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Wädenswiler Weintage: Trinken wir bald Weine aus Skandinavien?

Das rekordwarme Jahr 2018 gab einen Vorgeschmack, was uns mit dem Klimawandel möglicherweise im Weinbau erwartet: Zum Beispiel Merlot und Cabernet Sauvignon aus Weinbergen nördlich des Rheins oder neue Rebbaugebiete in Skandinavien. Dies zeigten eindrücklich die diesjährigen Wädenswiler Weintage der ZHAW am 10. und 11. Januar 2019. Die Schwerpunkte bildeten nebst der Klimaerwärmung die Themen Nachhaltigkeits-Label und die neuen pilzwiderstandsfähigen Rebsorten wie etwa Prior und Cabernet Jura.

2018 war ein Jahr der Rekorde, sowohl bezüglich der Temperaturen wie auch der Niederschläge. Dies zeigt sich zum Beispiel am Zürichsee: Der Rebberg der ZHAW auf der Halbinsel Au verzeichnete einen nie dagewesenen Wärmeindex. Der sogenannte Huglin-Index stieg auf 2212 und lag somit um 450 höher als in den fünf Jahren zuvor, wie der ZHAW-Weinbauexperte Peter Schumacher ausführte . Dieser hohe Wert ist vergleichbar mit den durchschnittlichen Werten im Wallis und im Tessin. Im Weinbau werden die Temperaturverhältnisse während der Vegetationszeit mit dem Huglin-Index angegeben. Dieser erfasst die Temperaturen über der Schwelle von 10 Grad und summiert diese von April bis September zu einem Wärmeindex.

Frühere Ernte und höherer Zuckergehalt

Im Eingangsreferat am ersten Konferenztag stellte Manfred Stoll von der deutschen Hochschule Geisenheim das Ausnahmejahr 2018 in langjährige Beobachtungsreihen des Erntezeitpunkts, die im Burgund bis 1370 und beim Schloss Johannisberg im deutschen Rheingau bis 1780 zurückreichen. Dabei zeigt sich klar die Veränderung seit Mitte der 90er Jahre: Der Erntezeitpunkt ist heute 2 bis 3 Wochen früher. Die Zuckerwerte sind im Rheingau um zehn Oechsle-Grade höher als in den 80er Jahren. Durch die höheren Temperaturen verdunsten die Reben mehr Wasser, daher muss in Zukunft vermehrt mit Trockenstress gerechnet werden. Mit der Sortenwahl kann langfristig auf die Erwärmung reagiert werden. Dabei kommen Sorten aus dem Süden wie Merlot, Syrah aber auch Cabernet Sauvignon in Zukunft durchaus auch an diesen Standorten in Frage. Die klimatischen Grenzen (Isothermen) wandern nach Norden. Dänemark und Südschweden werden allmählich zu Weinbauregionen.

Stoll erläuterte anhand verschiedener Experimente die Auswirkung von höheren Temperaturen auf die Traubeninhaltsstoffe. In einem Versuch wurde die Wirkung der Rebzeilenausrichtung auf das Mikroklima der Traubenzone untersucht. Weine der drei Verfahren Nord-Süd, Nordost-Südwest und Ost-West konnten über Mittag degustiert werden. Eine einfache Umfrage zeigte, dass die Variante Nordost-Südwest am besten beurteilt wurde. Allerdings ist dieses Verfahren unter Deutschschweizer Verhältnissen nicht einfach umzusetzen.

Nachhaltigkeit und CO2-Rechner im Weinbau

Als Einstieg in das Schwerpunktthema Nachhaltigkeit präsentierte Urs Podzorski, Fachexperte Weinbau des Kantons Aargau, seinen CO2-Rechner für den Weinbau, den er in seiner Masterarbeit an der ZHAW erarbeitet hat. Die wichtigsten Massnahmen zur Optimierung der eigenen Ökobilanz sind: Möglichst leichte Weinflaschen wählen und die Durchfahrten im Rebberg und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Das sind stichhaltige Argumente für den Anbau von pilzwiderstandsfähigen Sorten (Piwi-Sorten), dem Schwerpunktthema des zweiten Tages der Wädenswiler Weintage.

Am Vormittag wurden Vinifikationsvarianten der Piwi-Sorten Souvignier gris, Prior und Cabernet Jura vorgestellt. Dabei zeigte sich, dass Piwis in der önologischen Forschung stark untervertreten sind. Der Grund dafür könnte nicht nur das relativ junge Alter der «neuen» Sorten aus den 80er Jahren sein, gegenüber dem Blauburgunder, der seit mehr als 1000 Jahren angebaut werde, sondern das mangelnde Interesse der traditionellen Önologie-Forschung, mutmasste der Referent Benedikt Grein vom Weinbauinstitut Freiburg im Breisgau. Eine der wenigen aktuellen Forschungsarbeiten zur Weinbereitung von Piwi-Sorten stammt zum Beispiel aus Dänemark, ein bis jetzt nicht sehr bekanntes Land für die Weinproduktion.

Verschiedene Winzer stellten anschliessend in einer Degustation ihre Piwi-Weine kurz vor. Es handelte sich vor allem um prämierte Weine, wie zum Beispiel «Der Weisse» 2017, eine Assemblage mit Cabernet Blanc, Sauvignac, Muscaris und Sauvignon Soyhières vom Ostschweizer Weingut Lienhard & Vögeli.

Piwi-Weine ziehen besonders bei Umweltbewussten, Jüngeren und bei Frauen

Die letzten Referate beleuchteten die Vermarktung der «neuen Sorten», wie Piwi-Sorten auch bezeichnet werden, aus verschiedenen Blickwinkeln. Lucas Nesselhof von der deutschen Hochschule Heilbronn präsentierte eine Marktforschungs-Studie, die im Rahmen des Forschungsprojekts «novisys» erstellt wurde. Mittels einer Conjoint-Analyse wurde untersucht, was den Konsumentinnen und Konsumenten beim Kauf eines Weins wichtig ist. Mit weitem Abstand das stärkste Argument ist der Preis, dann folgen die Bekanntheit der Rebsorte und ein reduzierter Spritzmitteleinsatz. Es wurde auch der Einfluss von zusätzlichen Informationen über das Produkt (zum Beispiel geringerer Einsatz von Pflanzenschutzmitteln) auf die Kaufwahrscheinlichkeit untersucht. Dieser Einfluss war stärker bei Umweltbewussten, Jüngeren und bei Frauen. Daraus ergibt sich die Schlussfolgerung, dass dies das Zielpublikum für die Vermarktung von Piwi-Sorten sein könnte. In seinem Fazit betonte der Referent, dass ein erfolgreiches Weinkonzept zunächst den Genuss ansprechen muss. Es geht um Geschmack und Lebensgefühl. Nachhaltigkeit ist ein Zusatznutzen, insbesondere bei Jüngeren. Rebsorte und Anbau sind für die Konsumentinnen und Konsumenten hingegen nur ein Randthema.

Die «neuen Sorten» aus Sicht eines Weinjournalisten

Thomas Vaterlaus, Chefredaktor von Vinum machte den Abschluss der Tagung und stelle die Bedeutung der Piwi-Sorten aus der Sicht des Weinjournalisten in zwölf kurzen und prägnanten Aussagen dar. Eine Auswahl:

  • Weine aus resistenten Reben haben heute das gleiche Qualitätspotenzial wie Gewächse aus klassischen Sorten.
  • Politischer Druck aufgrund der Umweltbelastung durch den Anbau klassischer Sorten in Verbindung mit ökonomischen Überlegungen werden den resistenten Sorten mittel- und langfristig zum Durchbruch verhelfen.
  • Ob sich Geniesserinnen und Geniesser aus der Generation «Baby-Boomer» und der mittleren «Generation X» auf die neuen Sorten einlassen werden ist fraglich. Die «Generation Instagram» wird diesbezüglich hingegen kaum mehr Berührungsängste haben.
  • «Interspezifisch, pilzwiderstandsfähig, resistent – Solaris, Regent, Divico» – das Wording in der Szene ist ein Fiasko.
  • der Wegfall von synthetischen Pflanzenschutzmitteln ist in der Kommunikation zur Vermarktung der Weine kein Muss.

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Fachkontakt Medien

Peter Schumacher, Leiter Forschungsgruppe Weinbau, Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, ZHAW, Wädenswil. 058 934 59 09, peter.schumacher@zhaw.ch

Medienstelle ZHAW, Wädenswil

Cornelia Sidler, Media Relations ZHAW-Departement Life Sciences und Facility Management, Wädenswil. 058 934 53 66, cornelia.sidler@zhaw.ch