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Fachlichkeit

Sozipedia – Kolumne über Fachbegriffe auf Abwegen

von Martin Biebricher 

Der Begriff der «Fachlichkeit», bemerkt mit Wolfgang Hinte einer der Vordenker:innen der Sozialraumorientierung, werde im Diskurs der Sozialen Arbeit «geradezu inflationsartig definiert» und «leerformelhaft abgehandelt». Hinte trifft einen Punkt: Fachlichkeit meint laut Duden-Wörterbuch so etwas wie die Tatsache, auf einem spezifischen Gebiet ausgebildet zu sein und deshalb dort gut begründete Entscheidungen zu treffen beziehungsweise entsprechend handeln zu können. Sozialarbeitende, so könnte man folgern, verfügen demnach über eine spezifische und möglicherweise alleinige Kompetenz, «das Soziale» zu gestalten.  

Die Soziale Arbeit kennt heute über 70 Handlungsfelder und Adressierungen, die wiederum von einer Vielzahl theoretischer und methodischer Zugänge geprägt sind. Es ist also verständlich, warum Hinte auf den Begriff der Fachlichkeit derart allergisch reagiert: Schreibt man Sozialer Arbeit eine allzuständige Fachlichkeit zu, impliziert das Beliebigkeit – und kann zu einer Art Hybris führen, ohnehin alles besser zu können oder zu wissen als andere Professionen oder gar als die Adressat:innen selbst.  

Wie also umgehen mit dem schwierigen Begriff? «Fach» kann man vom mittelhochdeutschen «vach» respektive dem althochdeutschen «fah» ableiten. Beide Begriffe beschreiben ein Stück beziehungsweise eine Abteilung einer Mauer, die aus etwas Zusammengefügtem, Gebundenem oder Geflochtenem besteht. Der Gedanke an Fachwerkhäuser liegt nahe. Bereits seit der Jungsteinzeit sind sie in Europa bekannt und zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Stabilität, Langlebigkeit und Nachhaltigkeit aus. Über die Jahrhunderte wurde ihr Bau perfektioniert, gestützt auf Erfahrung, Wissen sowie den Austausch über Kulturräume und disziplinäre Grenzen hinweg. Alle Fachwerkhäuser haben eines gemeinsam: Sie bestehen aus «Gefachen», die mit lokalen Materialien wie Flechtwerk, Lehm und Bruchsteinen kunstvoll zu einem Ganzen zusammengefügt wurden – und doch sieht ein Zürcher Riegelhaus anders aus als ein norddeutsches Reethaus.  

Verflechten, zusammenfügen, Stabilität herstellen und gestützt auf eine solide, sich permanent erweiternde Wissensbasis mit dem arbeiten, was die spezifische Situation ausmacht – dieses Bild scheint mir ein sehr tragfähiges Motiv für ein konstruktives, übergreifendes Verständnis von Fachlichkeit Sozialer Arbeit zu sein.