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Solarstrom im Überschuss

Strom wird künftig zunehmend aus erneuerbaren Energien dezentral gewonnen werden. Dies bedeutet, dass auf das elektrische Netz neue Herausforderungen zukommen. An entsprechenden Lösungen für heute und morgen arbeitet das Institut für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE) der ZHAW School of Engineering.

Die Energieversorgung befindet sich im Wandel. Die Stromerzeugung durch grosse Kernkraftwerke soll in absehbarer Zukunft Geschichte sein. Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Sonne und Wind lässt sich aber nicht gleichmässig produzieren und korreliert auch nicht mit dem Verbrauch. Abhängig von Wetter und Sonneneinstrahlung können starke Leistungsschwankungen auftreten. Die Photovoltaik ist dank fallender Anlagekosten und verbesserter Technologien zu einer konkurrenzfähigen und attraktiven Option für die Stromproduktion vor Ort geworden. Doch welche Probleme bereitet dabei die Fluktuation? Diese Frage wurde bereits im Jahr 2010 in einer internationalen Publikation von Franz Baumgartner, Leiter der Fachgruppe Photovoltaik am IEFE, behandelt. Er kam zu dem Ergebnis, dass im Schweizer Stromnetz ab einem Jahresanteil von 17 Prozent Solarstrom der Einsatz von Pumpspeicherkraftwerken und die Abregelung der Grunderzeugung erforderlich sind.

Stauseen als Puffer

Anstatt zu Spitzenzeiten den Stromüberschuss ungenutzt zu lassen, soll die Energie für Spitzenlastzeiten gespeichert werden. Eine konkrete Lösung dafür bilden Pumpspeicherkraftwerke. „Die Sonnenenergie kann in den bestehenden Stauseen zwischengespeichert werden“, erläutert Franz Baumgartner. „Die Schweiz verfügt mit ihren Speicherseen über einen riesigen Vorteil, deshalb brauchen wir nicht eine völlig neue Infrastruktur.“ Die Speicherseen dienen dabei als Puffer: Bei Stromüberschuss wird das Wasser hinauf in die Stauseen gepumpt. Sobald wieder Strom gebraucht wird, kann die Energie des herunterströmenden Wassers über Turbinen erneut in Strom umgewandelt werden. Diese Methode wird in der Schweiz seit Jahrzehnten erfolgreich angewendet, um die schwankenden Belastungen im Netz auszugleichen.

Energie für Kälteanlagen

Ein anderer Lösungsansatz geht dahin, den Überschuss an Solarstrom zu Spitzenzeiten für den Betrieb von Kälteanlagen zu nutzen. Auch hier kann man auf bestehende Infrastruktur zurückgreifen. „Unser Modell stützt sich auf bereits vorhandene Eisspeicher“, erklärt Institutsleiter Frank Tillenkamp, der den Bereich der Kältetechnik am Institut betreut. „Dieses System wäre sofort einsatzbereit, da keine zusätzlichen Installationen nötig sind.“ Die Erkenntnisse hat Markus Krütli, wissenschaftlicher Assistent am IEFE, im Rahmen einer Studie gewonnen, die sich mit der Nutzung eines möglichen Überangebotes an Solarstrom über Mittag durch den gezielten Betrieb von vorhandenen Kältesystemen beschäftigte. Ein Paradigmenwechsel in der Betriebsführung der Kälteanlagen kann hier einen interessanten Weg aufzeigen. Grundsätzlich versteht sich dieses System als Übergangslösung, bis die Netze und Speichersysteme für die Besonderheiten der erneuerbaren Energiegewinnung weiterentwickelt sind.

Niederspannungsnetz entlasten

Ein Schritt in diese Richtung sind Batteriespeichersysteme. Petr Korba ist am IEFE verantwortlich für den Bereich der elektrischen Energietechnik und Smart Grids, der sogenannten intelligenten Netze. Er beschäftigt sich zum Beispiel damit, wie Lithium-Ionen-Batterien optimal ins Stromnetz integriert werden können. „Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Lithium-Ionen-Batterien vor allem im Niederspannungsbereich zur Aufnahme überschüssiger Solar- oder Windenergie sehr gut eignen. So kann beispielsweise auch das für die Integration von fluktuierenden erneuerbaren Energiequellen oft erforderliche Netzausbauproblem gelöst werden“, so Korba. „Wir arbeiten an einer wetterabhängigen und wirtschaftlich-technisch optimierten Steuerung, um diese Batterien optimal ins Netz zu integrieren.“ So liessen sich die Speichergrösse und damit die Kosten reduzieren. Gerade das Niederspannungsnetz benötigt Entlastung, wenn künftig immer mehr Stromkonsumenten mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach selber zu Stromproduzenten werden.

Stromnetz wird kommunizieren

Neben dezentralen Speichersystemen sollen in Zukunft auch intelligente Netze das Überlasten der Infrastruktur verhindern. Sie sind in der Lage, die regional unterschiedlichen Erzeugungs- und Verbrauchsbedürfnisse optimal aneinander anzupassen. Die lokal erzeugte überschüssige elektrische Energie wird dann dorthin übertragen, wo sie tatsächlich gebraucht wird. Umgekehrt muss der momentane Stromverbrauch an die lokal erzeugte zur Verfügung stehende elektrische Energie angepasst werden. „Das geht bis hin zur Kommunikation mit gewissen Haushaltsgeräten. Beispielsweise könnten sich Energiefresser wie Waschmaschinen oder Trockner nur dann einschalten lassen, wenn auch genügend Strom produziert wird“, erläutert Petr Korba. „In vereinfachter Form passiert das heute bereits und zwar durch eine alte Analogtechnologie, die sogenannte Rundsteuerung. So wird beispielsweise auch am Stromzähler zwischen Normal- und Niedertarif gewechselt oder nachts der Boiler eingeschaltet.“ Die Kommunikation könnte bald digital in beide Richtungen funktionieren. „Mit dieser neuen Technologie könnte man einzelne Geräte oder Kunden selektiv ansteuern“, so Korba. „So liesse sich auch der Energiepreis in Echtzeit verändern und der entsprechende Energieverbrauch erfassen. Je nach Bereitschaft des jeweiligen Kunden, seinen Verbrauch anzupassen, könnte er so für diese umgesetzte Systemdienstleistung auch entsprechend belohnt werden.“