Eingabe löschen

Kopfbereich

Schnellnavigation

Hauptnavigation

Unzertrennlich. Über den Tod und das Leben

Länger miteinander verheiratet zu sein als Marilyn und Irvin D. Yalom es waren, ist fast unmöglich: Fünfundsechzig Jahre lang waren sie ein Ehepaar, als Marilyn im Jahr 2019 ihrer schweren Krankheit erlag.

Bei ihrer ersten Begegnung waren sie fünfzehn Jahre alt, schon bald verliebten sie sich, und seitdem waren sie unzertrennlich. Beide schlugen eine akademische Karriere ein. Marilyn Yalom erwarb ihren Doktor der Vergleichenden Literaturwissenschaften in Französisch und Deutsch, wurde eine renommierte Wissenschaftlerin und veröffentlichte zahlreiche Sachbücher, u.a. «Das Herz: Eine besondere Geschichte der Liebe» oder «Die Unschuld der Opfer: Kindheit im Zweiten Weltkrieg». Sie zählt zu den Pionierinnen im Bereich der Gender Studies. In diesem Kontext ist auch ihr Buch «Zur Zeugenschaft verpflichtet: Wie Frauen die Französische Revolution erinnern» zu verstehen.

Irvin D. Yalom studierte Medizin und absolvierte eine psychiatrische Facharztausbildung, die ihn zu einem einflussreichen Psychoanalytiker und einem der bedeutendsten lebenden Vertreter der existentiellen Psychotherapie – nicht nur in den USA – werden liess. Das Ehepaar hat vier Kinder und einige Enkelkinder.

Gemeinschaftswerk und Trauer

Marilyns Erkrankung an Krebs stellte für das Leben der ganzen Familie einen tief einschneidenden Schmerz dar. Da beide Eheleute ihr Leben lang Bücher veröffentlicht hatten, ist Marilyns Wunsch, ihre Erkrankung und die schwierigen Tage und Monate, die vor ihnen lagen, in einem Buch zu dokumentieren, gut nachvollziehbar. Und zwar in einem gemeinsamen Buch, in dem sich die beiden mit je eigenen Kapiteln abwechseln.

Entstanden sind berührende Reflexionen über ihr zurückliegendes Leben als Ehepaar, Eltern, Wissenschaftler und Wissenschaftlerin, aber auch über Marilyns Erkrankung, ihre Therapien, die zunehmenden Schmerzen, die Verzweiflung angesichts des nahenden Todes, den sie schliesslich als assistierten Suizid selbst herbeiführte.

Danach erlebt sich Irvin zum ersten Mal in seinem langen Leben als alleinstehender Erwachsener, der durch alle Phasen einer tiefen Trauer hindurchgehen muss. Ständig hat er das Bedürfnis, seiner Frau zu erzählen, was er gerade erlebt hat, gerät in einen Zustand der Unwirklichkeit, ja Taubheit, bei dem ihm seine vier Kinder nur bedingt Erleichterung verschaffen können. Irgendwann wächst in ihm das Bedürfnis, seine früheren Bücher wiederzulesen. Diese erneute Lektüre stärkt sein In-der-Welt-Sein und hilft ihm, sich wieder dem Leben zuzuwenden.

«Unzertrennlich» spricht nicht nur ältere Menschen an, sondern könnte auch jüngeren Generationen wichtige Erkenntnisse für ein gutes, gelingendes Leben ermöglichen.

Irvin D. Yalom und Marilyn Yalom
Unzertrennlich: über den Tod und das Leben
München: btb, 2021, 313 S.

Das Buch in ZHAW swisscovery

Zur Rezensentin

Dagmar Schifferli war während vieler Jahre Dozentin für Gerontologie und Sozialpädagogik. Seit 1996 veröffentlicht sie Romane (u.a. Wegen Wersai, Anna Pestalozzi-Schulthess, Wiborada) sowie Fachartikel in Sachbüchern. Ausserdem unterhält sie eine Kolumne im Grosseltern-Magazin.