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Aufbau des Kompetenzschwerpunkts «Business and Human Rights»

Fünf Fragen an Jörg Schmidt, stellvertretender Leiter des Center for Corporate Responsibility und seit 2017 zuständig für den Aufbau des Kompetenzschwerpunkts «Business and Human Rights» an der ZHAW School of Management and Law.

Mit dem Kompetenzschwerpunkt «Business and Human Rights» deckt die ZHAW School of Management and Law ganz besonders SDG 8: «Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum» ab. (Foto: ZHAW)

Herr Schmidt, was war die Motivation, das Thema Menschenrechte im Zusammenhang mit Wirtschaft an der ZHAW School of Management and Law zu besetzen?

Unternehmen üben einen bedeutenden und vielgestaltigen Einfluss auf Menschen aus. Zunächst einmal schaffen sie Arbeitsplätze und damit Einkommen für die Beschäftigten. Dies kann in der Schweiz, aber auch entlang ihrer globalisierten Wertschöpfungs- und Lieferketten im Ausland geschehen, das heisst etwa in vorgelagerten Produktionsfabriken oder bei der Gewinnung von Rohstoffen. Gerade dort kommen Menschenrechtsthemen wie angemessene Löhne oder Kinderarbeit auf. Bei der Frage von Arbeitsbedingungen sind die Erwartungen der Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten aber sehr klar. Sie
möchten, dass Unternehmen genaue Vorgaben setzen und dafür sorgen, dass diese auch eingehalten werden. Das erleben wir aktuell bei der Diskussion um die Konzernverantwortungsinitiative. Doch welche Instrumente stehen den Firmen dafür zur Verfügung und vor allem: Wie wirksam sind diese für die Menschen vor Ort? Am Center for Corporate Responsibility bieten wir schon seit Jahren Lehrveranstaltungen zu diesen Themen an. Wir haben also sehr viel Wissen zusammengetragen und können auf gute Kontakte zu Firmen und anderen Akteuren zurückgreifen. Ausserdem hat eine von uns durchgeführte Analyse bestehender universitärer und organisationaler Kompetenzzentren ergeben, dass es in der Schweiz keine Akteure gibt, die dieses Thema in erster Linie von der unternehmerisch-strategischen Seite her beleuchten. Es macht also Sinn, den Zusammenhangzwischen Wirtschaft und Menschenrechten aus diesem Blickwinkel an der ZHAW School of Management and Law zu bearbeiten, denn hier können wir dies mit solidem betriebswirtschaftlichem Wissen und ausgewiesener Praxisorientierung verbinden.

«Ziel ist es, das Thema ‹Business and Human Rights› in alle vier Leistungsbereiche der ZHAW School of Management and Law zu integrieren.»

Dr. Jörg Schmidt, Center for Corporate Responsibility

Der Kompetenzschwerpunkt soll sich also ganz besonders mit der sozialen Verantwortung von Unternehmen entlang globaler Wertschöpfungs- und Lieferketten beschäftigen. Stehen dabei bestimmte Branchen der Wirtschaft im Mittelpunkt?

Nicht von vornherein. Alle global tätigen oder vernetzten Unternehmen stehen aufgrund ihrer komplexen Lieferketten vor sozialen Herausforderungen. Allerdings haben sich durch bestehende Kontakte des Center for Corporate Responsibility einige Wirtschaftsbereiche herausgehoben. Dazu gehören etwa die Schokoladen-, die Gold- und die Textilindustrie. Auch deshalb, weil diese Sektoren besondere Bezüge zur Schweiz haben und unser Land international mit ihnen verbunden wird. Schokolade ist ein solches Markenzeichen. Doch Kakao wird in Westafrika zum Teil von Kindern geerntet. Von den Schokoladenfirmen wird erwartet, aktiv dafür zu sorgen, dass sich deren Bedingungen verbessern oder – soweit dies die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen vor Ort erlauben – gar keine Kinderarbeit mehr vorkommt. Zu diesem Thema sind wir seit 2018 in der Arbeitsgruppe «Living Income and Child Labor» der Schweizer Plattform für nachhaltigen Kakao, wo wir uns zusammen mit Unternehmen der Schokoladenindustrie und anderen Stakeholdern engagieren. Ebenso hat die Luxusgüterindustrie, vor allem der Uhren- und Schmucksektor, einen hohen Swissness-Faktor. Was weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass ein Grossteil des weltweit gehandelten Goldes, das auch in dieser Branche verwendet wird, hierzulande verarbeitet wird. Mit dem Center for Corporate Responsibility und dem Kompetenzteam Luxury Management haben wir in der Abteilung International Business zwei Schwerpunkte vereint, die sich mit dem Themenfeld eines verantwortungsvollen Luxusgütersektors auseinandersetzen. Solch eine Kombination von Know-how ist einzigartig in der Schweiz und auch attraktiv für Unternehmen, die etwa Fragen zu Menschenrechtsthemen in ihren Lieferketten bearbeiten möchten.

Woraus sollen die Tätigkeiten des Kompetenzschwerpunkts konkret bestehen?

Ziel ist es, das Thema «Business and Human Rights» solide in alle vier Leistungsbereiche der ZHAW School of Management and Law zu integrieren, das heisst in Lehre, Weiterbildung, angewandte Forschung und Entwicklung sowie Beratung. In den beiden Studiengängen der Abteilung International Business führen wir als Center for Corporate Responsibility seit Langem jeweils ein Modul durch, das sich explizit mit dem Thema Wirtschaft und Menschenrechte beschäftigt. Von Beginn an arbeiten wir dort mit Gastdozierenden aus der Praxis zusammen, die den Studierenden etwa die Sichtweise einer NGO oder eines multinational tätigen Unternehmens auf die Thematik vermitteln. Daneben haben wir aber auch Forschungsprojekte realisiert. Etwa 2017 eine Studie zur Bedeutung und zum Stellenwert der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen in der Schweiz im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) und der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) oder in 2019 eine Wirkungsbetrachtung des Sozialstandards amfori BSCI bei Lieferanten der Migros in China. Bei der angewandten Forschung geht es nicht um die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Grundlagen, etwa ethischen oder gesellschaftlichen Aspekten von Unternehmensverantwortung, sondern um die Bearbeitung von Fragen, die sich in der Praxis ergeben. Um solche Projekte erfolgreich initiieren und durchführen zu können, braucht es Dialog und Kooperation mit relevanten Akteuren, die die Diskussion um Wirtschaft und Menschenrechte in der Schweiz und weltweit mitgestalten. Unser Netzwerk aus Forschungseinrichtungen, aber eben auch Unternehmen, internationalen Organisationen (z. B. International Labour Organisation ILO), Wirtschaftsinitiativen oder NGOs haben wir im letzten Jahr erweitert bzw. gefestigt. So haben wir im Rahmen der erwähnten Wirkungsbetrachtung die Verbindungen zum Unternehmensverband amfori mit weltweit über 2000 Mitgliedern ausgebaut.

«Gerade als Fachhochschule können wir an der Schnittstelle zwischen Forschung und Anwendung Wissenstransfer und ‹Übersetzungsarbeit zwischen den Akteuren leisten, auch durch Beratungsaufträge und Schulungen. Hier unterstützen wir unsere Netzwerkpartner in ihren Aktivitäten und finden mit ihnen zusammen Lösungen, wenn es um strategische Fragestellungen etwa im Rahmen von Sorgfaltsprüfungen für Menschenrechte geht.»

Dr. Jörg Schmidt, Center for Corporate Responsibility

Wie können die Studierenden der ZHAW School of Management and Law von diesen Aktivitäten profitieren?

Durch unsere Netzwerke und die Tätigkeiten in der Forschung ergeben sich viele Synergien für eine exzellente Lehre und Weiterbildung an der ZHAW School of Management and Law. Unsere Studierenden finden Fragen einer werteorientierten, verantwortungsvollen Unternehmensführung wichtiger denn je und sie sehen die Herausforderungen, denen sich moderne Unternehmen beim Klimawandel, aber auch bei Fragen von Arbeitsbedingungen und Menschenrechten aktiv stellen müssen. Die öffentliche Diskussion ist für viele Anlass, auch über die Rolle nachzudenken, die sie selbst als zukünftige Managerinnen und Manager spielen werden. Das zeigt sich auch bei den Diskussionen im Unterricht. Von uns als ZHAW School of Management and Law erwarten sie, dass wir diese Themen praxisnah aufgreifen und lösungsorientiert vermitteln. Fachliche Grundlagen und methodische Ansätze – etwa die Durchführung von vorgelagerten Risikoabschätzungen von Unternehmensaktivitäten auf mögliche Verbindungen zu Menschenrechtsverletzungen – sind hochaktuelle Themen. Doch natürlich geht es auch um die Frage, wie die strategische Einbindung von Unternehmensverantwortung und ein glaubwürdiges Nachhaltigkeitsmanagement ökonomische Erfolgsfaktoren sein können. Junge und engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer können daraus Ideen für eigene Firmen schöpfen, die in einem Umfeld kritischer Erwartungen Lösungen auf den Markt bringen und wirtschaftlich erfolgreich umsetzen. Eine Hochschule, die sich bei solch wichtigen Themen auch kritischen Gedanken nicht verweigert und offen für neue Wege ist, wird dadurch die Verbindung zu ihren Absolventinnen und Absolventen und das Gemeinschaftsgefühl unter den Mitarbeitenden steigern können. Wenn wir also Gastvorträge aus unserem Netzwerk in unsere Lehrmodule einbringen, dann wird erlebbar, dass Menschenrechte nicht nur ein abstraktes Thema sind, sondern von Unternehmen strategisch wirklich mitgedacht werden.

«Wir möchten unsere Studierenden durch ‹Business Projects mit Firmen, die Menschenrechtsthemen bearbeiten, in Kontakt bringen bzw. im Rahmen von Bachelor- und Masterarbeiten stärker in grössere Forschungsprojekte integrieren.»

Dr. Jörg Schmidt, Center for Corporate Responsibility

Welchen Beitrag leistet aus Ihrer Sicht der Kompetenzschwerpunkt zur Erreichung der SDGs?

Als Mitglied der UN-Initiative PRME ist die ZHAW School of Management and Law aufgefordert, aktiver zu sein, als das vielleicht andere Business Schools sind, gerade wenn es um das Erreichen der SDGs geht. Mit dem Kompetenzschwerpunkt «Business and Human Rights» decken wir ganz besonders das Ziel 8 «Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum» ab. Gerade an diesem Ziel zeigt sich die enge Verknüpfung zwischen wirtschaftlicher und sozialer Nachhaltigkeit, die wir mit unseren Aktivitäten aufzeigen und unterstützen wollen.

Kontakt

Dr. Jörg Schmidt, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Leiter, Center for Corporate Responsibility, ZHAW School of Management and Law