ZHAW-Studierende geniessen trotz Corona praktischen Unterricht
Der ZHAW-Dozent Andreas Heinzelmann setzt auch in der Coronakrise alles daran, seinen Studierenden Inhalte praxisnah zu vermitteln. Weil die Labors an der School of Engineering zurzeit geschlossen sind, musste er sich etwas einfallen lassen.
Die Studierenden im Modul Elektrotechnik und Halbleiter 2 (ELHL2) im Studiengang Energie- und Umwelttechnik beschäftigen sich Jahr für Jahr mit dem Aufbau und dem elektrischen Ausmessen einer hocheffizienten LED-Ansteuerung. «Was normalerweise einfach bei uns im Labor durchgeführt wird, ist aktuell eine echte Herausforderung», sagt Andreas Schellenberg. Er ist Mitarbeiter von Andreas Heinzelmanns Forschungsgruppe Elektrische Speichersysteme und Leistungselektronik des ZHAW-Instituts für Energiesysteme und Fluid-Engineering (IEFE). Gemeinsam haben die beiden Forscher sich entschieden, das Labor dieses Jahr zu den Studierenden nach Hause zu verlegen.
Mehr Aufwand für die Vorbereitung
Unter gewöhnlichen Umständen erstellen die ELHL2-Studierenden im Unterricht zuerst ein Schema des LED-Dimmers und dann ein Layout. Anschliessend bestücken sie eine Leiterplatte mit allen nötigen Bauteilen und nehmen den LED-Dimmer nach dem Ausmessen in Betrieb. «Unsere Studierenden konnten das Schema und das Layout wie geplant erstellen», erklärt Andreas Schellenberg. Die Bestückung, die normalerweise im Labor an der Hochschule stattfindet, musste allerdings aufgrund der Kontaktbeschränkungen von einem externen Elektronik-Dienstleister übernommen werden.
Vom Schema zur fertigen Platine
Für den letzten Schritt war Andreas Schellenberg zuständig: «Weil die Studierenden momentan nicht auf den Campus dürfen, habe ich alle Schaltungen selbst in Betrieb genommen, was mit hohem Aufwand verbunden war.» Anschliessend schickten die ZHAW-Forscher Heinzelmann und Schellenberg die fertigen Platinen mitsamt neu angeschafften Oszilloskopen zu den Studierenden nach Hause.
Das Labor in den eigenen vier Wänden
Sirius Vollenweider ist einer der Studierenden des ELHL2-Moduls. Er weiss den Zusatzaufwand seiner Lehrpersonen zu schätzen: «Ich war sehr erleichtert, als ich das Paket mit dem fixfertigen LED-Dimmer erhalten habe und nahm sofort das Oszilloskop in Betrieb.» Im Distance Learning erhielten die Studierenden eine Einführung in die Messtechnik und massen die elektrischen Eigenschaften der LED-Dimmer mithilfe des Oszilloskops aus. Als krönender Abschluss folgte – wie könnte es anders sein – eine Prüfung. «Die Studierenden erhielten den Auftrag, bestimmte vordefinierte Testpunkte auf dem LED-Dimmer auszumessen und die Resultate online abzugeben», erklärt Andreas Schellenberg das Vorgehen. Um zu überprüfen, ob die Studierenden die Messungen wirklich selbst ausführten, mussten sie zusätzlich ein Bild von sich und dem LED-Dimmer aufnehmen.
Die ELHL2-Studierenden bei der Arbeit
Zwar haben Schellenberg und Heinzelmann durch individuelle Eigenschaften der Schaltungen verhindert, dass die Studierenden sich bei der Prüfung gegenseitig helfen. Trotz dieser Massnahme und trotz der «Beweisfotos» sagt Andreas Schellenberg: «Wir konnten nicht zweifelsfrei sicherstellen, dass die Studierenden die Aufgaben selbst lösen.» In einer solchen Situation müsse man den Studierenden vertrauen und auf ihre Ehrlichkeit setzen.
Eine Notlösung für die Zukunft
Für die Studierenden war das improvisierte Distance-Learning-Labor eine willkommene Abwechslung. Sirius Vollenweider und sein Mitstudent Mario Prakljacic sehen den Fernunterricht als sinnvolle Ergänzung zur Anwesenheit an der Hochschule. Prakljacic erklärt: «Das Distance Learning macht das Studium attraktiver, weil es die Flexibilität steigert.» Vollenweider ergänzt: «Der Fernunterricht hat sich positiv auf die Unterrichtsqualität ausgewirkt. Mit Aufzeichnungen sind viele Dinge in der Wiederholung einfacher zu verstehen als im Frontalunterricht.»
Andreas Schellenberg sieht das anders. Für ihn ist Distance Learning für praxislastige Module wie ELHL2 an Fachhochschulen nicht mehr als eine Notlösung. Der verantwortliche Leiter des Studiengangs Energie- und Umwelttechnik, Franz Baumgartner, ist begeistert von der kreativen Initiative von Schellenberg und Heinzelmann, sagt aber: «Das Beispiel zeigt überdeutlich, dass digitale Medien eben nicht alles können und mit den Laborübungen zuhause lediglich eine kleine Linderung gefunden wurde.» Für ihn ist klar, dass die Stärken seines Studiengangs ohne Präsenzunterricht nicht vollständig zum Tragen kommen: «Unsere komplexen und vielfältigen Laboreinrichtungen lassen sich nicht per Paketdienst nach Hause liefern – genauso wenig wie die individuellen Echtzeit-Hinweise unserer Fachpersonen vor Ort.»