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Neuer Ansatz für weniger Lebensmittelverluste in der Lebensmittelverarbeitung

Die diesjährige ZHAW-Lebensmitteltagung vom 1. September 2021 widmete sich dem Thema «Circular Economy in der Lebensmittelverarbeitung». Ein Drittel der produzierten Lebensmittel wird heute weggeworfen. Einen Lösungsansatz gegen diese Verschwendung bietet die Kreislaufwirtschaft in der Lebensmittelindustrie. Neuartige Technologien ermöglichen beispielsweise die gezielte Haltbarmachung oder die massgeschneiderte Verbesserung von Lebensmitteln aus Nebenproduktströmen. Die Tagung gab einen Einblick in die aktuelle Entwicklung.

Die hohe Lebensmittelverschwendung beginnt bereits beim Saatgut, das durch suboptimale Lagerung und Frass oder Schimmel verloren geht und endet beim Wegwerfen in unseren Haushalten und in der Gastronomie. Nur: Mit welchen Massnahmen lassen sich Lebensmittel möglichst in ihrer Gesamtheit verwenden? Dieser Frage gingen nationale und internationale Fachleute an der Wädenswiler Lebensmitteltagung der ZHAW nach.

Circular Economy in der Lebensmittelverarbeitung bedeutet, den Anteil an ungenutzten Rohmaterialien zu reduzieren, Nebenprodukte und Lebensmittelabfälle aufzuwerten und in die Lebensmittelkette zurückzuführen sowie unverkaufte Lebensmittel und deren Inhaltsstoffe zu verwerten. In der Umsetzung sind alle Stufen der Verarbeitungs- und Distributionskette von Bedeutung. Lösungen tun Not, wie ZHAW-Experte Claudio Beretta aufzeigte, denn ein Drittel des globalen Energieverbrauches geht auf das Konto der Lebensmittelherstellung, davon landet wiederum ein Drittel im Abfall. Diese 1.3 Milliarden Tonnen an Lebensmittelabfall entsprechen in etwa einem 30 Meter hohen Berg auf der Fläche der ganzen Schweiz und verursachen 3 Giga-Tonnen CO2-Emissionen, was den Emissionen von Russland und Brasilien zusammen entspricht.

Reduktion von Food Waste und unnötigen CO2-Emissionen

Ein Ansatz zur Verkleinerung des ökologischen Fussabdrucks ist die Reduktion des Wasserverbrauchs und die Entwicklung von Infrastruktur, die zum Beispiel weniger wetterabhängig ist. So berichtete Philipp Bosshard vom ETH-Spinoff Yasai über erste grossräumige Tests, um  Vertical Farming dank gestapelter Bauweise auf ein neues Niveau zu bringen. Die grossen Vorteile sind der viel geringere Platzbedarf und die auf Kleinstmengen reduzierten Pflanzenschutzmittel.

Eine weitere Möglichkeit, die CO2-Emissionen zu senken, ist, Nahrung mit weniger Ressourcen-Aufwand aufzubereiten. So betonte Béatrice Conde-Petit von der Ostschweizer Firma Bühler AG, dass der verschwenderische Umgang mit Wasser auf den Menschen zurückwirke. Prozesse in der Lebensmitteltechnologie, die die extensive Wassernutzung und -verunreinigung auf ein Minimum reduzieren und die existierende Biodiversität würdigen, haben bei Bühler deshalb klar erste Priorität.

Insektenprotein nicht in jedem Fall besser

Ein weiterer, bereits bekannter Ansatz in der Lebensmittelkreislaufwirtschaft ist der Proteinersatz durch Insektenprotein für die tierische und menschliche Ernährung. Moritz Gold von der ETH Zürich veranschaulichte, dass diese Option nicht zwingend nachhaltiger und umweltgerechter sein muss, sondern im Detail zu betrachten ist und insbesondere vom Insektenfutter abhängt.

Auf den Umgang mit Ressourcen und den digitalen Handel mit industriellen Nebenströmen spezialisierten sich Linda Grieder und ihr Team von der RethinkResource GmbH. Die Firma ermöglicht mit dem Aufbau einer Datenbank mit Nebenstrom-Produkten und der Vernetzung von Anbietern sowie dem Handel der Produkte über eine Plattform eine bislang nicht gekannte Transparenz. Plötzlich existieren Rohmaterialien, die bislang den Markt nicht interessierten. Zudem ist die Regionalität von Produkten und Abnehmern eine wichtige Facette.

Die konkrete, erfolgreiche Umsetzung eines Nebenproduktstromes zeigte Anian Schreiber vom Start-up KOA mit der Kakaopulpe, dem Fruchtfleisch aus der Kakaofrucht, das bisher in der Kakaoverarbeitung kaum genutzt wurde. Unter dem Markennamen KOA lancierte das Unternehmen einen Saft und ein Pulverkonzentrat aus der Pulpe – eine Innovation in Ghanas Kakaoverarbeitung, die dank des grossen Potenzials Strahlkraft über den gesamten Schokoladensektor erreichen könnte. Davon profitieren die involvierten Kakao-Bauern durch höhere Einkünfteund und die Verwertung zusätzlicher Produkte.

Grosses Potenzial zur Verringerung von Lebensmittelverlusten

Die ZHAW-Tagung zeigte das enorme Potenzial in der Lebensmittelverarbeitung, Lebensmittelverluste zu reduzieren und damit den CO2-Ausstoss stark zu senken. So können neuartige Technologien oder massgeschneiderte Verbesserungen sensorischer Eigenschaften von Lebensmitteln aus Nebenproduktströmen Produkte länger haltbar machen.

Über prozesstechnische Innovationen für eine ressourcenschonende Produktion berichtete Stefan Töpfl von der Hochschule Osnabrück, Technologieberater am Deutschen Institut für Lebensmitteltechnik. Er zeigte, welche Haltbarkeits-Wirkung mit der Weiterentwicklung von Lebensmittelverpackungen erzielt werden kann, mit welchen Kniffen sich die Behandlung von Lebensmitteln minimieren lässt und dass in den Prozessen der Ersatz von thermischer Energie durch neue Formen des Energieeintrages wie Hochdruckverfahren oder Ohmic Heating zu beträchtlichen Reduktionen der Stromkosten führen kann.

Die Entflechtung der Komplexität von Lieferketten erforscht Emma Cavalli von der Haelixa Ltd., indem sie sich der DNA-Technologie bedient. So entwickelte die Firma eine digitale Möglichkeit, Produkte zurückzuverfolgen. Dabei werden die für das Produkt notwendigen Informationen, die bisher in Form von Labels oder Zertifikaten auf Papier mitgeliefert werden mussten, durch einen DNA-Marker ersetzt. Dieser wird mit dem parallel entwickelten Decodierer ausgelesen, sodass beispielsweise klar erkennbar ist, wieviel Prozent Vanilleschoten aus Madagaskar von welcher Plantage stammen. Haelixa unterstützt damit den Weg von der Masse in die Qualität, der in der Kreislaufwirtschaft einen wichtigen Faktor bildet.

Nicolás Meneses berichtete aus seiner Arbeit beim Netzwerk MassChallenges, mit einer weiteren Herausforderung der Kreislaufwirtschaft, dem Zusammenbringen von kleinen Unternehmen oder Startups mit Abnehmern. MassChallenge übernimmt dabei die Vermittlerrolle und berät die Startups während ihrer Geschäftsidee-Entwicklung.

Einblick in die aktuelle Forschung

Einblick in die aktuelle Forschung boten die jungen ZHAW-Forschenden Luca Stäheli, Catarina Soares Braga und Susanna Miescher vom Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation mit drei Berichten zur Entwicklung von neuartigen, bioabbaubaren Verpackungsverfahren, zum Abbau von Mykotoxinen in Weizen zu nicht-toxischen Komponenten und zur Nutzung von Kaffeenebenproduktströmen als Zucker- und Mehlersatz in Keksen.

Die ZHAW-Lebensmitteltagung zeigte: All diese Vorkehrungen sind nötige Schritte hin zu einer optimierten Nutzung der wertvollen Rohstoffe in der Lebensmittelindustrie. Um die 1.3 Milliarden Tonnen Lebensmittelverluste zu vermeiden und die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können, ist die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Lebensmittel-Wertschöpfungskette unumgänglich.

Die nächste Wädenswiler Lebensmitteltagung der ZHAW findet am Donnerstag, 24. November 2022 statt.

Downloads (Fotos © ZHAW/Tevy)

Fachkontakt

  • Prof. Dr. Nadina Müller, Leitung Forschungsgruppe Lebensmitteltechnologie, ZHAW/Wädenswil, 058 934 50 85. nadina.mueller@zhaw.ch

Medienkontakt

  • Cornelia Sidler, Media Relations Departement Life Sciences und Facility Management, ZHAW/Wädenswil, 058 934 53 66. cornelia.sidler@zhaw.ch