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Schweizer Jugendliche vermissten während des Lockdowns den Kontakt zu Gleichaltrigen

Besonders die sozialen Einschränkungen machten den Jugendlichen während des ersten Lockdowns im Frühling 2020 zu schaffen. Viele erlebten auch die Situation mit dem Fernunterricht als belastend. Dies zeigt der neuste JAMESfocus-Bericht der ZHAW und Swisscom.

Die Massnahmen rund um den ersten Corona-Lockdown hatten weitreichende Auswirkungen auf das Leben der 12- bis 19-jährigen Jugendlichen in der Schweiz. Die meisten (66 Prozent) belastete besonders der fehlende Kontakt zu Freundinnen und Freunden. Ausserdem wurde als schwierig empfunden, nicht wie gewohnt den Hobbys nachgehen zu können und in der Freizeitgestaltung eingeschränkt zu sein. Dies zeigt der aktuelle JAMESfocus-Bericht der ZHAW-Fachgruppe Medienpsychologie und Swisscom zum psychischen Wohlbefinden und Informationsverhalten von Schweizer Jugendlichen während der Zeit des ersten Corona-Lockdowns im Frühling 2020. «Die Resultate sind aus entwicklungspsychologischer Sicht wenig überraschend», sagt Gregor Waller, der die Studie zusammen mit seinem Team durchgeführt hat. «Für junge Menschen sind Kontakte zu Gleichaltrigen und Freiheiten ausserhalb des Elternhauses essenziell für die eigene Persönlichkeitsentwicklung.»

Neu-Entdeckung des Fernsehens

Zwei von fünf Jugendlichen benutzten während des untersuchten Zeitraumes zum ersten Mal Videochats, um mit Verwandten in Kontakt zu bleiben. Einige gaben an, in dieser Zeit ein Netflix- oder Disney+-Abo gelöst zu haben, was mit der vermehrten Freizeit, die zuhause verbracht werden musste, zu erklären ist.

Fernsehbeiträge haben während des ersten Lockdowns bei den Jugendlichen stark an Bedeutung gewonnen. Für 61 Prozent der Jugendlichen gehörte das Fernsehen zu den wichtigsten Quellen, um sich Informationen rund um Corona zu beschaffen, während vor der Pandemie (2018) Fernsehbeiträge lediglich für 33 Prozent eine wichtige Informationsquelle darstellten. «Dies ist wahrscheinlich mit einem gesteigerten Bedürfnis nach transparenten und vertrauenswürdigen Informationen zu erklären», sagt Studienmitautorin Jael Bernath. Denn Schweizer Jugendliche schreiben öffentlich-rechtlichem Fernsehen eine besonders hohe Glaubwürdigkeit zu. Neben den Fernsehbeiträgen waren Gespräche mit Familie und Freunden für Jugendliche die wichtigsten Informationsquellen.

Ausserdem war zu beobachten, dass ein erhöhter Konsum von medialen Berichten mit verstärkten Ängsten in Bezug auf Corona zusammenhängt. Möglicherweise führte die erhöhte Beschäftigung mit coronabezogenen Informationen zu verstärkten Ängsten. Denkbar ist aber auch, dass bei generell ängstlicheren Jugendlichen ein grösseres Bedürfnis nach Informationen bestand.

Sozioökonomischer Status spielt eine Rolle

Jugendliche ausländischer Herkunft berichteten häufiger von Schwierigkeiten mit den neuen Umständen in der Schule und bei der Arbeit (56 Prozent) als Schweizer Jugendliche (38 Prozent). Ähnliches zeigt sich beim sozioökonomischen Status der Jugendlichen. Zum einen kann hier die technische Ausstattung der Haushalte eine Rolle spielen. Da Familien mit tiefem sozioökonomischem Status tendenziell weniger Bildschirmgeräte zur Verfügung haben, könnte dies den schulischen Fernunterricht erschwert haben. Zum anderen wurden Jugendliche aus sozial schlechter gestellten und bildungsfernen Familien möglicherweise weniger bei den Schularbeiten unterstützt und waren stärker auf sich allein gestellt. Auch Realschülerinnen und Realschüler hatten vermehrt Probleme mit der Situation. «Wir vermuten, dass die elterliche Unterstützung zu Hause nicht immer gewährleistet werden konnte und dass Realschülerinnen und Realschüler mehr auf die Strukturen eines schulischen Umfelds angewiesen sind», sagt der ZHAW-Medienpsychologe Daniel Süss.

Positives Denken als Bewältigungsstrategie

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen fürchtete am meisten, dass eine ihnen nahestehende Person erkranken könnte. Über eine eigene Ansteckung machten sich hingegen nur 17 Prozent Gedanken. In Bezug auf das Geschlecht und die drei Landesteile gibt es hier deutliche Unterschiede: Mädchen machten sich mehr Sorgen als Jungen und Jugendliche in der Romandie sowie dem Tessin waren stärker von Ängsten betroffen als Gleichaltrige aus der Deutschschweiz. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass die verschiedenen Landesteile unterschiedlich stark mit Nachrichten und konkreten Fällen von Erkrankten konfrontiert waren.

Um die Situation zu bewältigen haben die Jugendlichen sowohl problemfokussierte wie auch emotionsfokussierte Strategien angewandt. Bei den problemfokussierten Verhaltensweisen gaben Mädchen etwas öfter an, auf Expertinnen und Experten zu hören und sich via Medien über die Situation zu informieren. Bei den emotionalen Bewältigungs-Strategien gaben beide Geschlechter zu fast gleichen Teilen den Versuch an, etwas Positives an der Situation zu sehen.

Tipps für ein gesundes Informationsverhalten in Krisenzeiten

  • Massvoller Nachrichtenkonsum: Um sich vor der Informationsflut zu schützen, sollen krisenbezogene Nachrichten massvoll konsumiert werden. In der Regel reicht es, sich ein bis zwei Mal pro Tag zu informieren.
  • Nutzung von wenigen, ideologisch-politisch unterschiedlich ausgerichteten, vertrauenswürdigen Quellen: Um sich über die Geschehnisse zu informieren, sollen nicht mehr als drei oder vier vertrauenswürdige Medienquellen genutzt werden, die ein breites und differenziertes Bild der Situation zeichnen.
  • Mit Jugendlichen über Nachrichteninhalte sprechen: Krisenbezogene Nachrichten können bei Kindern und Jugendlichen starke emotionale Reaktionen auslösen, die für sie nur schwer einzuordnen sind. In Gesprächen können Ängste und Verunsicherungen angesprochen und aufgefangen werden.
  • Risiko Fake News thematisieren: In unsicheren Zeiten und bei anhaltenden diffusen Bedrohungen kommen meist Gerüchte, Fake News und Verschwörungstheorien in Umlauf. Wer sich dessen bewusst ist und sich darüber kritisch austauscht, kann sein Wohlbefinden schützen (siehe auch Swisscom Medienratgeber «Fake News und Deepfake» www.swisscom.com/enter).
  • Bewusst nach Informationen zu Lösungen suchen: In Krisen kann es leicht dazu kommen, dass man die Aufmerksamkeit vor allem auf Probleme («bad news») richtet und so ein immer düstereres Bild der Lage entwickelt. Boulevardjournalismus und Social Network Bubbles spielen hier eine besondere Rolle als Treiber. Es kann für das Wohlbefinden hilfreich sein, bewusst auch nach Informationen zu suchen, welche positive Perspektiven und Lösungen aufzeigen.
  • Die psychische Gesundheit pflegen: Tipps und Angebote, um die eigene psychische Gesundheit zu pflegen, finden sich zum Beispiel auf der Seite www.dureschnufe.ch – der Schweizer Plattform für psychische Gesundheit rund um das neue Coronavirus. Um mit Mitmenschen darüber zu sprechen, wie es ihnen geht, finden sich Gesprächstipps auf der Website von «Wie geht’s dir?» unter www.wie-gehts-dir.ch/gespraechstipps

Kontakt

Tanja von Rotz, Leiterin Kommunikation, ZHAW Departement Angewandte Psychologie, +41 58 934 84 08, tanja.vonrotz@zhaw.ch

Swisscom Mediendienst, Swisscom AG, 3050 Bern, +41 58 221 98 04, media@swisscom.com