Rückblick Herbstsemester 2019: «Blauer Montag» zum Thema Bauteilrecycling
Die ZHAW-Vortragsreihe «Blauer Montag» hat sich im Herbstsemester 2019 dem Thema Bauteilrecycling gewidmet. An drei Abenden haben die Referenten ihre höchst unterschiedlichen Sichtweisen und Erfahrungen mit uns geteilt.
Philippe Block, ETHZ
Philippe Block hielt ein Plädoyer für strukturelle Effizienz und Eleganz im Bau. Neuartige Geometrien in Kombination mit bewährten Materialien und digitaler Fertigung sind die Instrumente zur Erreichung dieses Ziels.
Mehr als 70 % des Gewichts von Gebäuden bestehen normalerweise aus der Primärstruktur, die daher auch den grössten Anteil an Umweltbelastungen wie Abfallmenge oder CO2-Produktion hat. Aus diesem Grund versucht Block an der ETH zusammen mit seiner Forschungsgruppe Block Research Group (BRG), Untersuchungen zu Tragverhalten und Geometrien schlanker Tragwerke ins Zentrum seiner Architekturforschung zu rücken. Ein schönes Anschauungsbeispiel liefern gotischen Kathedralen: Jedes Baumaterial, auch das ärmste, könne mit der richtigen Geometrie ein effizientes Tragwerk generieren. Eine Tour d‘Horizon durch die weltweit verstreuten Projekte der BRG zieht einen weiten Bogen, von neuartigen Pilzkonstruktionen über Gewölbe aus Lehmziegeln bis hin zur Verwendung von Textilien oder Verpackungsabfällen. Jedes Projekt entlarvt scheinbar unumstössliche Standards als bequeme Konventionen und projiziert eine Art von architektonischem Zukunftsversprechen.
Rotor, Arne Vande Capelle, Brüssel
Die Bau-Kooperative Rotor stellt die gängige Konstruktionspraxis in Frage, indem sie mit ihren Methoden die Materialflüsse untersucht und neu entwickelt. Ihre kritische Position zeigt sich in ihren Projekten in den Bereichen Architektur und Innenarchitektur, zudem produziert Rotor aber auch Ausstellungen, Bücher, Wirtschaftsmodelle und politische Initiativen.
Arne Vande Capelle erzählt die Geschichte und Entwicklung des Architekturkollektivs Rotor anhand einiger beispielhafter Projekte und zeigt die verschiedenen Aktivitäten, die das Studio darüber hinaus auch noch ausübt: als Berater im Bereich der Bauteil-Wiederverwendung, als Entwickler einer europäischen Wiederverwendungsplattform, als Abbruch-Unternehmer und als Entwerfer von Projekten, die die Wiederverwendung von Materialien zum Ziel haben.
Alexander Brodsky, Moskau
Seit 2000 betreibt Alexander Brodsky ein eigenes Architekturbüro in Moskau. Er studierte Architektur im Moskauer Architekturinstitut. Internationale Berühmtheit erlangte der Architekt ab Ende der 1970er-Jahre durch die Teilnahme an Architekturwettbewerben und Veröffentlichungen ungebauter Architekturentwürfe. Er gilt als ein Hauptvertreter der sowjetischen Papierarchitektur – gemeinsam mit Ilja Utkin ist er Verfasser zahlreicher utopischer Architekturentwürfe.
Alexander Brodskys Arbeit ist geprägt von der Sorge um das traditionelle Bauen, die Verwendung und Wiederverwendung lokaler Materialien, um eine Architektur zu schaffen, die das russische Erbe feiert und gleichzeitig als Kritik an der ungeregelten und korrupten Bauwirtschaft auftritt. Seine Architektur kombiniert lokale und geborgene Materialien zu traditionellen und modernen, manchmal aber auch dunklen und dramatischen Gebäuden: Gebäude als Kunstwerke und Zeugnis der Zerbrechlichkeit der modernen Stadt.
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