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Koordinierte Forschung für die Neuro-Disziplinen

Wir sind umgezogen!

Sie finden diesen Beitrag neu unter https://www.leanhealth.ch/praxis/fallstudien/

Anna Scrowther, Sylvie Nuc (V01)

Ausgangslage

Land: Schweiz

Spital: Kantonsspital Aarau

Spitalbereich: Forschung & Neuro-Disziplinen – Klinik für Neurologie, Klinik für Neurochirurgie, Abteilung für Neuroradiologie

Problemstellung

Die Auflagen an Zentrumspitäler steigen stetig. Insbesondere, wenn der hochspezialisierte Medizin-Status (HSM) in Disziplinen sowie die Zertifizierung als Ausbildungsstätten A angestrebt wird. Dies stellt hohe Anforderungen an die Rahmenbedingung in den jeweiligen Kliniken und Bereichen.

Ein entscheidender Faktor ist die gezielte Förderung sowie die Möglichkeit der wissenschaftlichen Tätigkeit in den jeweiligen Einheiten.

Die Neurodisziplinen Neurochirurgie, Neuroradiologie und Neurologie des Kantonsspitals Aarau (KSA) sind ausserordentlich forschungsgetriebene Fächer. Die Erforschung neuer Behandlungsmethoden und das Einfliessen aktueller Forschungsergebnisse in den klinischen Alltag sind von eminenter Bedeutung. Die hohe Aktivität in diesem Bereich am KSA ist auch mit ausschlaggebend, dass sowohl die Neurologie als auch die Neurochirurgie zusammen mit der Neuroradiologie über einen Leistungsauftrag in der HSM verfügen und als Weiterbildungsstätte der Kategorie A anerkannt sind. Die forcierte klinische Forschung kommt aber nicht zuletzt auch den Patientinnen und Patienten zugute.

Forschung ist jedoch ressourcenintensiv. Die meisten in der Forschung aktiven Ärztinnen und Ärzte am KSA sind 100% klinisch tätig, d.h. die Forschungstätigkeit verlangt ausserordentliches Engagement und zusätzliche Aufwände. Dabei ist insbesondere der administrative Aufwand – von der Projekteinreichung, Planung, Organisation, Finanzierung, Auswertung bis zur Publikation – hoch. Mit Inkrafttreten des neuen Humanforschungsgesetzes 2014 sind die regulatorischen Auflagen und Kontrollen für Forschungsprojekte noch strenger geworden. Dies und die Tatsache, dass die Neurodisziplinen ab 2016 in einem gemeinsamen Neurozentrum-Gebäude noch enger zusammenrücken, hat 2014 zur gemeinsamen Gründung des «Neuro Research Office» (NRO) geführt.

Projektbeschreibung

Projektjahr: 2014 - 2017

Projektdauer: 36 Monate

Vorbereitung:

Das Projekt zum Aufbau des Neuro Research Office wurde im Kontext des bevorstehenden Umzugs in das KSA Neurozentrum gestartet. Federführend war dabei die im Rahmen des Neurozentrum-Betriebskonzepts tätige Koordinatorin der Neurodisziplinen. Die Chefärzte der Neurofächer unterstützten das Projekt als Steuerungsausschuss und wurden regelmässig über zentrale Schritte und Entwicklungen informiert.

Eine Starthilfe wurde dem NRO über den KSA-Fonds für wissenschaftliche Tätigkeit und Weiterbildung gewährt. Langfristig soll sich das NRO über die für die laufenden Projekte gewährten Forschungsgelder (z.B. Nationalfonds oder Pharmafirmen) finanzieren, d.h. dessen Tätigkeit ist fremdfinanziert.

Das Hauptziel des Projektes war der erfolgreiche Aufbau des Neuro Research Office. Folgendes Ziel verfolgt das Research Office im Detail: Es schafft

(1) optimale Rahmenbedingungen für die

(2) erfolgreiche wissenschaftliche Tätigkeit der Partner im Neurozentrum.

Projektziele orientieren sich an den fünf Lean-Grundprinzipien:

Die kurz- und langfristig durch das NRO verfolgten Ziele lassen sich entsprechend der fünf Grundprinzipien von Lean ausführen:

1) Eliminierung von Verschwendung (Muda)

Die Projektführenden sollen sich hauptsächlich auf die wertschöpfenden Tätigkeiten der Patientenbetreuung und das Forschen konzentrieren können. Das NRO kümmert sich um das Administrative, Organisatorische, Regulatorische, die Finanzen etc.- und übernimmt die Koordination bis hin zu den Vorbereitungen zur Publikation.

Gleichzeitig gewährleistet die Zentralisierung der Studienkoordination, durch die Bündelung von Expertenwissen, eine effizientere und kosteneffektivere Projektgestaltung und -initiation.

2) Einheitliche Arbeitsweise (Standardisierung)

Die Definition von klaren Richtlinien in Bezug auf die Durchführung von Forschungsvorhaben wird heute vom Gesetzgeber und von den Geldgebern in der Forschung verlangt. Gleichzeitig ermöglicht die Definition von Standard Operating Procedures eine Qualitätsgarantie und trägt zu einer professionellen und klar strukturierten Arbeitsumgebung bei. Vor allem in einem Gebiet wie der Neuro-Forschung, wo die Konzeption und die Inhalte der Projekte sehr stark variieren, hilft die Standardisierung von wiederkehrenden Abläufen und schafft Kapazität für die variablen Aspekte.

3) Qualität und kontinuierliche Verbesserung (Kaizen)

Zentrales Ziel für das Projekt zum Aufbau des NRO ist die Gewährleistung von höchster Qualität im Bereich der Studiendurchführung und -koordination. Diese Qualität soll den international und national geltenden Bestimmungen entsprechen, aber auch dem „Kunden“ die optimale Unterstützung bieten. Durch eine interne Qualitätsmanagement-Systematik, die fortlaufende fundierte Aus- und Fortbildung der Mitarbeitenden sowie ein Engagement in nationalen Netzwerken wird gewährleistet, dass die Qualitätsstandards hoch sind. Gleichzeitig werden Abläufe und Tools immer wieder auch mit den „Forscher-Kunden“ oder Support-Stellen evaluiert, um laufend Anpassungen bezüglich der Tauglichkeit für den Klinik-Alltag vornehmen zu können.

4) Ausgeglichene Belastung (Nivellierung)

Studienkoordination wird in vielen Kliniken jeweils pro Projekt von einer einzelnen Study Nurse betreut. Während in der Phase der aktiven Studiendurchführung oft die Kapazitätsgrenzen erreicht oder überschritten werden, stellen sich kurz vor Studienende meist die Fragen, wie und ob die Stelle zukünftig weiter finanziert werden kann. Mithilfe des Poolings dieser Stellen für alle Neuro-Disziplinen in einem Team kann dies verhindert werden. Die Mitarbeitenden betreuen diverse Projekte aus allen Fachrichtungen. Die Auslastung kann auf einem gleichmässigen Level gehalten werden.

5) Fliessende Prozesse (Flusskonzept)

Die Mitarbeitenden des NRO sind immer in verschiedenen Projekten engagiert, welche sich in unterschiedlichen Umsetzungsstadien befinden und auch unterschiedlich arbeitsintensiv sind. Für jedes Projekt besteht einerseits eine Stellvertreter-Regelung, andererseits sind für komplexe und prioritäre Projekte die wichtigsten Informationen in einem „1-2-3“ (einer Working Instruction) festgehalten. Entsteht zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Bewilligungsverfahren eine Wartezeit, wird diese für die Arbeit an anderen Projekten genutzt. Steht ein nächster Schritt an, kann dieser zeitnah erledigt werden. Entweder werden andere weniger prioritäre Aufgaben zurückgestellt oder aber die anfallende Arbeit wird von der Stellvertretung übernommen.

Umsetzung:

Aufbau der Infrastruktur und des Teams

Wichtigster erster Schritt im Projekt war der Aufbau eines fachlich versierten Kernteams. Damit konnte eine fundierte Bestandsaufnahme der Ist-Situation und -Abläufe durchgeführt werden. Dabei galt es vor allem zu priorisieren, welche Handlungsfelder auch im Hinblick auf die regulatorischen Vorgaben zuerst zu überarbeiten waren.

Einerseits wurden in dieser Projektphase bestehende Forschungsvorhaben und deren Abläufe überarbeitet und wenn nötig angepasst, andererseits wurden ausgehend von den praktischen Beispielen erste allgemeingültige Standards implementiert.

Neben der engen Zusammenarbeit mit aktiven Forschungstätigen im Rahmen der Studienkoordination war von Beginn an auch eine intensive Pflege der Schnittstellen zu Supportbereichen und anderen Forschungseinheiten innerhalb des KSA wichtig.

Entwicklung der Tools und Hilfsmittel

Die Entwicklung und die Betreuung von optimalen Tools und Hilfsmitteln für die Durchführung von Forschungsprojekten hatte während des ganzen Projektes oberste Priorität. Dazu gehörte die Entwicklung eines Leistungsverrechnungssystems, welches eine transparente Erfassung der NRO-Leistungen pro Forschungsprojekt erlaubt. Ausserdem wurden entsprechend der Bedürfnisse der Neuro-Disziplinen Kommunikationsgefässe, Vorlagen-Dokumente für die verschiedenen Projektphasen, aber auch Controlling- und Monitoring-Tools entwickelt. Zentraler Anspruch war und bleibt die Reduktion von nicht-wertschöpfenden bzw. verschwenderischen Tätigkeiten auf ein Minimum.

Daraus entstanden auch Initiativen für das gesamte KSA. Unter anderem organisiert und koordiniert das NRO im Auftrag des Forschungsrates des KSA die sogenannten Good-Clinical-Practice-Kurse für das gesamte KSA. Die GCP-Kurse vermitteln Basiswissen zu den ethischen, gesetzlichen und operativen Rahmenbedingungen eines Forschungsprojektes.

Ausserdem hat das NRO zusammen mit anderen Forschungsgruppen der Institution den KSA Research Lunch in die Welt gerufen, dieser soll die intensive Vernetzung der Forschungsgruppen und Forschungsaktivitäten fördern und eine Plattform für den Austausch bieten.

Resultat

Nach einer ersten sehr intensiven Phase der Ist-Erfassung und Implementierung von neuen Abläufen konnte bereits ab dem zweiten Projektjahr eine Etablierung des NRO als Instanz und Partner für klinische Forschung festgestellt werden. Forschungstätige Mitarbeitende haben jetzt eine interne Anlaufstelle und einen Partner für die Durchführung ihrer Projekte. Dies wird auch von den Sponsoren der Projekte (zum Beispiel Pharma-Firmen) sehr geschätzt und kann bei der Akquisition von Grant-Geldern helfen.

Projekte können durch professionelle Betreuung in der Regel schneller und ressourcensparend umgesetzt werden. Durch die Übernahme der Administration und Koordination ermöglicht das NRO nicht nur, dass sich die forschungstätige Ärzteschaft auf die Verrichtung von wertschöpfenden Tätigkeiten konzentrieren können, sondern gewährleistet gleichzeitig eine Steigerung der Projektqualität gemäss den gesetzlichen Vorgaben.

Erfolgsfaktoren und Hindernisse

Entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung des Projekts war das Team. Der Aufbau des NRO ist mit der Gründung eines Start-ups innerhalb des Spitals zu vergleichen. Dies verlangte von den Mitarbeitenden höchste Flexibilität und zeitweise auch eine hohe Sozialkompetenz. Denn neue Abläufe mussten geschickt und möglichst reibungslos implementiert werden – zum Teil rund um bestehende Abläufe im klinischen Betrieb.

Eine weitere grosse Herausforderung stellte die Tatsache dar, dass das Neuro Research Office im einem hoch regulierten Feld der klinischen Forschung tätig ist. Das Ziel, die Abläufe zu vereinfachen, musste zu jeder Zeit mit dem Ziel, qualitativ und regulatorische einwandfreie Projekte durchzuführen, abgeglichen werden.

Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren ist die enge Verknüpfung mit den Kliniken und Abteilungen. Dadurch werden Kommunikationswege kürzer und die Bürokratie kann auf einem Minimum gehalten werden. Durch die Einbindung in die Kliniken kennen die NRO-Mitarbeitenden die klinikeigenen Abläufe relativ genau und können so die Machbarkeit sowie mögliche Hürden eines Projektes sehr exakt abschätzen und den „Forscher-Kunden“ optimal beraten.

Bitte zitieren Sie diese Quelle wie folgt:

Scrowther, A. & Nuc, S. (2016). Koordinierte Forschung Neuro-Disziplinen. In A. Angerer (Hrsg.), LHT-BOK – Lean Healthcare Transformation Body of Knowledge, Version 1.0. Winterthur. Abgerufen von www.leanhealth.ch

Literatur

Angerer, A. (2015). Die Lean-Philosophie in der Praxis. In: D. Walker (Hrsg.): Lean Hospital. Das Krankenhaus der Zukunft. S. 59-63. Berlin: MWV Medizinisch Wissenschaftliche  Verlagsgesellschaft.