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Ricardo Chavarriaga: «Künstliche Intelligenz macht nicht automatisch alles besser»

Am 8. und 9. Juli findet das AI Governance Forum 2020 statt. In der Digital-Konferenz soll geklärt werden, inwiefern künstliche Intelligenz staatlich reguliert werden kann und muss. Ricardo Chavarriaga von ZHAW digital moderiert ein Panel zum Thema «Künstliche Intelligenz in Gesundheits-Applikationen». Für ihn ist klar, wie die Zukunft von KI auszusehen hat.

Herr Chavarriaga, Sie moderieren ein Panel zum Thema «Künstliche Intelligenz in Gesundheits-Applikationen». Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich aus der Diskussion?

Bei diese Forum wollen wir goldene Regeln erstellen, wie künstliche Intelligenz in Gesundheits-Applikationen eingesetzt werden kann. KI kann uns helfen, Krankheitsbilder schneller zu entdecken oder Medikamente zusammenzustellen. Aber wer ist verantwortlich, wenn etwas schiefläuft? Was soll vom Staat reguliert werden und was nicht? Auf diese Fragen hoffe ich Antworten zu finden.

Inwiefern macht es Sinn, wenn wir in Europa die künstliche Intelligenz regulieren, China und andere Länder aber nach anderen Regeln spielen?

Die Regulierungen und Vorschriften müssen international sein. KI soll nicht in ein weltweites Wettrüsten ausarten. Natürlich wird es immer Akteure geben, die sich nicht an die Regeln halten. Aber Regulierungen wie die europäische Datenschutz-Grundverordnung zeigen, dass es möglich ist, den Markt zu kontrollieren. Ausserdem nehmen wir hier in Europa gerne an, dass die Chinesen oder Russen einfach machen, was sie wollen. Das ist nicht zwangsläufig so. Wir wissen es nicht.

Inwiefern kann uns KI während der aktuellen Pandemie helfen?

Die Ausbruchsentwicklung zu verfolgen ist wichtig, um die Bereitschaft der Bevölkerung und der Gesundheitssysteme zu erhöhen – noch bevor Krankheitsfälle auftreten und zunehmen. Verschiedene Quellen – darunter Nachrichten, soziale Medien oder der Verkauf von Flugtickets – wurden mithilfe von KI analysiert, um schnell Informationen zu extrahieren. Mit diesen Daten kann die Ausbreitung der Epidemie auf globaler Ebene in Echtzeit überwacht werden. In diesem Zusammenhang wurden zudem Standortinformationen von Mobiltelefonen in mehreren Ländern verwendet, auch in der Schweiz. Diese Informationen können zwar hilfreich sein, um Kontakte zwischen Personen zu verfolgen oder um die Einhaltung von Empfehlungen im öffentlichen Raum zu überwachen. Diese Anwendungen lösen aber auch Bedenken in Sachen Datenschutz aus.

Können Sie also Schweizerinnen und Schweizer verstehen, die der Contact-Tracing-App kritisch gegenüberstehen?

Absolut. Obwohl bei der Schweizer Lösung ein Grossteil der Daten auf dem eigenen Handy gespeichert wird, können natürlich noch immer Informationen auf externe Server abfliessen. Weil alles schnell gehen muss gibt es aktuell keine Regeln, wie lange diese Daten gespeichert oder was mit ihnen passiert. Ausserdem ist nicht bewiesen, wie effektiv Contact-Tracing-Apps funktionieren. Aktuell gehen wir natürlich davon aus, dass die Entwickler nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben. Vertrauen entwickeln können wir aber erst über einen längeren Zeitraum, nachdem alles ausgiebig getestet wurde. Den Nutzern muss bewusst sein, dass die App Fehlfunktionen oder Sicherheitsrisiken beinhalten kann. Und falls die App nicht funktioniert, müssen die Entwickler und der Bund das natürlich auch einsehen und Massnahmen ergreifen.  

Was ist Ihnen wichtig, wenn es ums Thema Künstliche Intelligenz geht?

Die Technologie ist relativ neu. Wir wissen nicht genau, was sie für Auswirkungen haben wird. Deswegen müssen Regierungen flexibel reagieren und Entwickler Verantwortung übernehmen. Wenn diese Technologie auf den Markt kommt, wird sie nicht von Anfang an fehlerfrei funktionieren. Man muss auch abwägen, wo der Einsatz von künstlicher Intelligenz Sinn macht. Künstliche Intelligenz kann vieles bewirken, macht  aber nicht automatisch alles besser. Um ethische Fragen in Sachen KI kümmern wir uns übrigens auch beim CLAIRE Netzwerk. Uns gibt es mittlerweile seit zwei Jahren und zum Geburtstag haben wir uns eine neue Webseite gegönnt, die definitiv einen Besuch verdient.

Steckbrief Ricardo Chavarriaga

Dr. Ricardo Chavarriaga ist ein anerkannter Experte für Neurotechnologien und Gehirn-Maschine-Schnittstellen mit mehr als 100 Veröffentlichungen in den Bereichen Neurowissenschaften, unterstützenden Technologien und maschinelles Lernen. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der verantwortungsvollen Entwicklung von Technologien, die eine humane Interaktion zwischen Menschen und intelligenten Maschinen ermöglichen. Er ist Senior Researcher an der ZHAW, Kernmitglied der IEEE Brain Initiative und Fellow am Genfer Zentrum für Sicherheitspolitik (GCSP). Seit Januar 2020 ist Dr. Chavarriaga Leiter des Schweizer Standortes der CLAIRE-Initiative für Human-Centered Artificial Intelligence.