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«Bauliche Flexibilität innerhalb der Gebäude ist gefragt»

Was einen guten Campus ausmacht, warum Architektur einen grossen Einfluss auf die Zusammenarbeit hat und wie sie Identität schafft, erzählt Regierungsrat Martin Neukom.

Baudirektor Martin Neukom
Baudirektor Martin Neukom

Als Vorsteher der Baudirektion des Kantons Zürich ist Martin Neukom verantwortlich für die Bauprojekte der ZHAW. Der 33-Jährige wurde überraschend in den Regierungsrat gewählt und hat kürzlich seine Dissertation über neuartige Solarzellen mit «Magna cum laude» abgeschlossen. Begonnen hat sein Interesse für die Solarenergie mit einem Mechatronik-Studium an der ZHAW. Danach arbeitete er zwei Jahre am ZHAW-Institute of Computational Physics. Um die Idee eines Messgerätes für Solarzellen umzusetzen, wechselte er zur Fluxim AG.

Herr Regierungsrat Neukom, der Campus der ZHAW School of Engineering wird bis 2035 fertiggestellt. Hätten Sie Ihr Studium gerne dort absolviert?

Also grundsätzlich habe ich mein Studium auf dem jetzigen Areal in guter Erinnerung (lacht). Aber natürlich, so wie der neue Campus geplant ist, stelle ich ihn mir sehr schön vor. Vor allem den grossen offenen Freiraum an der Eulach, die aktuell ein eher kümmerliches Dasein fristet. Auch bezüglich Raumklima gibt es im Hinblick auf den neuen Campus Optimierungspotenzial. Die bestehenden Gebäude sind klassische Bausünden aus den 1970er Jahren. Die Fenster sind komplett aus Metall. Im Sommer wird es in den Räumen unglaublich heiss und im Winter ziemlich kalt. Als Ingenieur denkt man sich: «Hey, wir heizen hier direkt aus dem Fenster raus.»

Was macht einen guten Campus aus?

Für die Lehre braucht es Gebäude, die eine gute Lernatmosphäre ermöglichen. Ein Beispiel: Für Ihre Präsentation benötigen Sie den Beamer, also verdunkeln Sie den Raum komplett. Wegen der schlechten Durchlüftung entsteht schon nach kurzer Zeit Sauerstoffmangel. Das sind optimale Bedingungen, um einzuschlafen, also ziemlich schlechte Lernbedingungen. Es braucht helle und gut durchlüftete Räume. Zudem ist in der Forschung die gute Vernetzung der unterschiedlichen Disziplinen wichtig. Forscher beschränken sich teilweise zu stark auf ihr Fachgebiet. Früher war die Arbeitshaltung, dass die Leute arbeiten und nicht plaudern sollen. Das ändert sich. Es ist zentral, dass die Leute sich austauschen und nicht nur still vor sich hin arbeiten. Denn dieser Austausch ist zentral für die Lösung von Problemen. Wenn man merkt, dass eine andere Person an einem ähnlichen Problem arbeitet, ist der Wissenstransfer enorm wertvoll.

Und Gebäude sollen zu einer besseren Vernetzung beitragen?

Ja. Architektur hat einen grossen Einfluss darauf, wie wir zusammenarbeiten. Sie kann Orte schaffen, an denen man sich trifft. Schauen Sie sich den neuen Campus von Novartis an in Basel. Dort sind die Kaffeemaschinen, Drucker und Kopiergeräte eines Stockes an einem Ort zusammengefasst. So trifft man sich und spricht miteinander. Dafür müssen die Gebäude und deren Räume entsprechend konzipiert sein.

Sie haben nicht nur an der ZHAW studiert, sondern auch im Bereich Solarenergie geforscht. Welche Rolle spielen die Fachhochschulen bei der Energiewende?

Eine wichtige, weil dort angewandte Forschung betrieben wird. Neue Sachen werden ausprobiert, es wird erforscht, welche Konzepte besser funktionieren. Während die meisten Arbeiten an Fachhochschulen sehr nahe an der Praxis liegen, beschäftigten wir uns in unserer Gruppe vor allem im Bereich Grundlagenforschung. Erkenntnisse daraus werden frühestens in zehn Jahren praxisrelevant. Auch meine Forschung am ZHAW-Institute of Computational Physics, bei der es um neuartige Solartechnologien ging, leistete keinen kurzfristigen Beitrag für die Energiewende, indem sie ein Jahr später hätte umgesetzt werden können, sondern hilft allenfalls für deren Weiterentwicklung zu einem späteren Zeitpunkt.

Um die Idee eines Messgerätes für Solarzellen umzusetzen, wechselten Sie von der ZHAW zur Firma Fluxim AG.

Ich ging 2011 zur Firma Fluxim AG, die eine Spin-off-Firma der ZHAW ist. Solche Startups würde es ohne die Fachhochschulen wahrscheinlich nicht geben. Die gegenseitige Nähe bringt einen grossen Nutzen, weil die Fachhochschulen über das Know-how und die Infrastruktur verfügen. Die Fluxim AG ist ein typischer Fall, in dem die Zusammenarbeit von Hochschule und Forschung direkt eine wirtschaftliche Wirkung erzeugt.

Was vermissen Sie von Ihrer Tätigkeit als Ingenieur?

Sehr spannend war, sich vertieft mit einem Thema auseinanderzusetzen, richtiggehend darin einzutauchen. Allerdings konnte dies auch nervenaufreibend sein, wenn ich nicht weiterkam. Verglichen mit meiner Tätigkeit als Regierungsrat, ist das eine ganz andere Welt. Jetzt befasse ich mich aufgrund der Vielfältigkeit der Baudirektion mit den unterschiedlichsten Themen, und das in sehr hoher Frequenz. Aber gerade diese unglaubliche Vielfalt macht meine jetzige Aufgabe so interessant. Das technische Verständnis und die Herangehensweise zur Lösung von komplexen Problemen helfen mir aber auch bei meiner Arbeit in der Baudirektion.

Wenn von der Energiewende gesprochen wird, denken die meisten Leute an die Energieproduktion.

Ja, aber auch in der Energieeffzienz liegt noch viel Potenzial. Wir gehen immer noch verschwenderisch mit Strom um. Dabei kommt uns die Energie, die man gar nicht braucht, viel billiger als jede Art von Energieproduktion.

Was können Sie als Regierungsrat für die Energiewende bewirken, was Ihnen vorher verwehrt war?

Zuvor habe ich mich mit den technischen Aspekten beschäftigt. Aber die Energiewende ist nicht nur eine technische Frage. Es geht auch um die richtigen Rahmenbedingungen, damit sich die verschiedenen Technologien entwickeln können. Solange man für wenig Geld Öl aus dem Boden holen kann, haben die erneuerbaren Energien in direkter Konkurrenz keine Chance. Deshalb muss man schauen, dass eine Balance entsteht, in der die erneuerbaren Energien wachsen können.

Als Baudirektor können Sie nun einfach auf den Knopf drücken, um für diese Balance zu sorgen.

Schön wärs (lacht). Ich habe zwar Einfluss, aber bestimme ja nicht allein. Auch der gesamte Regierungsrat und der Kantonsrat müssen überzeugt werden. Ausserdem gibt es ganz viele Knöpfe. Es ist gar nicht so einfach zu wissen, welches der richtige ist. Die gute Absicht für ein Gesetz führt nicht automatisch zu einem guten Gesetz. Es stellt sich die Frage: Wie ist eine Massnahme ausgestaltet, damit sie wirklich nützt?

Generell verursachen Gebäude in der Schweiz mit einem Anteil von 40 Prozent viel CO2-Emissionen. Was macht der Kanton Zürich in diesem Bereich?

Grossen Handlungsspielraum hat der Kanton mit dem Energiegesetz, indem wir die Vorschriften für Gebäudemodernisierungen dem heutigen Stand der Technik anpassen. Zudem hat der Regierungsrat Ende letzten Jahres dem Kantonsrat einen neuen Rahmenkredit zur Förderung von Energieeffzienz-Massnahmen und der klimaneutralen Wärmeversorgung von Gebäuden beantragt. Der Rahmenkredit soll mit rund 33 Millionen für die Jahre 2020 bis 2023 ausgestattet sein. Im Vordergrund steht der Ersatz von Öl- und Gasheizungen durch eine klimafreundliche Wärmeversorgung wie zum Beispiel Wärmepumpen oder moderne Holzheizungen. Aber zunächst muss der Kantonsrat den Kredit noch genehmigen.

Apropos Holzheizung: Das neue Laborgebäude in Wädenswil erhält eine Holzschnitzelfernwärmeanlage und ein interessantes Energiekonzept.

Im Laborgebäude wird die Wärme der Holzschnitzelheizung genutzt, um im Winter zu heizen. Da der Heizbedarf gering ist, bietet sich die Möglichkeit, ein weiteres Gebäude zu heizen. Gleichzeitig werden zusammen mit den Fernleitungen der Holzheizung zusätzliche Leitungen zwischen den Gebäuden verlegt. Mit jeder Etappe wird das Wärmenetz weiter ausgebaut. Die Holzschnitzelheizung ist dadurch ökologisch und wirtschaftlich interessant.

Die Anforderungen der verschiedenen ZHAW-Departemente an Bauprojekte sind sehr divers und reichen von der Pflegestation über ein Radiostudio bis hin zur Lebensmittelproduktion – wie kann man diesen gerecht werden?

Indem mehr Wert auf die bauliche Flexibilität innerhalb der Gebäude gelegt wird. Die Bauten werden mindestens 50, im Idealfall gar 100 Jahre genutzt. Da sich die Anforderungen aber schnell ändern können, müssen wir die Gebäude so gestalten, dass nachträgliche Installationen mit wenig Aufwand möglich sind.

Zuletzt eine raumplanerische Frage: Auf was ist bei der räumlichen Begegnung von Hochschule und Stadt zu achten?

Es sollte eine Identität geschaffen werden. Das zeigt sich zum Beispiel eindrücklich auf dem ehemaligen Sulzerareal, wo sich die Bibliothek oder der neue Campus des Departements Gesundheit ideal in die historische Umgebung einfügen. Das Areal gibt der ZHAW mit seinen vielfältigen Angeboten ein Gesicht und verfügt über identitätsstiftende Bauten. Von dieser engen Verknüpfung profitieren die ZHAW und die Stadt Winterthur.

Interview: Manuel Martin

Sonderbeilagen ZHAW-Bauprojekte

Die räumliche Entwicklung der ZHAW schreitet stetig voran in Winterthur, Wädenswil und Zürich. Geplant, gebaut oder saniert wird mit unterschiedlichen Anforderungen, Konstellationen sowie Zeithorizonten. Diese und weitere Sonderbeilagen des ZHAW-Impacts informieren fortlaufend über die wichtigsten Projekte und Entwicklungen der ZHAW.

ZHAW-Bauprojekte, Sonderbeilage Nr. 1(PDF 5,6 MB)