bereit sind, Systemen zu vertrauen, die uns in ihre Entscheidungen nicht mehr einbeziehen.» Unternehmen investieren immense Summen in die technische Entwicklung der Fahrzeuge. Die Rolle des Menschen werde aber weitgehend ignoriert: «Es gibt Unternehmen, bei denen habe ich den Eindruck, die forschen nicht zu den Auswirkungen auf den Fahrer.» Deshalb will er mit seinem Team in einer geplanten Studie mehr darüber herausfinden, wie gross die Akzeptanz der Bevölkerung überhaupt ist. Und unter welchen Umständen sie bereit ist, sich dem Bordcomputer anzuvertrauen. Wie gewöhnungsbedürftig selbstfahrende Fahrzeuge für die Insassen sind, davon zeugen Videos im Internet. Etwa von Google, wo Passagiere in steuerlosen Autos durch die Strassen kurven und mit ihren Händen in den Ledersitzen nach Halt suchen. Nicht alleine die Technik wird für die Zukunft des autonomen Fahrens entscheidend sein. Sondern auch die Frage, wieweit der Mensch der Maschine vertraut.

Autor: Simon Jäggi

So funktioniert ein selbstfahrendes Auto

  1. Laserscanner
    Eine rotierende Laser-Einheit auf dem Dach erzeugt per Lichtimpuls-Messung ein dreidimensionales Bild der Umgebung (Reichweite: mehr als 100 Meter). Zusätzliche Laser erkennen Hindernisse in näherer Umgebung: besonders solche, die im toten Winkel übersehen werden könnten.
  2. Videokameras
    Nach vorne, hinten und zur Seite gerichtet; erkennen Ampelsignale und Strassenschilder; ermitteln Entfernungen zu Objekten; helfen so, Fussgänger und Radfahrer wahrzunehmen.
  3. GPS-System
    Es empfängt Signale von Satelliten, um die genaue Position des Autos zu ermitteln. Zusätzliche Beschleunigungs-Sensoren erkennen, auf welcher Strasse/Spur es fährt.
  4. Radarsensoren
    Sie messen und überwachen Abstände zu anderen Fahrzeugen.
  5. Bordcomputer
    Er wertet alle Daten aus und bremst, beschleunigt und lenkt das Auto entsprechend. Die Software kennt und berücksichtigt Verkehrsregeln.