SNF Projekt: "Erziehung zur Welt?"
Eine ethnographische Untersuchung zu Vorstellungen sozialer Ordnung in Praktiken institutioneller Erziehung
Auf einen Blick
- Projektleiter/in : Prof. Dr. Monika Götzö, Prof. Dr. Annegret Wigger
- Projektteam : Kushtrim Adili, Gianluca Cavelti, Susanne Nef, Thomas Schmid
- Projektstatus : abgeschlossen
- Drittmittelgeber : SNF (SNF-Projektförderung / Projekt Nr. 169727)
- Projektpartner : Fachhochschule St. Gallen FHSG
- Kontaktperson : Susanne Nef
Beschreibung
Im Jahr 2013 wurden knapp 73% aller 0-3jährigen Kinder sowie
knapp 55% aller 4-12jährigen Kinder bis zu 30 und mehr
Wochenstunden extern betreut (vgl. BFS, 2014). Der Bedarf an
externer, schulergänzender sowie elternentlastender Kinderbetreuung
wächst dabei weiter an. Im Zentrum der politisch-medialen aber auch
fachlichen Diskurse steht dabei die Frage nach der optimalen
Kompetenzförderung. Trotz einer relativen Eindeutigkeit in der
Vorstellung, über welche Kompetenzen ein erwachsener Mensch
verfügen soll (vgl. OECD 2003), scheint Erziehung als solche und
mit ihr verbundene normative Vorstellungen von Lebens- und
Gesellschaftsentwürfen kaum mehr thematisiert (vgl. Lessenich,
2008). Die Erziehungswissenschaft selbst beschäftigt sich in
aktuellen Beiträgen primär mit Bildungsforschung, mit
internationalen Vergleichen zu „what works“ und kaum noch mit dem
Erziehungsgeschehen und den in ihr eingelagerten Vorstellungen zu
sozialer Ordnung (vgl. Fatke & Oelkers, 2014). Diese thematische
Verschiebung hin zu Bildungsfragen erscheint insofern
bemerkenswert, als seit der zweiten Moderne die
institutionalisierte Erziehung innerhalb der kindlichen Lebenswelt
eine immer grössere Bedeutung erhält. Erziehung kann dabei nach
Winkler (2006b) als eine Wirklichkeit beschrieben werden, in der im
Rahmen von Generationenordnungen immer auch Lebensformen machtvoll
ausgehandelt werden. Dies bedeutet, dass in Praktiken der Erziehung
Vorstellungen zu sozialer Ordnung bewusst oder unbewusst
‚mitverhandelt‘ werden, ohne weiter zu explizieren, was diese
beinhalten bzw. wie sie sich konkret in den erzieherischen
Praktiken manifestieren. Dennoch sind solche Vorstellungen im Sinn
von Welt- und Gesellschaftsbildern vorhanden und prägen das
Erziehungsgeschehen in Form von impliziten Wissensbeständen
massgeblich mit. An diese diskursive sowie wissenschaftliche Lücke
knüpft das vorliegende Projekt an. Unsere Forschung beabsichtigt,
durch die Analyse und Explizierung der ins Erziehungsgeschehen
hineinwirkenden Vorstellungen sozialer Ordnung einen Beitrag zur
empirischen Beschreibung gegenwärtiger institutioneller
Erziehungspraktiken zu leisten. Die zentrale Forschungsfrage
lautet: Welche Vorstellungen von sozialer Ordnung kommen im Kontext
institutioneller Erziehung in erzieherischen Praktiken von
Fachkräften zum Ausdruck und wie werden diese in Interaktionen mit
Kindern und Jugendlichen vermittelt?
Mittels eines ethnographischen Zugangs werden verschiedene
kontrastierende Fälle institutioneller Erziehung aus dem Feld der
ergänzenden Kinderbetreuung sowie aus dem Arbeitsfeld der
Resozialisation für unterschiedliche Altersgruppen untersucht.
Mittels teilnehmender Beobachtung, der Analyse von Sprechakten im
Interaktionskontext sowie Interviews mit Fachkräften werden
Erziehungspraktiken und darin wirkende Vorstellungen sozialer
Ordnung systematisch erfasst und interpretiert (vgl. Honegger,
Bühler & Schallberger, 2002). Die Ergebniserwartung des hier
vorgeschlagenen Forschungsprojekts fokussiert auf eine
systematische Analyse von normativen Grundlagen, von Vorstellungen
zu sozialer Ordnung, welche aktuelle Erziehungspraktiken im Kontext
institutioneller Erziehung formen und prägen. Aufgrund des
bestehenden Forschungsdesiderates, welches nachfolgend skizziert
wird, ist die Studie explorativ angelegt.