Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

Patientenorientierung

Wir sind umgezogen!

Sie finden diesen Beitrag neu unter https://www.leanhealth.ch/transformation/what/

Florian Liberatore, Christophe Vetterli (V01)

Einleitung

Eines der vier zentralen Leitprinzipien des Lean-Vision lautet Patientenorientierung. Nach diesem Leitprinzip bekommt die Patientin/der Patient eine Rolle als Kunde im Spital zugesprochen, die auf allen Ebenen sowie in allen Prozessen und Strukturen konsequent berücksichtigt werden muss. Die Future-Hospital-Commission von Grossbritannien (2013) sagt, dass das Patientenerlebnis ebenso wichtig ist wie die Qualität der medizinischen Versorgung. Patientenzufriedenheit ist dabei eine wichtige Zielgrösse, um den Grad der Patientenorientierung, sprich das Patientenerlebnis, in einer Organisation quantifizieren zu können. Eine hohe Patientenzufriedenheit dient als Indikator, um festzustellen, ob das Spital die Präferenzen und Erwartungen der Patientinnen und Patienten erfüllt und das Patientenerlebnis sich sichtbar verbessert (Pawils et al., 2012). Entsprechend steht bei einer Lean-Transformation eines Spitals die Ausrichtung aller Leistungen am Patienten im zentralen Fokus, mit dem Ziel, die Patientenorientierung zu erhöhen.

Leitfragen für die Praxis

Detailbeschreibung des Konzepts

Patientenorientierung als Leitprinzip betrifft nicht nur alle Aktivitäten, an denen die  Patientinnen und Patienten unmittelbar beteiligt sind, sondern betrifft auch mittelbare Prozesse sowie weitergehende Support-Prozesse. Beispielsweise können nur motivierte und zufriedene Mitarbeitende ein hohes Niveau an Patientenorientierung im Spital gewährleisten. Daher müssen nach der Lean-Philosophie auch gleichzeitig die Systemleistung sowie das Flussprinzip im Spital gesteigert werden, um die Weichen für eine hohe Patientenorientierung zu stellen.

Eine stärkere Patientenorientierung, abbildbar durch Indikatoren wie die Patientenzufriedenheit, erhöht nach Donabedian (1966) die Qualität der Leistungserbringung auf allen drei Qualitätsdimensionen. Die Ergebnisqualität und damit die Patientensicherheit werden durch eine stärkere Fokussierung auf individuelle Behandlungsanforderungen der Patientinnen und Patienten gestärkt. Die Prozessqualität steigt, sobald Prozesse optimiert und an der Patientin/dem Patienten ausgerichtet werden (Graban, 2012). Die Strukturqualität steigt aufgrund der höheren Qualifikation der Mitarbeitenden und der Umstrukturierung von Räumen und Ausstattungsgegenständen im Spital.

Patientenorientierung hat aber auch dort ihre Grenzen, an denen wirtschaftliche Aspekte die weitere Erfüllung von Erwartungen und Präferenzen nicht mehr rechtfertigen (Pawils et al., 2012). Nach der Lean-Vision geht es auch bei der Patientenorientierung darum, Patientinnen und Patienten eine optimale Leistung, definiert als Verhältnis aus Nutzen und Kosten, zu erbringen.  

Häufig besteht die Auffassung, dass Patientenorientierung immer bedeutet, die Patientinnen und Patienten möglichst viel im Sinne einer stärkeren Patientenintegration bei der Leistungserbringung zu beteiligen. An dieser Stelle muss jedoch deutlich gemacht werden, dass die Entscheidung über eine stärkere Einbindung bzw. eine stärkere Entlastung der Patientinnen und Patienten von Aufgaben und Entscheidungen eine differenzierte Betrachtung notwendig macht (Future-Hospital-Commission, 2013). Das Patientenerlebnis ist sehr individuell und trotzdem gibt es Patientensegmente, die vergleichbare Erwartungen und Präferenzen innerhalb eines Segments haben. Das Spital sollte Patientensegmente identifizieren und, daran ausgerichtet, die Leistungserbringung differenziert ausgestalten.

Praxisempfehlungen

Verschiedene Tools der Lean-Vision können zum Einsatz kommen, um die Patientenorientierung zu steigern.

Mittels Patientenerlebnisketten können der Weg der Patientin/des Patienten durch einzelne Prozesse und Abteilungen eines Spitals erfasst werden sowie die subjektiv empfundenen „Erlebnisse“ während eines Spitalaufenthaltes dokumentiert werden. Darauf aufbauend können neue Ablaufstrukturen entwickelt werden, welche die Patientenorientierung weiter verbessern. Die Patientenerlebniskette identifiziert idealerweise nicht nur den Einflussbereich des Spitals, sondern erfasst alle Erlebnisse aus Sicht der Patientinnen und  Patienten (Walker et. al., 2013). Dies hilft abzuschätzen, inwiefern ein Spital zusätzliche oder weniger Erlebnispunkte adressieren möchte

Als Beobachtungstechniken eignen sich Gemba(-Walks), bei denen Patientinnen und Patienten bei ihrem Weg durch den Behandlungsprozess begleitet werden.

Patientenbefragungen eignen sich am besten, um Gefühle, Bewertungen und Verhaltensintentionen der Patientinnen und Patienten während der Leistungserstellung zu erfassen.

Zudem helfen Simulationszonen bei der Erfassung von Patientenbedürfnissen oder dem Adressieren dieser Bedürfnisse durch das Hervorbringen von (Prozess-) Innovationen. Die Simulationszone ist dabei ein vom Alltagsbetrieb gesonderter Bereich, ein Raum für freies Denken und Arbeiten.

Mittels Service-Blueprints können Aktivitäten im Leistungserstellungsprozess danach systematisiert werden, ob sie im Hintergrund ablaufen oder die Patientin/der Patient bei der Aktivität beteiligt bzw. anwesend ist.

Mitarbeitende können durch Workshops mit Rollenspielen sowie durch die Beteiligung an Trainings in Simulationszonen für eine verbesserte Patientenorientierung sensibilisiert werden (Walker, 2015).

Die unterschiedlichen Werkzeuge können ebenfalls kombiniert werden. Ziel ist es, ein möglichst holistisches Bild von den Patientinnen und Patienten und ihren Erlebnissen zu gewinnen, um die Patientenorientierung gesamtheitlich zu verbessern.

Abhängigkeiten

Patientenorientierung ist eng verknüpft mit den anderen Leitprinzipien der Lean-Vision. Nur im Wechselspiel mit den Leitprinzipien Systemleistung, Flussprinzip sowie kontinuierliche Verbesserung (Kaizen) kann die optimale Leistung für die Patientinnen und Patienten erbracht werden. Sie zielen unmittelbar oder mittelbar darauf ab, für die Patientinnen und  Patienten letztlich einen positiven Nutzenbeitrag zu kreieren, der zu einer höheren Patientenorientierung führt.

Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:

Liberatore, F. & Vetterli, C. (2016). Patientenorientierung. In A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK – Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge, Version 1.0. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch

Literatur

Donabedian, A. (1966). Evaluating the quality of medical care. The Milbank memorial fund quarterly, 166-206.

Future Hospital Commission (2013). Future hospital: caring for medical patients. A report from the future of hospital Commission to the Royal College of Physicians. London: Royal College of Physicians.

Graban, M. (2012). Lean Hospitals - Improving Quality, Patient Safety, and Employee Satisfaction. 2. Auflage. New York: Productivity Press.

Pawils, S., Trojan, A., Nickel, S. & Bleich, C. (2012). Kunden- beziehungsweise Patientenzufriedenheit. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 55(9), 1183-1190.

Walker, D. & Betz, P. (2013). Jetzt kommt der Patient – Das Notfall-Flusskonzept. Zürich. walkerproject ag,

Walker, D. (Hrsg.) (2015). Lean Hospital: Das Krankenhaus der Zukunft. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft.