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Outside in anstatt inside out: Wie sich die Perspektive von Unternehmen auf Nachhaltigkeit umkehrt

Damit die Sustainable Development Goals (SDGs) erreicht werden können, müssen Unternehmen umdenken. Herbert Winistörfer spricht in der aktuellen Ausgabe des SML-Magazins COMPETENCE über den dafür notwendigen Wechsel von einer «Inside-Out-Perspektive» zu einer «Outside-In-Perspektive».

Für den Perspektivenwechsel von einem «Inside-Out-Denken» zu einem «Outside-In-Denken» ist eine Operationalisierung der SDGs für den Unternehmenskontext notwendig (Foto: Colourbox)

Politische und zivilgesellschaftliche Akteure erwarten vermehrt von Unternehmen, sich an der Lösung gesellschaftlicher und ökologischer Herausforderungen zu beteiligen. Mit den Sustainable Development Goals (SDGs) existiert seit 2015 ein internationaler Handlungsrahmen, der sowohl soziale als auch wirtschaftliche und ökologische Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert. Um die ambitionierte Nachhaltigkeitsagenda erfolgreich umzusetzen, braucht es auf Ebene der Unternehmen eine neue Perspektive und Herangehensweise im Bereich Nachhaltigkeit.

Inside out: Beitrag zur Bekämpfung globaler Herausforderungen ist gering

Im Wissen um die Bedeutung der Legitimität und der gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer Tätigkeit investieren Unternehmen bereits seit Längerem freiwillig in gesellschaftliche und ökologische Leistungen. Damit diese Leistungen glaubhaft an Anspruchsgruppen kommuniziert und verglichen werden können, müssen sie nachgewiesen und gemessen werden. Diese Leistungsnachweise durch Unternehmen erfolgen überwiegend aus einer Inside-out-Perspektive: mit Blick auf die organisationalen Voraussetzungen und die erbrachten unternehmerischen Leistungen. Lediglich eine sehr geringe Anzahl an Unternehmen setzt ihre veröffentlichten Zahlen zur Nachhaltigkeit in einen grösseren Kontext oder orientiert sich bei der Formulierung ihrer Ziele an äusseren Referenzrahmen.

Für die Darstellung der Nachhaltigkeitsleistung werden in Nachhaltigkeitsberichten am häufigsten absolute Indikatoren ohne Bezug zum Kontext verwendet – beispielsweise die absoluten Treibhausgasemissionen oder der absolute Energiebedarf des Unternehmens. Obwohl nicht kontextuelle oder selbstreferenzielle Berichte von Unternehmen wertvoll sind, indem sie den Blick auf notwendige Verbesserungen richten und die Erwartungen mancher Stakeholder erfüllen, scheitern sie doch in einem wesentlichen Punkt: Sie ermöglichen keine sinnvolle Bewertung der Beiträge, die das Unternehmen zu den grösseren ökologischen oder sozialen Herausforderungen auf regionaler oder globaler Ebene leistet. Das heisst, eine Einschätzung, welchen Beitrag ein Unternehmen in Bezug auf global angestrebte Entwicklungsziele leistet, bleibt aus.

Perspektivenwechsel mithilfe der SDGs

Hier zeichnet sich eine Änderung ab, seit mit den SDGs ein global akzeptierter Rahmen für soziale, wirtschaftliche und ökologische Ziele vorliegt. Dort sind nicht nur die globalen Herausforderungen konkret genannt, sondern auch mit quantifizierten Zielen versehen. Dadurch wird es möglich, die Leistungen einzelner Akteure wie Staaten oder Unternehmen in Bezug zum gesellschaftlich notwendigen Ausmass der Verbesserung zu setzen und aus dieser Perspektive (outside in) zu beurteilen. Dies ist ein wichtiger Schritt, denn nur im Kontext eines solchen Referenzrahmens ist es möglich, die Nachhaltigkeitsleistungen einer Organisation zu beurteilen.

Outside in: Operationalisierung der SDGs für den Unternehmenskontext

Die SDGs werden werden von Unternehmen bereits rege genutzt. Dies hat auch die Studie «Bedeutung und Stellenwert der OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen in der Schweiz», welche 2017 unter der Leitung des Center for Corporate Responsibility durchgeführt wurde, gezeigt.

«Die Studie hat gezeigt, dass Schweizer Unternehmen die SDGs vor allem zur Strukturierung und Darstellung der eigenen Nachhaltigkeitsleistung nutzen.»

Herbert Winistörfer, Center for Corporate Responsibility

Um Unternehmensleistungen auch quantitativ in einem echten Outside-in-Ansatz in Bezug zu den globalen Zielen zu setzen, fehlen aber bis heute weitgehend sowohl konzeptionelle Grundlagen als auch Datengrundlagen. Das heisst, eine Operationalisierung der SDGs für die Anwendung im Unternehmenskontext muss erst noch entwickelt werden. Mit «The Gap Frame» liegt ein erster Ansatz vor, die SDGs, die ja auf globaler Ebene formuliert sind, in relevante Aktionen auf nationaler Ebene zu übertragen und so für relevante Akteure wie Unternehmen nutzbar zu machen. Am weitesten vorangeschritten ist die Entwicklung von kontextbasierten Ansätzen der Nachhaltigkeitszielsetzung und Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Klimawandel (SDG 13). Hier hat die «Science Based Targets»-Initiative wertvolle Pionierarbeit geleistet und methodische Grundlagen erarbeitet, die bereits von vielen Unternehmen angewendet werden.

Nachholbedarf bei der Quantifizierung sozialer Themen

Umweltthemen, die an Stoff- und Energieflüsse gebunden sind, lassen sich tendenziell einfacher quantifizieren als soziale Themen. Entsprechend besteht bei der Operationalisierung und damit Quantifizierung von sozialen Themen grosser Nachholbedarf. An diesem Punkt setzt ein Forschungsprojekt an, das vom Center for Corporate Responsibility im Rahmen des neuen ZHAW-Schwerpunkts «Gesellschaftliche Integration» realisiert wird. Ausgehend von den Vorarbeiten zu SDG 13 und weiteren in der Literatur diskutierten Ansätzen werden Grundlagen für eine Operationalisierung gesellschaftlicher Themen geschaffen. Das Forschungsprojekt zielt auf die Entwicklung geeigneter methodischer Ansätze zur Realisierung einer Outside-in-Perspektive für das SDG 8 «Menschenwürdige Arbeit für alle» ab.

Kontakt

Dr. Ina-Maria Walthert, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Center for Corporate Responsibility, ZHAW School of Management and Law, Telefon: +41 (0)58 934 76 70, E-Mail: ina-maria.walthert@zhaw.ch