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Etablierung von Rechtsstaatlichkeit ist für Nachkriegsukraine zentral

Wie der wirtschaftliche Wiederaufbau nach Kriegsende in der Ukraine gelingen könnte, zeigt eine Studie der ZHAW und dem CASE Ukraine. Der wichtigste Reformbereich bildet die Etablierung einer funktionierenden Rechtsstaatlichkeit.

In der Ukraine herrscht seit 14 Monaten Krieg. Gleichzeitig wird intensiv an der Zukunft des Landes nach dem Krieg gearbeitet. Laut der Studie «Economic priorities in post-war Ukraine» ist das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine eines der grössten Versäumnisse. Die Nachkriegsukraine sollte daher gemäss den Studienautor:innen von der ZHAW School of Management and Law und dem CASE Ukraine (Center for Social and Economic Search) prioritär eine funktionierende rechtsstaatliche Ordnung aufbauen. Diese umfasst die Reform des Justizwesens, die Stärkung von Eigentumsrechten sowie das Fortführen der bisher erfolgreichen Dezentralisierung. «Unter all den wirtschaftlichen Reformen wird die Etablierung von Rechtsstaatlichkeit der Schlüssel zum Erfolg sein», sagt Christopher Hartwell, Leiter des International Management Institute der ZHAW. «30 Jahre nach der Unabhängigkeit wurde nicht die Qualität der Justiz- und Strafverfolgungsbehörden erreicht, welche Polen, die Slowakei oder die baltischen Staaten bereits Anfang der 1990er-Jahre zu Beginn ihrer Marktreformen hatten.»

Von Kriegswirtschaft zur Marktwirtschaft

Während des Übergangs von einer Kriegswirtschaft hin zu einer Marktwirtschaft sollten laut Studie zudem nahezu alle Aspekte der Interaktion mit der Regierung vereinfacht werden. Dazu gehört beispielsweise im Steuerwesen die Verlagerung der Beweislast vom Steuerpflichtigen auf die Steuerbehörde. Zudem sollten Lizenzen und Bewilligungen überall dort gestrichen werden, wo diese nicht unbedingt notwendig sind, und die Dezentralisierungsreformen müssen weiter vorangetrieben werden. Dies wird nicht nur die Kontinuität ausländischer Wiederaufbauhilfe fördern, sondern auch die für wirtschaftliches Wachstum notwendigen Investitionen vereinfachen. Solche Massnahmen werden der Ukraine ferner dabei helfen den Weg der europäischen Integration fortzusetzen, selbst wenn der Beitritt zur Europäischen Union ein längerfristiges Ziel bleiben sollte. «Das Überleben der Ukraine als unabhängiger Staat wird massgeblich davon abhängen, ob es gelingt diese mutigen politischen Reformen umzusetzen. Es wird erheblichen politischen Willen brauchen, um dies zu erreichen», erläutert Hartwell.

Europäische Integration als Katalysator

Der Status eines offiziellen EU-Mitgliedskandidaten im Juni 2022 geht auf langjährige Integrationsbemühungen zurück, die 1994 begannen und 2014 mit dem Assoziierungsabkommen einen ersten Höhepunkt erreicht hatten. Wichtige Reformen für die Modernisierung des Landes wurden dadurch vorwärtsgetrieben: Es wurden klare Vorgaben gemacht, um die Dezentralisierung, die Reform der öffentlichen Verwaltung oder die Justizreform umzusetzen. Die grössten Erfolge der Ukraine seit 2014 sind im Handelsbereich des Abkommens erzielt worden, beispielsweise Zollsenkungen und die Beseitigung nichttarifärer Handelshemmnisse für ukrainische Exporte in die EU. Wie vollständig die Ukraine den Aktionsplan 2014 bis 2024 aus dem Assoziierungsabkommen Ende 2022 umgesetzt hatte, wird zwischen 49 bis 66 Prozent geschätzt. Dennoch konnte die Ukraine den EU-Kandidatenstatus erreichen. Für mögliche Beitrittsverhandlungen verbleiben jedoch einige Reformbaustellen.

Eingefrorene Reformbemühungen

Seit 2014 wurde in der Ukraine viel erreicht. Laut Studie sollten «eingefrorene» Entwicklungen wieder aufgenommen werden. Die Schaffung von Rechtsstaatlichkeit, die anhaltende Schwäche der öffentlichen Verwaltung und die dominante Rolle des Staates – und die dadurch ermöglichte politische Einmischung – sind nach wie vor die zentralsten Probleme. Dies bedeutet, dass einige der von der Ukraine während dieses Annäherungsprozesses an die EU eingegangenen Verpflichtungen erst noch erfüllt werden müssen. Hierzu zählen komplexe politische und ordnungspolitische Entscheidungen wie eine Anti-Oligarchen-Gesetzgebung, die Umsetzung der Antimonopolvorschriften, oder verbesserter Zugang zu Finanzmitteln für den Wiederaufbau.

Umsetzung erfordert Entschlossenheit

Das Team rund um die Studie «Economic priorities in post-war Ukraine» ist sich einig, dass die Umsetzung dieser Wirtschaftsreformen herausfordernd sein werden. Insbesondere bei der Korruptionsbekämpfung gibt es grosse Widerstände. Es sei deshalb erforderlich, einen starken Reformwillen zu zeigen. «Die umfangreichen Ermittlungen zur Korruptionsbekämpfung während des Krieges und die damit verbundenen Entlassungen im Januar 2023 könnten ein positives Signal sein, dass der notwendige Wandel für eine stabile Zukunft der Ukraine möglich ist», so Hartwell abschliessend.

Kontakt

  • Prof. Dr. Christopher Hartwell, Leiter International Management Institute, ZHAW School of Management and Law, Telefon 058 934 60 72, E-Mail christopher.hartwell@zhaw.ch
  • Valerie Hosp, Kommunikation, ZHAW School of Management and Law, Telefon 058 934 40 68, E-Mail valerie.hosp@zhaw.ch