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Störung im Erholungswald

Der Trend zur 24-Stunden-Freizeitgesellschaft in Naherholungsgebieten bringt Wildtiere in Bedrängnis. Ein ZHAW-Projekt soll zeigen, wie man die unterschiedlichen Interessen besser vereinbaren kann.

ZHAW-Impact Nr. 36 vom März 2017

Im Sihlwald herrscht Hochbetrieb. Spaziergänger, Jogger und Mountainbiker suchen hoch über der Sihl Erholung oder sportliche Herausforderung. Solche Aktivitäten führen aber zu teilweise unerwünschten Nebeneffekten. «Unser Verhalten schränkt bestimmte Tierarten ein», sagt Professor Roland Graf, Leiter der Forschungsgruppe Wildtiermanagement der ZHAW. 

15 Rehe mit Sendern ausgerüstet

Um die Belastbarkeit der Wildtiere zu untersuchen, rüsteten Graf und sein Team für das Projekt «Wildtier und Mensch im Naherholungsgebiet» 15 Rehe in der Region des Wildnisparks Sihlwald mit Sendern aus. Eine Analyse zeigte, dass die Tiere Waldwege Tag und Nacht meiden. Verantwortlich dafür sind Spaziergänger und Sportler, die fast rund um die Uhr in den städtischen Naherholungsgebieten anzutreffen sind. Da Rehe auch in den meisten stadtnahen Wäldern bejagt werden, behalten sie zudem eine gewisse Scheu. Anders etwa Füchse, die in der Stadt vom Menschen kaum mehr etwas zu befürchten haben und hier, auch dank des üppigen Nahrungsangebots, bereits eine weit höhere Siedlungsdichte als auf dem Land erreichen.
 «Das Reh hat stets als Allerweltstier gegolten, das sich an alles gewöhnt», sagt Graf. Nun zeige die Forschung, dass die Adaptionsfähigkeit der Tiere Grenzen habe. Existenzbedrohend sind die Störungen für die Rehe im Untersuchungsgebiet nicht. Wirklich relevant wird das Thema aber in den Alpen. Dort leben Tiere, die gerade im Winter Ruhezonen brauchen. Studien haben ergeben, dass häufige Störungen sensible Arten wie Auerhuhn und Birkhuhn in ihrem Bestand gefährden können.

Wie lassen sich nun die Lebensbedingungen von Wildtieren in Naherholungsgebieten verbessern? Spaziergänger und Sportler sollten auf den offiziellen Routen bleiben. Graf und sein Projektpartner Professor Reto Rupf, Experte für Besuchermanagement und Leiter ZHAW-Forschungsgruppe Umweltplanung, votieren für eine bessere Lenkung der Besucher – allerdings nicht durch Überregulierung und einen «Schilderwald». Rupf zählt subtilere Methoden auf: geschickt platzierte umgestürzte Bäume, Schneehaufen oder Brombeersträucher am Wegrand. Zudem müssten die Verantwortlichen für attraktive Angebote  sorgen: «Fehlen herausfordernde Strecken für ambitionierte Biker, suchen sich diese eigene Wege», so Rupf.

Nutzungskonzepte durchdenken

Die Interessen unter einen Hut zu bringen, erfordert oft ein langwieriges Aushandeln. Im Wildnispark etwa werden gewisse Wege bewusst nicht mehr gepflegt. Was für einige den Wald spannender macht, kritisieren andere, weil vertraute Spazierwege verschwinden. «Man kann grundsätzlich darüber diskutieren, ob das sehr dichte Wegenetz im Mittelland überhaupt nötig ist», sagt Graf. Nicht zuletzt ist dessen Unterhalt ein Kostenfaktor. Das Projekt im Sihlwald, das im Verlauf des Jahres abgeschlossen wird, besitzt daher auch Modellcharakter. Wie wichtig eine durchdachte Nutzung der Naherholungsgebiete ist, wird angesichts von Neuheiten der Outdoor-Industrie deutlich: E-Mountainbikes oder stärkere LED-Lampen etwa werden den Trend zur 24-Stunden-Freizeitgesellschaft noch verstärken.

Autorin: Beatrice Bösiger