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Qualitätsindikatoren für Spitex fallen bei Pflegefachleuten durch

Häusliche Pflege nimmt in der Schweiz eine immer wichtigere Rolle ein. Trotz gesetzlicher Vorgaben mangelt es jedoch bislang an schweizweit einheitlichen und aussagekräftigen Qualitätsindikatoren, wie eine ZHAW-Studie zeigt.

Eine alternde Gesellschaft und die Zunahme chronischer Erkrankungen machen die häusliche Pflege zu einem immer wichtigeren Pfeiler der Schweizer Gesundheitsversorgung. Dieser zunehmenden Bedeutung der Pflege im häuslichen Bereich, die zum Grossteil von gemeinnützigen Spitex-Organisationen geleistet wird, hinkt die Qualitätsmessung und -sicherung jedoch deutlich hinterher. Dies zeigt eine Studie der ZHAW in Zusammenarbeit mit der Universität Luzern und der Universität Basel, welche über das Nationale Forschungsprogramm 74 des Schweizerischen Nationalfonds finanziert wurde. Sie untersuchte die Zweckmässigkeit von insgesamt 43 Qualitätsindikatoren, die in der Schweiz in der häuslichen Pflege bereits angewandt werden und/oder auf internationaler Ebene definiert worden sind. Dazu liessen die Forschenden die Indikatoren durch Public-Health-Fachleute und durch Fachpersonen der häuslichen Pflege beurteilen. Während die Public-Health-Fachleute 18 der 43 Indikatoren als geeignet für die Qualitätsmessung bewerteten, waren es bei den Pflegefachleuten nur deren 7. «Die meisten Indikatoren sind für die befragten Fachleute zwar relevant. Die durch sie gemessenen Patientenergebnisse können von Spitex-Mitarbeitenden jedoch nicht oder zu wenig beeinflusst werden», sagt Aylin Wagner, Co-Autorin der Studie.

Praxisperspektive hat bislang zu wenig Gewicht

Der Grund für diese mangelnde Beeinflussbarkeit liege in den Rahmenbedingungen der häuslichen Pflege, so Wagner. «An dieser sind zahlreiche Akteure beteiligt, etwa Hausärztinnen und -ärzte, aber auch pflegende Angehörige. Zudem sind die Mitarbeitenden der Spitex-Organisationen nicht ständig vor Ort und ihre Klientinnen und Klienten geniessen eine hohe Autonomie, etwa was die Gestaltung einer sicheren Umgebung angeht.» Diese Faktoren erschwerten die Qualitätsmessung und -sicherung durch die Spitex.

Die bestehenden Indikatoren seien ursprünglich für stationäre Settings, etwa in Pflegeheimen, entwickelt worden, so Wagner. «Dieses Setting unterscheidet sich jedoch deutlich von der häuslichen Pflege. So sind die Rahmenbedingungen im stationären Bereich viel kontrollierbarer. Es gibt weniger externe Faktoren, die sich erschwerend auf die Qualitätsmessung und -sicherung auswirken.» Ausserdem sei bisher die Praxisperspektive von Fachleuten aus der häuslichen Pflege in der Entwicklung der Indikatoren zu wenig berücksichtigt worden. «Die Studie zeigte, dass die Spitex-Mitarbeitenden die Beeinflussbarkeit der Indikatoren kritischer beurteilten als die Public-Health-Fachleute», erläutert Wagner. Für die künftige Entwicklung der Qualitätsindikatoren ist es laut der Wissenschaftlerin zentral, dass Spitex-Fachpersonen miteinbezogen werden. «So kann sichergestellt werden, dass die Indikatoren bei den Spitex-Organisationen akzeptiert werden.»

Es braucht zusätzliche Indikatoren

Die von Schweizer Spitex-Organisationen verwendeten Qualitätsindikatoren bestehen seit 2010 in unveränderter Form. Allerdings haben sich gemäss Studie seither auf internationaler Ebene neue Indikatoren etabliert. «Unsere Studie zeigt, wie wichtig es ist, Indikatoren zu evaluieren, kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu ergänzen», sagt Aylin Wagner. So fehle es derzeit etwa an Qualitätsindikatoren, die nicht primär die Patientenergebnisse, sondern die Prozesse pflegerischer Leistungen messen. «Das könnte etwa bei Inkontinenz die Intervention ‹Beckenbodentraining› sein», nennt Wagner ein Beispiel. Die Qualität der Pflegeleistung werde dann mit bestehenden Best-Practice-Guidelines für diese Leistung abgeglichen und gemessen und nicht mehr am Patientenergebnis, das von zahlreichen von der Pflege nicht beeinflussbaren Faktoren abhängt. «Zudem braucht es Indikatoren, welche die Patientenperspektive berücksichtigen und zum Beispiel deren Zufriedenheit mit den Pflegeleistungen erfassen.» Sinnvoll wären laut der Wissenschaftlerin auch Indikatoren, welche die Qualität der interprofessionellen Zusammenarbeit der Gesundheitsfachpersonen messen. «Eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Spitex-Pflegenden, Hausärztinnen und Therapeuten ist zentral für die Qualität der häuslichen Pflege.»

Qualitätsmessung ist zentral für Transparenz, Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit

Die Studie kommt zum Schluss, dass die Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege im Vergleich zu anderen Sektoren des Gesundheitswesens zu wenig etabliert ist. «Ohne Qualitätsmessung und -sicherung kann die häusliche Pflege innerhalb der Schweiz und international nicht verglichen werden. Ausserdem fehlt es an Transparenz für die Klientinnen und Klienten sowie an Daten für die Überprüfung der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Pflegeleistungen», sagt Wagner. Die Studie zeigt auch auf, dass die bestehenden Spitex-Indikatoren bislang ausschliesslich für das interne Qualitätsmanagement verwendet werden. Dies, obwohl das Krankenversicherungsgesetz (KVG) seit 2016 vorschreibt, dass Leistungserbringer, darunter auch Spitex-Organisationen, dem Bund Daten zu medizinischen Qualitätsindikatoren liefern müssen. «Da das Wissen fehlte, welche Indikatoren überhaupt geeignet sind, um die Qualität zu messen, wurde diese KVG-Vorschrift bislang nicht umgesetzt», sagt Aylin Wagner.

Kontakt

Aylin Wagner, Doktorandin/Wissenschaftliche Mitarbeiterin ZHAW-Forschungsstelle Gesundheitswissenschaften, Tel. 058 934 62 14, E-Mail aylin.wagner@zhaw.ch

José Santos, Leiter Kommunikation ZHAW-Departement Gesundheit, Tel. 058 934 63 84, E-Mail jose.santos@zhaw.ch