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Bachelorstudierende entwickeln Hilfsmittel zum Selberdrucken 

In einer neuen Unterrichtseinheit entwickeln Ergotherapie-Studierende mithilfe von Design Thinking massgeschneiderte Hilfsmittel für eine Klientin. Mit Unterstützung von Dozierenden der ZHAW-Departemente Gesundheit, School of Management and Law sowie School of Engineering gelangen sie dabei vom Plastilin-Prototyp bis zu einer nahezu fertigen Lösung aus dem 3D-Drucker.

Monika Sauerteig legt Petersilie in eine Klammer, die man zum Verschliessen von Verpackungen braucht, klemmt sie sich unter den linken Arm und schneidet die Kräuter ab. Das Publikum staunt. «Moni», so stellt sie sich vor, ist ohne linken Unterarm zur Welt gekommen. In ihrem Alltag gibt es daher immer wieder Situationen, die sie erfinderisch anpacken muss. Zudem besitzt sie von der Teilnahme an einem Forschungsprojekt einen «Adapter» für ihren Armstumpf, an welchem sie mit einem speziellen Verschluss Werkzeuge anbringen kann. Jedoch sind die Aufsätze, die sie bisher hat, nicht so nützlich, wie sie es sich wünscht. 
 
Daher ist nun das «Publikum» gefragt. Rund 25 Ergotherapie-Studierende im zweiten Semester nehmen sich im Rahmen eines eintägigen Wahlpflichtunterrichts zum Thema «Neue Technologien» Herausforderungen aus Monis Alltag an. Eine davon ist das Kräuterschneiden. Denn obschon Monis Technik mit der Klammer funktioniert, wäre es doch ergonomischer, sie könnte die Kräuter mit mehr Distanz vor dem Körper halten. 

Mit Design Thinking zum Prototyp 

Um in der kurzen Zeit rasch zu einer Lösung zu gelangen, sollen die Studierenden Ansätze des Design Thinking nutzen. Eine Besonderheit dieses Vorgehens ist, dass man in mehreren Phasen bewusst den Blickwinkel öffnet, um Informationen über die Nutzerin oder den Nutzer zu sammeln, und danach fokussiert, um gezielt einzelne Einsichten respektive Lösungen weiterzuverfolgen. «Dabei stehen immer die Bedürfnisse der Kundin oder des Kunden im Mittelpunkt», erklärt Jennifer Bagehorn, Dozentin für Service Design Thinking an der ZHAW, in ihrer Einführung. 

Diese Bedürfnisse stehen auch im Fokus, als Jesse Bächler, ein Kollege Bagehorns von der School of Management and Law, die Studierenden instruiert, wie sie Moni möglichst zielführend interviewen können. Ausgestattet mit wichtigen Anhaltspunkten brechen die Studierenden danach auf in zwei Werkstatträume. Dort entwerfen sie – unterstützt durch Bächler und die stellvertretende Leiterin der Forschungsstelle Ergotherapie Verena Klamroth – mehrere Lösungsansätze, die sie mit Knete visualisieren. Am Ende des Vormittags präsentiert jede Studierenden-Gruppe Moni ihren Knet-Prototypen. 

CAD-Zeichnungen für den 3D-Druck

Am Nachmittag geht es darum, den Prototypen Leben einzuhauchen. Passend zum interdisziplinären Ansatz des Design Thinking leitet Ergotherapie-Dozent Josef Adam den Unterricht gemeinsam mit Adrian Fassbind von der School of Engineering. Nach der gemeinsamen Einführung sollen die Studierenden ihren Prototypen mit einem CAD-Programm so zeichnen, dass man ihn mit einem 3D-Drucker produzieren könnte. Das ist gar nicht so einfach. Eine etwas ältere Studentin sagt dazu: «Ich hatte immer grossen Respekt vor diesen technischen Zeichnungsprogrammen. Als wir das Tool jedoch zu Hause ausprobieren konnten, fand ich Gefallen daran und am Schluss wollten gar meine Kinder damit zeichnen.»

Am Ende des Unterrichts hat jede Gruppe eine CAD-Zeichnung erstellt. Dabei erstaunt, wie unterschiedlich die Lösungsansätze sind. So würden Moni Kräuter bei einem Modell zwischen zwei mit Federn ausgestatteten Platten eingeklemmt, bei einer andern in einer Art Greifzange am Ende eines Teleskoparms. Moni reagiert begeistert: «Ich habe eine riesige Freude, Leute!».

Und es geht weiter

Die Modelle tatsächlich zu drucken hätte den Zeitrahmen des kurzen Unterrichts gesprengt. Einen Druckauftrag erteilt Josef Adam trotzdem. Siebzehn Stunden braucht der 3D-Drucker, um das Hilfsmittel aufzubauen. Dennoch verschwinden die übrigen Ideen nicht einfach in der Schublade. Studierende können ihren Prototypen im Rahmen eines folgenden Moduls zu einem sogenannten Funktionsmuster weiterentwickeln. Bereits vier Studierende haben sich zu diesem Schritt entschlossen. Ihre testfähigen Prototypen werden sie voraussichtlich am 20. und 21. September 2021 im Unterricht präsentieren – natürlich unter Beisein von Moni, die die Funktionsmuster danach behalten darf. Zusätzlich bietet die Projektwerkstatt Ergotherapie, die neu im sechsten Semester stattfindet und mit der Bachelorarbeit kombiniert werden kann, den Studierenden die Gelegenheit, die Thematik zu vertiefen. 

Die Idee dahinter

Doch welchen Hintergrund hat dieser Fokus auf Technologie im Ergotherapie-Studium? «Klientinnen und Klienten bei Herausforderungen im Alltag zu unterstützen ist Kernaufgabe von Ergotherapeutinnen und -therapeuten», sagt Josef Adam. Und wie in Monikas Fall könne es dabei immer wieder vorkommen, dass Hilfsmittel auf dem Markt fehlten oder hochtechnologische Werkzeuge und Prothesen zu teuer wären. «Dann kann es hilfreich sein, ergänzend zu den herkömmlichen Möglichkeiten der Hilfsmittelerstellung, mit 3D-Technologie einfache Tools produzieren zu können». Für ihn, Verena Klamroth sowie die Ergotherapie-Dozentinnen Lucette Aubert und Katrin Kalt, die das Projekt gemeinsam entwickelt haben, war es daher wichtig, den Studierenden frühzeitig die Möglichkeit zu geben, mit technologischen Entwicklungen und neuen Methoden in Kontakt zu kommen und deren Potenzial kennenzulernen. Im Rahmen der Revision des Bachelor-Curriculums Ergotherapie bot sich dafür das Modul «Methodisches Handeln» an. 

Die Studierenden zeigen sich über den neuen Unterricht sehr zufrieden. Einzig die Tatsache, dass es sich um einen Wahlpflichttag handelt, hinterfragen sie. Denn «alle hätten ihn gern gemacht!», so der Tenor.