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Aus Forschung wurde Rettungsaktion

Manchmal gibt es glückliche Zufälle. Bei Nina Hüppi, Doktorandin an der ZHAW, führten sie dazu, dass sie mit einem Verein einen längst vergessenen Pavillon der Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (Saffa) von 1958 vor dem Abbruch retten konnte.

Es war quasi in letzter Minute. Die Bewilligung für den Abbruch war schon ausgesprochen. Der kleine Pavillon, angebaut an die Gebäude eines Pilzzuchtbetriebs im züricherischen Gossau Nähe Uster, sollte im Frühjahr 2020 einem Neubau weichen.

Seit Jahren war das Häuschen mit der markanten Aluminiumverkleidung als Lagerraum benützt worden. Der Besitzer des Pilzzuchtbetriebs war sich nicht bewusst, welch historisches Relikt er auf seinem Gelände hatte: Es ist einer der letzten noch bestehenden Pavillons, der für die «Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit», kurz Saffa, im Jahr 1958 von der Schaffhauser Architektin Berta Rahm gebaut worden war.

Und hier kam Nina Hüppi ins Spiel. Sie hatte Anfang 2020 ihre Doktorarbeit am Departement Architektur, Gestaltung und Bauingenieurwesen begonnen, im Rahmen eines SNF-Forschungsprojektes zu Architektur und Gestaltung an der Saffa. Zuvor hatte die Kunsthistorikerin neun Jahre lang bei der kantonalen Denkmalpflege in Zürich gearbeitet.

Entscheidender Hinweis der Denkmalpflege

Dort ging Anfang Jahr eine Anfrage der Schaffhauser Kollegin ein: Ob diese Kenntnis hätten von einem Pavillon der Architektin Rahm, der in Gossau stehen sollte. So erfuhr Hüppi von dem historischen Bau. Für sie war klar: Der Pavillon musste gerettet werden. Im März gründeten die Forscherinnen des SNF-Projektes und weitere Architektinnen, insgesamt 12 Frauen, den Verein «ProSaffa1958-Pavillon» und Hüppi wurde Co-Präsidentin.

«Ich wollte schon immer Historikerin werden», sagt die 36-Jährige. Nach dem Studium von Geschichte und Kunstgeschichte im Jahr 2010 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der kantonalen Denkmalpflege in Zürich. Ihr gefiel, dass sie dort die Praxis mit der Wissenschaft verbinden konnte. Im Jahr 2016 absolvierte sie an der ETH den MAS in Geschichte und Theorie der Architektur.

«Ich arbeite gerne mit Themen der Schweizer Geschichte», sagt sie. Dazu habe sie eine Beziehung, und die Quellen seien einfacher zugänglich. Nur: «Frauen fehlen fast ganz im Kanon der Architekturgeschichte», kritisiert sie. In all den Jahren bei der Denkmalpflege, bei all den Bauten, welche sie dokumentiert habe, seien praktisch nur männliche Akteure vorgekommen.

Das Forschungsprojekt zur Saffa ist für sie ein wichtiger Beitrag, dieses Ungleichgewicht in der historischen Forschung zu beheben.

«Frauen fehlen fast ganz im Kanon der Architekturgeschichte.»

Nina Hüppi

Die Bauherrinnen der Saffa in ihrer Zeit

Das auf drei Jahre angelegte Projekt konzentriert sich auf die historische Analyse von Bau, Planung und Gestaltung der Frauenarbeitsausstellung, bettet diese aber auch in die politische Geschichte und die Sozial- und Frauengeschichte ein. Gut 30 Architektinnen hatten 1958 eine riesige Bandbreite an Pavillons konzipiert, welche rund um die Landiwiese in Zürich während drei Monaten standen. In den Gebäuden wurden Aspekte der Arbeit und des Lebens von Frauen in den Fünfzigerjahren gezeigt.

Frauen sollten den Haushalt gut machen

Hüppi befasst sich dabei mit den vier Musterhäusern der Saffa. In diesen wurde gezeigt, wie Grundrisse auf die Bedürfnisse von Frauen angepasst werden könnten. Ganz gemäss dem konservativen Frauenbild der Fünfzigerjahre: Frauen sollten unterstützt werden, den Haushalt gut zu machen. «Die Frau, sie war damals vor allem Mutter und Hausfrau», sagt Hüppi.

Der Unternehmerin Erica Hauser, welche in Gossau die Pilzzucht Hauser Champignons Kulturen führte, war es zu verdanken, dass der Pavillon von Berta Rahm nach dem Ende der Ausstellung ein zweites Leben als Betriebskantine und Schauküche bekam.

Das dritte Leben des Rahm-Pavillons

Und nun dank der Initiative des Vereins erhält er ein drittes Leben. Am Anfang der Rettungsaktion, im März 2020, habe sich das Ganze noch nach einem riesigen Berg Arbeit angefühlt. Doch die Resonanz in Medien und bei potenziellen Spendern war gross. «Wir haben sehr schnell sehr viel Unterstützung bekommen», sagt Hüppi. Denn für die Demontage brauchte es Geld und Handwerkerinnen. Gut 80‘000 Franken hatten sie berechnet. «Das war viel Geld». Doch in kurzer Zeit waren schon 70‘000 Franken gesichert.

Und die Zeit war knapp. «Wir hatten nur sechs Wochen Zeit», so Hüppi. Es sei ein komplexes Projekt. Das Häuschen musste dokumentiert, stückweise zerlegt und zwischengelagert werden. Nun geht es darum, einen geeigneten neuen Standort zu finden. Mit einigen Interessentinnen und Interessenten laufen bereits Gespräche.

Nicht kommerziell und öffentlich zugänglich

Normalerweise kenne man ja den Standort, und passe dann das Gebäude dem Standort an. Nun sei es umgekehrt: «Wir haben einen Pavillon und müssen den richtigen Standort dafür finden.» Die Bedingung des Vereins: die Nutzung darf nicht kommerziell sein, und das Haus muss öffentlich zugänglich sein. «Denn die Geschichte soll fortgeschrieben werden», sagt sie.

Und wie will Nina Hüppi ihre eigene Geschichte fortschreiben? Sie möchte nach Beendigung ihrer Doktorarbeit wieder in die Praxis zurück, vielleicht wieder in die Denkmalpflege. Die praktische Arbeit gefalle ihr. «Und ich bin sehr neugierig – dafür hat man in der Verwaltung mehr Zeit als in der Privatwirtschaft.»