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ALUMNI-Porträt: Die Frau für alle Fälle

Eigentlich wollte Nicole Piot Ernährungsberaterin werden. Doch dann machte sie Karriere als Facility Managerin. Der Beruf ist mit seiner Vielseitigkeit wie geschaffen für sie.

Nach einem Auslandsaufenthalt erklomm Nicole Piot die Karriereleiter Stufe um Stufe bis in die Geschäftsleitung als Chief Commercial Officer (CCO).

ZHAW-Impact Nr. 36 vom März 2017

Eine junge Frau ergreift per Zufall einen Beruf in einer Männerdomäne, macht dort scheinbar mühelos Karriere, wird Mutter und arbeitet sich im Teilzeitpensum in die Geschäftsleitung eines Grossunternehmens hoch: Das ist nicht die Kurzversion eines modernen Märchens, sondern der Stoff für eine wahre Geschichte aus Corporate Switzerland. Sie dreht sich um Nicole Piot, beim Facility-Management-Unternehmen Apleona HSG als Chief Commercial Officer (CCO) und Mitglied der Geschäftsleitung verantwortlich für Verkauf, Marketing und die Dienstleistungseinheit Infrastrukturelle Services mit insgesamt 200 Mitarbeitenden. 

Keine Angst vor dem Scheitern

Sie habe für ihre Laufbahn nie kämpfen müssen, sagt die 39-Jährige von sich. Was aber nicht ausschliesst, dass sie eine Kämpfernatur ist. Vieles deutet darauf hin. Zum Beispiel das Engagement, das sie beim Thema Gleichstellung an den Tag legt. «Mir liegt es am Herzen, junge Kolleginnen zu ermutigen, dass sie sich mehr zutrauen», sagt Nicole Piot mit Nachdruck. Frauen würden sich zu häufig hinterfragen, hätten zu viele Zweifel. «Es ist falsch, etwas nicht zu probieren, nur weil man eventuell scheitern könnte.» Diese Devise war ihr Antrieb, von Anfang an. 

«Die Professionalisierung hat nicht nur das Berufsbild, sondern die ganze Branche geprägt.»

Nicole Piot

Nicole Piot gehörte Ende der 90er Jahre zu den ersten Absolventinnen des Bachelorstudiengangs Facility Management der ZHAW in Wädenswil. Facility Manager kümmern sich um den Betrieb von grossen Immobilien und Anlagen wie Shoppingcenter, Fabrikhallen oder Bürohochhäuser – eine Aufgabe, für die ein breites Fachwissen, betriebswirtschaftliches Know-how und Sozialkompetenz gefordert sind. «Was mir an der Ausbildung und im Job bis heute gefällt, ist die unglaubliche Breite der Themen», sagt Piot. Zu ihren vorrangigen Aufgaben gehört es, die zahlreichen Einzeldisziplinen, die es für die Bewirtschaftung eines Gebäudes braucht, zusammenzuführen. Mehrere Jahre lang kümmerte sich Nicole Piot um den reibungslosen Betrieb der Liegenschaften von IBM Schweiz. Von Zürich-Altstetten aus leitete sie ein über die ganze Schweiz verteiltes 50-köpfiges Team, das aus Spezialisten verschiedenster Fachgebiete bestand – von Technikern über Handwerker, Rezeptionistinnen und Reinigungsleute bis zu Gebäudemanagern. Der Austausch mit Kunden- und Nutzervertretern oder Lieferanten gehörte ebenso zu den Aufgaben. Um für jede Gruppe die richtige Sprache zu finden, braucht es neben Know-how vor allem auch Empathie und Kommunikationstalent. Nicole Piot beschreibt die Herausforderung so: «Es fällt mir leicht, aber ich finde es nicht immer leicht.» 

Wie alles begann

Leicht sieht von aussen auch ihr beruflicher Aufstieg aus. Nach der Matura wandte sie sich mit dem Berufswunsch Ernährungsberaterin an die Berufsberatung. Zufällig befanden sich in der Dokumentation auch Informationen über die Ausbildung zur Hauswirtschaftlichen Betriebsleiterin, einer Vorläuferin des heutigen Studiengangs Facility Management. Das war damals eine reine Kaderausbildung für Frauen, die dann in der Regel in Spitälern und Heimen die Leitung von Wäscherei, Reinigung und Verpflegung übernahmen. 

Engagement fürs FM-Image

Nicole Piot reizte der umfassendere Ansatz der Ausbildung. Deshalb entschloss sie sich für das Zentrum für Kaderausbildung in Zürich, eine höhere Fachschule, die später in der ZHAW in Wädenswil aufging. Ist das Facility Management heute eine Männerdomäne, waren es anfangs ausschliesslich Frauen, die die Ausbildung abschlossen. Entsprechend bescheiden war damals das Image des Berufs. Die eigentliche Professionalisierung des Facility Managements setzte erst ein, als das Metier aus dem Dunstkreis der Hauswirtschaft heraustrat und in der Folge auch mehr Männer anzog. Bei der Aufwertung des Berufsbilds spielte die ZHAW eine entscheidende Rolle. Auch der schweizerische Berufsverband fmpro, in dessen Vorstand sich Piot engagiert, trägt zur Entwicklung bei: «Die Professionalisierung hat nicht nur das Berufsbild, sondern die ganze Branche geprägt.» Wie wichtig der Beitrag der ZHAW für die Ausbildung der Facility Manager ist, zeige sich auch im Vergleich zur Westschweiz, wo es keine vergleichbaren Studiengänge gebe und die Professionalisierung geringer ausgeprägt sei. Aber nicht nur in der Westschweiz, im ganzen Land haben Facility Manager gemäss Piot «ausgezeichnete Job- und Karrierechancen».

Den Einstieg ins Berufsleben fand Piot beim Gastronomieunternehmen Candrian Catering, wo sie für die Hauswirtschaft – Reinigung, Wäscheversorgung und Dekoration – zuständig war und 20 Leute führte.

Nach einem Auslandsjahr erklomm sie beim Serviceunternehmen Bilfinger HSG Facility Management Stufe um Stufe bis in die Geschäftsleitung des Unternehmens, welches nach der Übernahme durch den schwedischen Finanzinvestor EQT kürzlich in Apleona HSG umbenannt worden ist. Derzeit beschäftigt Apleona in über 30 europäischen Ländern rund 21'000 Mitarbeitende. 

Familie und Beruf vereinen

Seit sie Mutter geworden ist, nimmt Nicole Piot ihre Aufgabe in einem 90-Prozent-Pensum wahr. Auch einer ihrer Kollegen in der vierköpfigen Geschäftsleitung hat das Pensum wegen der Vaterschaft auf 80 Prozent reduziert. Das zeigt, was im Topmanagement möglich ist. Nicole Piot findet es «erschreckend, wie gering die Bereitschaft in der ansonsten innovativen Schweizer Wirtschaft ist, neue Arbeitsmodelle überhaupt in Erwägung zu ziehen».

Für sie, die ihre Kinder nicht fünf Tage pro Woche in die Krippe geben möchte, geht die Rechnung in der Kinderbetreuung auch auf, weil ihr Mann das Arbeitspensum auf 60 Prozent reduziert hat. «Es ist eine Frage des Willens und der Organisation», ist Piot überzeugt. Im Frühsommer erwartet sie ihr zweites Kind und zieht sich dann fünf Monate lang in den Mutterschaftsurlaub zurück, um im sechsten Monat sukzessive wieder ins Berufsleben einzusteigen. Genau so regelte sie es nach der Geburt des ersten Kindes. «Wir machen die Welt selber, in der wir leben», sagt sie, und es klingt einfacher, als es wirklich ist.

Autorin: Corinne Amacher