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Das Netz wird intelligent

Wenn Stromkonsumenten zu -produzenten werden: Der Ausbau an erneuerbaren Energien stellt neue Herausforderungen an das Stromnetz.

Schaltanlagen an den Wänden, Verkabelungen und Messgeräte: Im Labor für erneuerbare elektrische Energie (REE) des Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE) ist praktisch das ganze Energiesystem in Miniatur nachgebildet. Je nach Fragestellung kann Strom erneuerbar aus Wind, Photovoltaik und Wasserkraft oder konventionell erzeugt und in die Verteil- und Übertragungsnetze geleitet werden.

«Emulieren, nicht simulieren» nennt dies Petr Korba, der stellvertretende Leiter des Instituts, wenn Produktion und Netze im Massstab 1 zu 1000 nachgebildet werden. «Die gleichen Komponenten  gibt es auch in Grosskraftwerken», sagt er. In diesem Labor an der School of Engineering geht Korba mit seinem Team der Frage nach «Was passiert, wenn …?». Was passiert mit dem Stromnetz, wenn zum Beispiel die Sonne mittags während ein paar Stunden stark scheint und viel Strom ins Netz gelangt, gleichzeitig vielleicht wenig Wasserstrom produziert wird, weil die Flüsse wenig Wasser haben? «Nicht einmal in der Industrie haben sie ein solches Labor», sagt Korba nicht ohne Stolz, der selbst über zehn Jahre bei ABB Schweiz im Gasturbinenbereich und im Forschungszentrum Dättwil (AG) gearbeitet hat.

Eine grosse Frage beschäftigt ihn forschungsmässig: Wie muss ein stabiles Stromnetz ausgestaltet sein, wenn mit der Energiestrategie 2050 der Anteil der erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind an der Stromproduktion zunimmt? Denn die grosse Herausforderung ans Netz seien die Fluktuationen, sagt Korba. Die grossen Laufwasser- oder Atomkraftwerke erzeugen konstant Energie übers Jahr – «doch ob morgen um 10 Uhr wirklich die Sonne scheint und wie viel Strom dann die Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach produziert und ob wir zu dem gleichen Zeitpunkt genau so viel auch brauchen, das ist die Frage», so Korba. Mit dem Wind verhält es sich ähnlich – einmal bläst er, einmal nicht.

Stabiles Netz auch bei schwankender Produktion

Es gibt scheinbar keinen Aspekt dieses Themas, den Korba nicht schon erforscht hätte: von der Integration von Photovoltaik ins Niederspannungsnetz über die Netzspannungsregelung bis hin zu Speicherlösungen wie Batterien oder der Umwandlung von Strom zu Gas. Denn Korba ist auch stellvertretender Leiter eines der sieben Schweizer Kompetenzzentren für Energieforschung (Swiss Competence Centers for Energy Research SCCER): Das Kompetenzzentrum F­uture Swiss Electrical Infrastructure, abgekürzt FURIES, sucht innovative Lösungen für Stromnetze im Hinblick auf die Energiestrategie 2050. Dafür werden am Institut Know-how und Personal aufgebaut.

Ziel ist die sichere und verlässliche Stromversorgung über ein stabiles Netz, auch wenn die Stromproduktion in Zukunft stärkeren Schwankungen unterworfen ist. Heute liegt der Anteil der neuen erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind oder Bio­masse an der Schweizer Stromproduktion bei ca. 5 Prozent oder 3 Terawattstunden (TWh). Bis 2035 soll dieser auf mindestens 11,4 TWh steigen – das würde bedeuten, dass dann ein Fünftel bis ein Sechstel der Stromproduktion über den Tag und die Jahreszeit schwankt.

Ein Schlüsselelement ist die Entwicklung von intelligenten Netzlösungen, um die Flexibilität des Netzes zu erhöhen. Entsprechende Strategien werden auch in einem EU-weiten Projekt mit dem Namen «Cloud Grid» ausgearbeitet, an dem das IEFE als Kooperationspartner beteiligt ist. Cloud Grid heisst es, weil die Labors der Forschungspartner virtuell miteinander verbunden sind. In einem Fortsetzungsprojekt des Kompetenzzentrums FURIES, unterstützt vom Nationalfonds, werden Kontrollinstrumente fürs Übertragungsnetz sowie Instrumente für Planung und Betrieb entwickelt, damit die von der Energiestrategie 2050 vorgesehenen erneuerbaren Energien im Verteilnetz integriert werden können.

Oben wird produziert, unten verbraucht

Das elektrische Energiesystem  existiert seit gut 130 Jahren. Ausgelegt ist es seit seinen Anfängen auf den Verbrauch: Der in den Grosskraftwerken produzierte Strom fliesst von der obersten Netzebene, dem Hochspannungsnetz mit 380'000 Volt, zur Steckdose an die unterste Ebene mit 230 Volt. «Und jetzt kommen wir und fangen ganz unten an», so Korba. Mit kleiner, dezentraler Erzeugung, die zu allem auch noch stark schwankt und nicht genau vorhersehbar ist. Natürlich sei das technisch möglich, es müsse aber auch bezahlbar sein – «der Strom fragt nicht, woher er kommt und wie die Netzebene heisst, er fliesst einfach durch». Nur ist die Netzinfrastruktur dafür nicht ausgelegt. Solange nur ein Haus im Quartier eine PV-Anlage auf dem Dach hat, ist das auch weiter kein Problem: «Aber wenn es jeder macht …»

Hochschulmagazin ZHAW-Impact

«Energiewende» lautet das Dossierthema der aktuellen Ausgabe des Hochschulmagazins ZHAW-Impact. Eine Auswahl der Themen: Wie können Städte und Gemeinden die Bevölkerung zum Energiesparen bewegen? Wie hat sich der Energiediskurs verändert? Weshalb schrecken Hauseigentümer vor Investitionen in erneuerbare Energien und Effizienz zurück, obwohl Fördergelder und Steuererleichterungen locken? Wie sieht eine wirksame Energie- und Klimapolitik aus? Intelligente Netze und Lösungen, dank derer Solarenergie erzeugt werden kann, wenn sie gebraucht wird, nicht nur, wenn die Sonne scheint.

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Autor: Sibylle Veigl