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«Alle Ströme sind Hauptströme»

Nussschalen taugen auch als Getränkerohstoff, der Erfolg des Onlinehandels macht Coop ein bitzeli Bauchweh und ein sicherheitspolitischer Alleingang käme die Schweiz teuer zu stehen: Am Kongress der Schweizer Getränkebranche war der thematische Bogen weit gefächert.

«Alle Ströme sind Hauptströme»: Mit dieser Devise forscht Tilo Hühn, Leiter des Zentrums für Lebensmittelkomposition und -prozessdesign an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) daran, wie sich aus scheinbaren Abfällen der Nahrungsmittelindustrie Getränke und Lebensmittel herstellen lassen. Am Getränkekongress der Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Getränkebranche (ASG) in Interlaken stellte Hühn spannende Beispiele solcher «regenerativer Lebensmittelherstellung» aus seiner Forschungspraxis vor.

Bei der Haselnuss zum Beispiel werden bislang nur die Kerne verwendet, die Schale hingegen – immerhin 50 Prozent der ganzen Nuss – werden weggeworfen. «Dabei ist die Schale mehr als nur Holz», sagte Hühn. Sie enthalte «ganz spannende Polyphenole» und Mehrfachzucker (Polysaccharide), die für Menschen mit Diabetes günstig seinen. Fein vermahlen und mit vier Teilen Wasser versetzt, ergibt sich daraus zum Beispiel ein Nussdrink. Ganze Nüsse können auch helfen, den Zuckergehalt in Brotaufstrichen zu reduzieren. Wenn man statt der Kerne die ganze Nuss vermahle, bekomme man «fürs selbe Geld» die doppelte Masse und brauche entsprechend weniger Zucker als Füllstoff.

Spannend ist auch die zelluläre Landwirtschaft. Erst vor Kurzem wurde an der ZHAW die erste Guacamole aus im Labor gezüchteten Avocadozellen verkostet. «Avocados brauchen viel Wasser, sie fliegen – und laut Prognosen wird sich unser Avocadokonsum bis Ende des Jahrzehnts verdoppeln.» Avocados im Bioreaktor zu produzieren, könne deshalb helfen, die Umweltauswirkung zu minimieren. Knackpunkt sind die Kulturmedien, in denen zum Beispiel Avocado- oder Kakaozellen heranwachsen. «Die müssen günstiger werden», sagte Hühn. Zusammen mit der Agrargenossenschaft Fenaco forscht die ZHAW daran, ob und wie Schweizer Landwirte aus heimischen Rohstoffen solche Pflanzenzellkulturmedien herstellen könnten.

Welchen Marktanteil werden Lebensmittel aus Zellkulturen in zehn Jahren haben?, wollte SRF-Moderator Urs Gredig, der durch den Anlass führte, von Hühn wissen. «Schwer zu sagen», antwortete Hühn. Technisch sei es möglich, wenn die Zulassung komme, werde es in fünf Jahren sicher erste Produkte aus Pflanzenzellkulturen geben. «Aber die Verbraucherakzeptanz vermag ich nicht einzuschätzen.»

Redaktioneller Beitrag zusammen mit weiteren spannenden Einblicke von Doris Leuthard, alt Bundesrätin und Vizepräsidentin des Coop-Verwaltungsrat und Brigadier Meinrad Keller, Kommandant der Logistikbrigade 1 am diesjährigen Kongress der Schweizer Getränkebranche 5/23 im Foodaktuell Beitrag