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Nachhaltigkeit in der Kultur: Interview #3 mit Pia Viviani

Unsere Interviewreihe «Nachhaltigkeit in der Kultur» geht in die dritte Runde: Im Interview mit Pia Viviani, Leiterin der Geschäftsstelle von Happy Museums, erhalten wir Einblicke in die Nachhaltigkeit im Museums- und Ausstellungssektor.

Pia Viviani ist seit 2020 Leiterin der Geschäftsstelle Happy Museums und seit 2019 Partnerin und Co-Geschäftsleiterin von catta, einer Firma für Wissenschaftskommunikation und partizipative Wissenschaft. Vorher war sie im Naturama Aargau, in verschiedenen Organisationen der Wissenschaftskommunikation wie auch in der Forschung tätig. Pia Viviani hat an der ETH Biotechnologie studiert, sich in Szenografie weitergebildet und ein Diplom in Nonprofit Management in der Tasche.

 

Bild Copyright: Adrian Zwyssig

Frau Viviani, Sie beschäftigen sich als Leiterin des Netzwerks Happy Museums mit Nachhaltigkeit im Museum- und im Ausstellungssektor. Wo steht Ihrer Einschätzung nach die Schweizer Museums- und Ausstellungszene heute punkto Nachhaltigkeit? Was wünschen Sie sich diesbezüglich für die Zukunft?

Ich glaube, dass gerade in punkto sozialer Nachhaltigkeit viele Museen besser dastehen, als sie vielleicht meinen. Themen wie Diversität, Inklusion, faire Anstellungsbedingungen, Partizipation werden in vielen Häusern schon länger gelebt. Und besonders kleine Lokalmuseen können gar nicht anders als nachhaltig haushalten. Sie müssen Vitrinen mehrfach benutzen, weil sie gar keine Ressourcen für immer neues Material haben. Trotzdem gibt es natürlich noch viel zu tun. Das Material-Recycling muss auch in grösseren Museen optimiert werden, die kurzen Ausstellungsdauern überdenkt oder Ausstellungen häufiger als Wanderausstellungen konzipiert werden. Ein erster Schritt wäre für uns bei Happy Museums die Verankerung von Nachhaltigkeitszielen in allen Museumsstrategien, Messbarkeit und Kommunikation gegen aussen. Vielleicht wird ein Museum in ein paar Jahren ja nicht mehr nur nach seinen Besucherzahlen, sondern auch aufgrund der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen bewertet.

Happy Museums hat sich das Ziel gesetzt, dass möglichst viele Museen und Ausstellungshäuser sich mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Welchen Herausforderungen begegnen Sie dabei? Was sind gemäss Ihren Erfahrungen Hürden für Museen und Ausstellungshäuser rund um Nachhaltigkeit?

Die erste Frage ist immer: Wo fange ich nur an? Man kann sich ja recht verlieren in diesem Nachhaltigkeits-Dschungel. Dafür ist es wichtig, dass man zuerst einmal weiss, wo man überall ansetzen kann: Bei den Produkten im Café, bei der Klimaanlage in der Sammlung, bei der Ausstellungsgestaltung, bei der Vermittlung von Inhalten etc. Und damit man weiss, was man genau machen kann, braucht es inspirierende Beispiele. Dann gibt es aber noch die grosse Impact-Frage: Wie viel Aufwand habe ich für welche Wirkung? Das ist extrem schwierig abzuschätzen.

Weitere Hürden sind Denkmalschutz; wenn Museen beispielsweise die Heizung oder Isolation verbessern möchten. Oder Material-Recycling: Welche Szenografiebüros stellen Designansprüche und Wiederverwertung in ein angemessenes Verhältnis?

In Zusammenhang mit dem Ziel von Happy Museums fand letztes Jahr der erste Impulstag in Bern statt. Welche Chancen sehen Sie in einem solchen Treffen? Was waren für Sie die Highlights der Veranstaltung?

Wir waren ziemlich überrascht, wie gross das Interesse und die Diversität an verschiedenen Museen an diesem allerersten Impulstag war. Es gibt einen starken Wunsch nach Austausch und Lernen voneinander. Unser Ziel ist auch, dass am Impulstag jeweils Praxistools, wie beispielsweise Checklisten, partizipativ ausgearbeitet werden. Und natürlich passen wir die Aktivitäten den Wünschen der Museen und Ausstellungshäuser an, der Impulstag ist für uns auch eine Art Wegweiser.

Was mir sehr stark geblieben ist von diesem Novembertag in Bern, ist der Wunsch nach einem «Einordnen»: Wo steht mein Museum momentan und was mache ich am besten als erstes. Wir arbeiten gerade an einer Lösung dafür. Zudem ist aufgefallen, dass viele Nachhaltigkeitsprojekte in Museen von «unten» kommen. Es gibt wenige «Befehle von oben» - viele Aktivitäten für mehr Nachhaltigkeit in Museen stammen von Kuratorinnen, Vermittlern oder dem Café-Team.

Bei der eben erwähnten Lösung geht es um das ab 2023 geplante Prozesslabel Nachhaltigkeit. Dies wird nämlich kein Sticker, sondern vielmehr ein Werkzeug für eine Nachhaltigkeitsbestandesaufnahme des eigenen Kulturhauses sein. Wie können wir uns dieses Werkzeug vorstellen und welche Elemente werden darin integriert sein? Wie wird dieses Label zum nachhaltigeren Wirken von Museen und Ausstellungshäusern in der Schweiz beitragen?

Ganz genau können wir das noch nicht sagen. Wir arbeiten gerade an einem Vorschlag, den wir dann partizipativ mit verschiedenen Museen und Ausstellungshäusern verfeinern und auf deren Interessen abstimmen werden. Die Idee ist, dass Museen anhand eines Fragebogens durch die verschiedenen Bereiche eines Museums und die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit geführt werden. Als Resultat wird ein Spider-Diagramm ausgespuckt, so dass man direkt sieht, wo man als Museum steht. Optimalerweise können wir dann gleich auf Beispielprojekte hinweisen, von denen man lernen kann, um seine Nachhaltigkeits-Spider zu verbessern. Das sind aber bisher einfach Wünsche und wir hoffen, möglichst viel lässt sich technisch und mit unseren Ressourcen auch so umsetzen.

Nebst Ihrer Tätigkeit bei Happy Museums sind Sie auch noch Partnerin einer Firma für Wissenschaftskommunikation und partizipative Wissenschaft. Welche Rolle nimmt die Kommunikation im Nachhaltigkeitsbestreben von Museen und Ausstellungshäusern ein?

«Tue Gutes und rede darüber» kann man vielleicht schon nicht mehr hören. Aber wenn man Nachahmerinnen und Nachahmer finden möchte, die ebenfalls Gutes tun, kommt man nicht darum herum, auch darüber zu reden. Und wir Menschen kommen nicht darum herum, unseren Lebensstil zu überdenken und zu ändern, um langfristig und happy auf diesem Planeten Leben zu können. Die über 1‘000 Schweizer Museen verfügen über ein riesiges Potential, um die jährlich über 12 Millionen Gäste für den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit zu mobilisieren und nachhaltiges Verhalten vorzuleben.

Die Klimakrise prägt seit vielen Jahren den öffentlichen Diskurs und die Forderung nach nachhaltigem Denken und Handeln. Welchen Beitrag kann Kultur und die künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzung mit der Klimakrise für die Gesellschaft leisten?

Über Kultur und Kunst können wir einen anderen Zugang zur Klimakrise schaffen. Nur mit Verboten und «du söttsch jez» erreichen wir noch keine grossen Ziele. Indem wir aber über eine andere Art und Weise – beispielsweise künstlerische Zugänge – zum Denken anregen, positive Vorbilder schaffen, gemeinsame Aktivitäten fördern und Nachhaltigkeit in allen seinen Dimensionen als Selbstverständlichkeit vorleben, kommen wir hoffentlich ein paar Schritte weiter.

Das ZKM-Team bedankt sich herzlich für das Interview!