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SML-Forschung zum Bekanntheitsgrad und Stellenwert der OECD-Leitsätze bei Schweizer Unternehmen

Ein interdisziplinäres Forschungsteam unter der Leitung des Center for Corporate Responsibility untersuchte im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) sowie der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) den Bekanntheitsgrad und die Relevanz der OECD-Leitsätze bei Schweizer Unternehmen im Vergleich zu anderen CSR-Standards.

Hintergrund

Um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen und Erwartungen von Anspruchsgruppen hinsichtlich einer nachhaltigen Unternehmensführung zu erfüllen, beziehen sich Unternehmen häufig auf international akzeptierte und legitimierte Corporate Responsibility (CSR)-Standards. Diese weisen verschiedene Arten von Verbindlichkeit auf und werden von Unternehmen für unterschiedliche Zwecke genutzt: von einer unverbindlichen Anleitung (z. B. ISO 26000 Leitfaden zur gesellschaftlichen Verantwortung) bis zum zertifizierbaren Standard mit Auditierung durch externe Dritte (z. B. ISO 14001 Umweltmanagementsysteme). Unter diesen Standards nehmen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen eine besondere Stellung ein. Durch die Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten, einen nationalen Kontaktpunkt (NKP) und ein entsprechendes Beschwerdeverfahren einzurichten, verfügen die Leitsätze über eine hoheitliche Komponente, die in dieser Art einzigartig ist.

Um den Stellenwert der OECD-Leitsätze und des NKP in der Schweiz zu ermitteln, haben das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) sowie die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ziel es ist, den Bekanntheitsgrad und die Relevanz der OECD-Leitsätze bei Schweizer Unternehmen im Vergleich zu anderen CSR-Standards aufzuzeigen. Zugleich sollen Informationen über den Bedarf an Unterstützung für Unternehmen bei der Umsetzung der OECD-Leitsätze erhoben werden.

Methodisches Vorgehen: quantitative Analyse und qualitative Interviews

Um diese Ziele zu erreichen, wählte das Forschungsteam einen Multimethoden-Ansatz, der aus drei Arbeitsschritten bestand.

Schritt 1: Berichtsanalyse

Hierbei wurde die Berichterstattung der 500 umsatzstärksten Schweizer Unternehmen («Top-500») sowie zehn international tätiger KMU in Bezug auf die Anwendung internationaler Standards zur verantwortungsvollen Unternehmensführung, darunter die OECD-Leitsätze, analysiert.

Schritt 2: Befragung

Zudem erfolgte eine Online-Befragung multinationaler Unternehmen (MNU) mit Hauptsitz in der Schweiz über die Bekanntheit und Relevanz der OECD-Leitsätze im Vergleich zu anderen Standards zur verantwortungsvollen Unternehmensführung. Als Vergleichsstandards wurden der UN Global Compact (UNGC), die Standards der Global Reporting Initiative (GRI), UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte (UNGP), die Sustainable Development Goals (SDG) sowie der Leitfaden für gesellschaftliche Verantwortung ISO 26000 gewählt. Sie alle haben internationale Ausstrahlung, decken verschiedene CSR-Themen ab und dienen Unternehmen als Orientierung für ihre eigenen Aktivitäten.

Schritt 3: Fokusgruppengespräche

Um die Ergebnisse adäquat interpretieren und diese mit persönlichen Erfahrungen von Managerinnen und Managern aus unterschiedlichen Unternehmen verknüpfen zu können, wurden im Anschluss an die Befragung Fokusgruppeninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern von ausgewählten Unternehmen durchgeführt.

Bekanntheitsgrad der OECD-Leitsätze im Vergleich zu anderen CSR-Standards

Während für die Gruppe der Top-500-Unternehmen zuverlässige Aussagen über die Verbreitung der CSR-Standards getroffen werden können, sind die Ergebnisse der Befragung davon beeinflusst, dass tendenziell Unternehmen mit eher hoher Affinität zu CSR teilgenommen haben. Die Befragung liefert aber interessante Ergebnisse über die relative Bedeutung der CSR-Standards, der bearbeiteten CSR-Themen und der eingesetzten Managementelemente. Von den an der Befragung teilnehmenden Unternehmen geben 63% (Grossunternehmen: 74%, KMU: 33%) an die OECD-Leitsätze zu kennen, 21% (Grossunternehmen: 26%, KMU: 7%) wenden die Leitsätze aktiv an. Mit Ausnahme von ISO 26000 (bezüglich aktiver Anwendung) weisen alle abgefragten Vergleichsstandards eine höhere Verbreitung auf, sowohl was die Bekanntheit betrifft als auch die aktive Anwendung.

Ein zuverlässigeres Bild über die absolute Verbreitung der Standards bei Schweizer Grossunternehmen ergibt sich aus der Analyse der Berichterstattung der 500 umsatzstärksten Unternehmen. Wenn davon ausgegangen wird, dass Grossunternehmen CSR-Standards, die sie in ihrer Berichterstattung erwähnen, auch aktiv anwenden, ergibt sich für die OECD-Leitsätze ein Anwendungsgrad von 2%. Vergleichbare CSR-Standards werden bis zu zehn Mal häufiger aktiv genutzt: GRI nutzen 21% der Unternehmen aktiv, den UNGC 12%, die SDG 10%, die UNGP 5% und ISO 26000 wird von 2% der Unternehmen aktiv angewendet.

Die Unterschiede in den Ergebnissen zwischen Befragung und Berichtsanalyse sind darauf zurückzuführen, dass an der Befragung mutmasslich Unternehmen teilgenommen haben, die sensitiv für CSR-Themen sind oder aktiv CSR betreiben. Dies trifft bei den Unternehmen aus der Top-500-Liste auf circa ein Drittel der Unternehmen zu (wenn davon ausgegangen wird, dass grosse Unternehmen, die CSR aktiv betreiben, über eine öffentliche Nachhaltigkeitsberichterstattung verfügen). Die relative Bekanntheit der CSR-Standards, sowohl bei KMU als auch bei Grossunternehmen, ist jedoch in beiden Samples ähnlich. Auch in der Befragung haben GRI, SDG und UNGC die relativ grösste Bedeutung, ISO 26000, die OECD-Leitsätze und die UNGP die geringste. Als Gründe für die geringere Bedeutung der OECD-Leitsätze im Vergleich zu anderen CSR-Standards werden fehlende Promotionsaktivitäten seitens der beteiligten Institutionen, ein wenig spezifisches Nutzenangebot und die Nähe zu staatlichen Institutionen diskutiert.

Kenntnisstand bei Unternehmen über den Nationalen Kontaktpunkt

Die Kenntnis über die Existenz der OECD-Leitsätze und deren Besonderheiten im Vergleich zu anderen Standards ist unter Grossunternehmen deutlich verbreiteter als unter KMU. Auffallend ist, dass eine Lücke zwischen jenen besteht, die um die Existenz der Leitsätze wissen (68%) und jenen mit Detailkenntnissen über die Besonderheiten der Leitsätze. 60% der Unternehmen ist bekannt, dass die Anwendung der OECD-Leitsätze durch die Regierung empfohlen wird, 39% wissen, dass branchenspezifische Leitsätze verfügbar sind, 33% wissen um die Existenz des NKP, 32% wissen um die Möglichkeit der Meldung von Verstössen beim NKP und das dadurch ausgelöste Verfahren. 23% kennen die Marketingaktivitäten des NKP für die OECD-Leitsätze.

Verbreitung von Managementansätzen für verschiedene CSR-Themen

Obwohl nur 21% der befragten Unternehmen (Grossunternehmen: 26%, KMU: 7%) die OECD-Leitsätze aktiv anwenden, bearbeiten mindestens 46% der in der Befragung vertretenen Unternehmen (Grossunternehmen: mindestens 53%, KMU: mindestens 20%) die in den Leitsätzen behandelten CSR-Themen (z. B. Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Umweltschutz) aktiv. Die Themen Arbeitsbedingungen und Umweltschutz werden sogar von 93% der befragten Unternehmen aktiv bearbeitet. Wenn CSR-Themen aktiv bearbeitet werden, kommen dabei alle Elemente eines systematischen Managementansatzes zum Einsatz. Dabei nennen, je nach CSR-Thema, 32% bis 41% der befragten Unternehmen konkrete Umsetzungsaktivitäten. In geringerem Ausmass werden zu den jeweiligen Themen Strategien und Ziele formuliert (15% - 27%) und andere Akteure eingebunden (24% - 31%). Etwas weniger häufig erfolgt eine Erfolgskontrolle (10% - 14%).

Nutzung internationaler CSR-Standards

Werden CSR-Standards angewendet, so dienen sie am häufigsten als Inspirationsquelle, als Mittel zum Bekenntnis zu CSR-Prinzipien oder als Anleitung für konkrete Umsetzungsschritte. Wichtig scheint die unterschiedliche Bedeutung und Anwendungsart von Standards je nach Reifegrad von CSR im Unternehmen. Die eher allgemein gehaltenen, themenübergreifenden Standards (z. B. UNGC) sind in einer frühen Phase als Orientierung wichtig, verlieren aber mit zunehmender Reife ihre Bedeutung. Die konkreteren, themenspezifischeren Standards (z. B. ISO 14001) werden wichtig, sobald ein Unternehmen einen systematischen CSR-Ansatz entwickelt. Als wichtiger Zusatznutzen wird von Unternehmen der Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmen betrachtet, die den gleichen Standard anwenden.

Empfehlungen für eine stärkere Verbreitung der OECD-Leitsätze

Basierend auf den Ergebnissen wird im Hinblick auf eine stärkere Verbreitung guter CSR-Praktiken in Schweizer Unternehmen empfohlen, sowohl die Bekanntheit der OECD-Leitsätze zu erhöhen als auch das Nutzenangebot der OECD-Leitsätze für anwendende Unternehmen stärker herauszuarbeiten, die wahrgenommene Distanz der OECD-Leitsätze zur Unternehmenswelt zu überbrücken sowie die Kohärenz der OECD-Leitsätze mit alternativen CSR-Standards aufzuzeigen und Verbreitung von CSR-Aktivitäten unabhängig von der Nutzung von Standards zu fördern. Schliesslich wird empfohlen, den Stand der CSR-Praxis von Schweizer Unternehmen mit einer Längsschnitt-Studie zu verfolgen.

Download

Der Schlussbericht des Projekts kann auf der Website des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO)(PDF 2,7 MB) abgerufen werden.

Kontakt

Herbert Winistörfer, Leiter Center for Corporate Responsibility, ZHAW School of Management and Law, Telefon: +41 (0)58 934 76 75, E-Mail: herbert.winistoerfer@zhaw.ch